Schreiben, um zu überleben
Sie schrieb vor allem Kurzgeschichten und sorgte mit ihrem einzigartigen Stil für den Ruhm dieses Genres zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ihr eigenes Leben war rastlos und oft unglücklich - immer auf der Durchreise und auf der Suche nach Ruhe und Glück. Mit nur 34 Jahren starb sie in Frankreich.
"Willst du nicht auch alle möglichen Arten des Lebens probieren? Eine einzige ist viel zu klein."
In diese Frage packte Katherine Mansfield ihren Lebenswunsch, um in einem der nächsten Momente bekennen zu müssen:
"Schwarz. Ein Tag in der Hölle. Unfähig, irgendetwas zu unternehmen. Trank Cognac. War entschlossen, nicht zu weinen – weinte. … Oh, ich muss es irgendwie überstehen."
Die einzige Art, das Leben zu überstehen, bestand für sie darin, es zu beschreiben. Zum Beispiel jene Szene im bayerischen Kurbad Wörishofen, 1909: Als 19-jähriges Mädchen quartierte sie sich im Hotel Kreuzer ein und nannte im Gästebuch als ihren Beruf "Schriftstellerin" – obwohl sie bis dahin keine einzige Zeile veröffentlicht hatte. In einer nahen Pension nahm sie Mittag- und Abendessen ein und beobachtete die Gäste, den "Herrn Oberlehrer" oder die "Frau Feldleutnantswitwe", und beschrieb sie in kurzen Erzählungen, interessiert, wie diese Menschen ein falsches Selbst aufbauen, indem sie sich an fremden Erwartungen orientieren. Damals gewann Katherine Mansfield ihren Blick aufs Leben:
"Es kommt so häufig vor, dass Menschen, selbst wenn sie sich lieben …, sich gar nicht richtig kennen. Sie scheinen es auch nicht zu wollen … Sie missverstehen einander in den wichtigsten Angelegenheiten."
"In a German Pension" hieß der 1910 erschienene Band mit Erzählungen, von heute aus zu lesen als die Geburtsurkunde einer der herausragendsten und ungewöhnlichsten Schriftstellerinnen der frühen Moderne. Geboren als Kathleen Mansfield Beauchamp am 14. Oktober 1888 in Wellington, wurde sie vom Vater, einem vermögenden neuseeländischen Bankdirektor, 1903 zur Ausbildung nach London geschickt. Dort studierte sie später Musik und Literatur, begann selbst zu schreiben und wurde früh auch gedruckt – da hatte sie ihren Vornamen Kathleen in Katherine umgewandelt. Eine auffällige Person, die Frauen und Männer liebte, öffentlich rauchte, in Kneipen ging und ihre Lebens- und Weltanschauung offen nach außen lebte:
Virginia Woolf fielen ihre "wunderschönen Augen" auf, für sie war Katherine Mansfield so vollkommen-exotisch und dabei verletzlich wie "eine japanische Puppe". Aber manchmal wusste diese "Puppe" eben auch, was sie wollte, sodass viele den Eindruck gewannen, dass Katherine Mansfield sich nie "außer Dienst" fühlte:
"Sie war innerlich so sehr Schriftstellerin, wie Königin Victoria innerlich Königin gewesen war."
Und doch war da die Sehnsucht:
"Wird man jemals mit sich selber eins sein? Jemals ruhig und ununterbrochen – ohne Schmerz – mit demjenigen, den man liebt, unter einem Dache leben? Ist das zu viel verlangt?"
Statt Ruhe zu finden, war Katherine Mansfield einem hektischen Umhergetriebensein ausgeliefert. Beziehungen, sogar zwei Eheschließungen erlebte sie nur in Ambivalenz – einen Mann verließ sie sogar schon in der Hochzeitsnacht. Ein Leben unterwegs, zumeist in erniedrigender finanzieller Not, in schäbigen Hotelzimmern.
"Reisen ist schrecklich. Alles ist so schmutzig, und der Zug rüttelt einen durch. Tunnels sind die Hölle."
Vielleicht hat dieses rastlose Leben verhindert, dass Katherine Mansfield sich ihren Traum, ihr Leben als Roman aufzuschreiben, erfüllen konnte. Die kurzen, konzentrierten Augenblicke gefundener Ruhe reichten nur fürs Schreiben von Kurzgeschichten, die in Büchern wie "Das Gartenfest" oder "Segen und andere Geschichten" versammelt sind und in ihrer kühlen strukturellen Prägnanz den Ruhm der "Short Story" zu Beginn des 20. Jahrhunderts mitbegründet haben. Unvergleichlich, wie sie Augenblicke im Leben eines Menschen fixieren konnte, da genügte ihr die Beschreibung des Blicks aus einem Hotelfenster oder die Montage knapper, oft banaler Dialoge, um tief ins Innenleben ihrer Figuren blicken zu lassen. Auch Katherine Mansfields eigenes Leben war eine Kurzgeschichte. Sie starb in Fontainebleau, ihrem letzten Wohnsitz in Frankreich, 1923 im Alter von nur 34 Jahren an Tuberkulose. Einmal beschreibt sie, wie ein junges Mädchen im Trubel einer Garten-Party erfährt, dass ein Junge aus der Nachbarschaft tödlich verunglückt ist. Das Mädchen besucht sofort die Trauerfamilie, sieht den Toten auf dem Bett liegen und findet ihn "schön":
"Es ist alles gut, sagte dieses schlafende Gesicht. Es ist so, wie es sein sollte. Ich bin zufrieden."
