Vor 125 Jahren geboren: Paul Hörbiger

Der "personifizierte Folklore-Wiener"

Aufnahme aus dem Film "Frühlingsstimmen": Der Darsteller Paul Hörbiger beugt sich zu einem Jungen am Schulpult herab.
Der Schauspieler Paul Hörbiger, hier im Film "Frühlingsstimmen". © picture alliance / dpa / United Archives/ IFTN
Von Beatrix Novy |
Schon als Schauspieler am Wiener Burgtheater wurde er bekannt. Das Aufkommen des Tonfilms Ende der 20er-Jahre machte den Volksschauspieler Paul Hörbiger dann zum Filmstar. An seine Rollen stellte er nur eine Bedingung: Sympathisch sollten sie sein.
Hörbiger - an wen soll man da denken? Christiane, die noble ältere Dame des deutschsprachigen Fernsehfilms? Mavie, die jugendliche Burgschauspielerin? Die vielverehrte Hörbigertochter Elisabeth Orth? Oder Attila, Ehemann und Bühnenpartner der legendären Paula Wessely? Beide waren sehr populär. Aber noch beliebter war Paul: Paul Hörbiger, geboren am 29. April 1894.
Dass die Brüder Paul und Attila Ahnherren einer Schauspielerdynastie werden sollten, war ihnen nicht an der Wiege gesungen worden. Der Vater Hanns Hörbiger war Ingenieur und Unternehmer, er war auch Begründer und praktisch einziger Anhänger der merkwürdigen "Welteislehre" - einen Zug ins Skurril-Antibürgerliche mag es in der Familie schon gegeben haben.
Paul und Attila konnten, weil zwei Brüder als Erben fürs Geschäftliche schon vorhanden waren, unbefangen in eine nicht näher definierte Zukunft hineinwachsen. Die stellte sich 1914 mit dem Ersten Weltkrieg abrupt ein. 1916 teilte Paul seinem Vater mit, dass er einzurücken gedenke:
"Da hat er mir zurückgeschrieben: ‚Deinen Wunsch, aktiver Offizier werden zu wollen, zu erfüllen, fällt mir genauso schwer, wie wenn du den Wunsch hättest, Berufschauspieler werden zu wollen‘. Ich bin also beides geworden."

Attraktiv, mit sanftmütiger Ausstrahlung

Denn nach dem Krieg beschloss Paul, es mal mit Schauspielern zu versuchen. Gewappnet mit ein paar Unterrichtsstunden und einem Künstlernamen heuerte er in der böhmischen Provinz an. Aus dem lässigen Anfang wurde eine Karriere mit über 250 Filmen, unzähligen Bühnenstücken, Wienerliedern und Popularität bis ins hohe Alter.
Paul Hörbiger, ein attraktiver Mann mit der durchweg jovialen, sanftmütigen Ausstrahlung eines Gemütsmenschen, wurde 1926 von keinem Geringeren als Max Reinhardt aus Wien nach Berlin geholt. Schon bald drehte er erste Filme, unter anderem mit Fritz Lang. Wenig später ließ ihn seine Berufung zum Volksschauspieler im üppig blühenden Tonfilm reüssieren.
Dort schluchzte er das Wienerlied so sentimental angeschickert wie ein Original-Heurigensänger, dort agierte er vor den Kulissen eines Alt-Wien, das es so nie gab und das deshalb nie ausstirbt. Den "personifizierten Folklore-Wiener" nannte ihn, keineswegs wohlmeinend, die Literaturkritikerin Sigrid Löffler.
Mit Hans Moser bildete er ein Traumpaar, bei den Salzburger Festspielen durfte er, gesanglos, den Papageno spielen, einen Hofrat verkörperte er so glaubhaft wie den Schuster Knieriem in Nestroys "Lumpazivagabundus".
"Früher war das Theaterspielen ja ganz was anderes. Das war wirklich spielen, nicht wahr. Man musste sich selber amüsieren, wenn man andere amüsieren wollte", sagte Hörbiger einst.

Vielfach geehrter Schauspieler

Nur eine Bedingung stellte er ausdrücklich an seine Charaktere: Sympathisch sollten sie sein. Das fand sich ja leicht in Filmen wie "Der fidele Bauer", "Walzerkrieg", "Drei Mädel um Schubert".
Schon mit Hitlers Machtübernahme in Deutschland, also noch vor dem sogenannten Anschluss, wendete sich der Erfolg für einen in Deutschland und Österreich arbeitenden Künstler wie Paul Hörbiger ins Bedenkliche: Denn wer nach 1933 in noch so harmlosen Ufa-Filmen mitwirkte, konnte schon wissen, welchen Abgrund sie zudeckten.
Hörbiger hatte den "Anschluss" wie so viele zunächst begrüßt, aber jüdischen Freunden immer wieder geholfen. Nach dem Krieg hielt er sich zugute, als Volksschauspieler das Österreichertum gegen die Deutschen subversiv verteidigt zu haben: Weil seine Unterstützung einer Widerstandszelle ihn kurz vor Kriegsende ins Gefängnis und fast an den Strick gebracht hatte, musste er sich vor den Alliierten nicht lange rechtfertigen.
Das Melodram "Der Hofrat Geiger" leitete seine Nachkriegskarriere ein. Als er 1981 starb, hatte er vom Goldenen Ehrenzeichen der Stadt Wien bis zum Nestroy-Ring wohl alles erhalten, womit das Vaterland seine großen Schauspieler ehrt. Dabei war sein Rezept so einfach gewesen: "Macht's ka Wissenschaft draus, lernt's eurere Rollen!"
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