In diese Frage packte Katherine Mansfield ihren Lebenswunsch, um in einem der nächsten Momente bekennen zu müssen:
"Schwarz. Ein Tag in der Hölle. Unfähig, irgendetwas zu unternehmen. Trank Cognac. War entschlossen, nicht zu weinen – weinte. … Oh, ich muss es irgendwie überstehen."
Die einzige Art, das Leben zu überstehen, bestand für sie darin, es zu beschreiben. Zum Beispiel jene Szene im bayerischen Kurbad Wörishofen, 1909: Als 19-jähriges Mädchen quartierte sie sich im Hotel Kreuzer ein und nannte im Gästebuch als ihren Beruf "Schriftstellerin" – obwohl sie bis dahin keine einzige Zeile veröffentlicht hatte. In einer nahen Pension nahm sie Mittag- und Abendessen ein und beobachtete die Gäste, den "Herrn Oberlehrer" oder die "Frau Feldleutnantswitwe", und beschrieb sie in kurzen Erzählungen, interessiert, wie diese Menschen ein falsches Selbst aufbauen, indem sie sich an fremden Erwartungen orientieren. Damals gewann Katherine Mansfield ihren Blick aufs Leben:
"Es kommt so häufig vor, dass Menschen, selbst wenn sie sich lieben …, sich gar nicht richtig kennen. Sie scheinen es auch nicht zu wollen … Sie missverstehen einander in den wichtigsten Angelegenheiten."
"In a German Pension" hieß der 1910 erschienene Band mit Erzählungen, von heute aus zu lesen als die Geburtsurkunde einer der herausragendsten und ungewöhnlichsten Schriftstellerinnen der frühen Moderne. Geboren als Kathleen Mansfield Beauchamp am 14. Oktober 1888 in Wellington, wurde sie vom Vater, einem vermögenden neuseeländischen Bankdirektor, 1903 zur Ausbildung nach London geschickt. Dort studierte sie später Musik und Literatur, begann selbst zu schreiben und wurde früh auch gedruckt – da hatte sie ihren Vornamen Kathleen in Katherine umgewandelt. Eine auffällige Person, die Frauen und Männer liebte, öffentlich rauchte, in Kneipen ging und ihre Lebens- und Weltanschauung offen nach außen lebte:
Virginia Woolf fielen ihre "wunderschönen Augen" auf, für sie war Katherine Mansfield so vollkommen-exotisch und dabei verletzlich wie "eine japanische Puppe". Aber manchmal wusste diese "Puppe" eben auch, was sie wollte, sodass viele den Eindruck gewannen, dass Katherine Mansfield sich nie "außer Dienst" fühlte:
"Sie war innerlich so sehr Schriftstellerin, wie Königin Victoria innerlich Königin gewesen war."
Und doch war da die Sehnsucht:
"Wird man jemals mit sich selber eins sein? Jemals ruhig und ununterbrochen – ohne Schmerz – mit demjenigen, den man liebt, unter einem Dache leben? Ist das zu viel verlangt?"
Statt Ruhe zu finden, war Katherine Mansfield einem hektischen Umhergetriebensein ausgeliefert. Beziehungen, sogar zwei Eheschließungen erlebte sie nur in Ambivalenz – einen Mann verließ sie sogar schon in der Hochzeitsnacht. Ein Leben unterwegs, zumeist in erniedrigender finanzieller Not, in schäbigen Hotelzimmern.
"Reisen ist schrecklich. Alles ist so schmutzig, und der Zug rüttelt einen durch. Tunnels sind die Hölle."
Vielleicht hat dieses rastlose Leben verhindert, dass Katherine Mansfield sich ihren Traum, ihr Leben als Roman aufzuschreiben, erfüllen konnte. Die kurzen, konzentrierten Augenblicke gefundener Ruhe reichten nur fürs Schreiben von Kurzgeschichten, die in Büchern wie "Das Gartenfest" oder "Segen und andere Geschichten" versammelt sind und in ihrer kühlen strukturellen Prägnanz den Ruhm der "Short Story" zu Beginn des 20. Jahrhunderts mitbegründet haben. Unvergleichlich, wie sie Augenblicke im Leben eines Menschen fixieren konnte, da genügte ihr die Beschreibung des Blicks aus einem Hotelfenster oder die Montage knapper, oft banaler Dialoge, um tief ins Innenleben ihrer Figuren blicken zu lassen. Auch Katherine Mansfields eigenes Leben war eine Kurzgeschichte. Sie starb in Fontainebleau, ihrem letzten Wohnsitz in Frankreich, 1923 im Alter von nur 34 Jahren an Tuberkulose. Einmal beschreibt sie, wie ein junges Mädchen im Trubel einer Garten-Party erfährt, dass ein Junge aus der Nachbarschaft tödlich verunglückt ist. Das Mädchen besucht sofort die Trauerfamilie, sieht den Toten auf dem Bett liegen und findet ihn "schön":
"Es ist alles gut, sagte dieses schlafende Gesicht. Es ist so, wie es sein sollte. Ich bin zufrieden."