US-Regierung verschenkte Land der Indianer
Der "Oklahoma Land Run" war ein spektakuläres Ereignis: ein gigantisches Wettrennen mit Gratis-Farmland als Preis. Noch immer wird es regelmäßig nachgespielt - als Höhepunkt des Pioniergeistes. Die Leidtragenden waren damals die Indianer: Erst wurden sie in den Staat verfrachtet, dann wurde ihnen das Meiste genommen.
"Extra! Extra! Oklahoma! Das neue Land der Verheißung heute frei für Siedler! Ein wildes Rennen! Der Stärkste wird gewinnen!"
Was Zeitungen am Ostermontag, den 22. April 1889 aus Oklahoma berichteten, hatte es noch nie gegeben: Die Regierung der Vereinigten Staaten verschenkte Land - achttausend Quadratkilometer, Parzellen für zwölftausendfünfhundert Farmen, Grund für neue Städte - mit einem Wettrennen, dem "Oklahoma Land Run". Fünfzigtausend Interessenten standen an den Grenzen des Territoriums bereit. Um Schlag zwölf Uhr mittags gaben Soldaten das Startsignal.
"Mit halsbrecherischer Geschwindigkeit rasten die Reiter in alle Richtungen über die Prärie. Nach ihnen kamen Kutschen und Karren, die Fahrer schrien und peitschten ihre Pferde. Dann folgten schwere Wagen, in Staubwolken gehüllt, das Geräusch ihrer Räder wie Donnerhall. Hinter ihnen Läufer zu Fuß, mit Pfosten beladen."
Wettrennen endete mit Mord und Totschlag
So oder ähnlich berichteten die Reporter aus dem ganzen Land. Den Pfosten auf einem Landstück einschlagen, den Markstein der Vermesser suchen, die Daten notieren, sich zu einem der improvisierten Grundbuchämter durchschlagen und registrieren lassen - schon war man Landbesitzer. Oder stellte fest, dass jenseits des Hügels jemand dieselbe Parzelle besetzt hatte. Für viele endete das Wettrennen in einer Prügelei, für einige mit Mord und Totschlag. An Eisenbahndepots entstanden Zeltstädte aus dem Nichts. Die Presse war beeindruckt:
"Um zwölf Uhr war die Bevölkerung von Oklahoma City gleich null, vor Sonnenuntergang waren es mindestens zehntausend."
"In keinem Land außer Amerika ist so etwas möglich."
Indianischen Beobachtern konnte dieses spektakuläre Rennen allerdings nur Zukunftsängste bereiten - denn das neue Siedlungsland war rundum von Reservaten umgeben. Jahrzehntelang hatten die USA indianische Völker, die irgendwo anders den weißen Siedlern im Weg waren, nach Oklahoma deportiert. Siebenundsechzig Stämme mit ganz unterschiedlichen Kulturen lebten hier zusammengedrängt, und immer kleiner waren dabei die einzelnen Reservate geworden. Für viele Weiße wohl immer noch zu groß:
"Gebt das Land dem weißen Mann für Heimstätten, eine Million Heimstätten."
...schrieb etwa der "Boston Globe".
Seit 1879 forderten Agitatoren die Freigabe eines Streifens im Herzen von Oklahoma, der zu keinem Reservat gehörte. Mit Landbesetzungen und Lobbyarbeit in Washington hatten sie ihr Ziel jetzt erreicht. Doch, so die "Chicago Tribune":
"Die wirkliche Bedeutung liegt darin, dass es der erste Schritt zu einer vollständigen Öffnung des Indianerterritoriums und zu einem neuen Staat ist."
Land der Indianer wurde in Parzellen aufgeteilt
Die Regierung machte es sich nun zum Ziel, die Assimilation der Indianer zu erzwingen.
Dafür sollte zuerst das Reservatsland, das den Stämmen kollektiv gehörte, in Farmparzellen aufgeteilt und den Stammesmitgliedern als Privateigentum übertragen werden.
"Es ist zu bezweifeln, dass irgendein höherer Grad von Zivilisation möglich ist ohne individuelles Eigentum an Land."
...heißt es in einem Bericht der Indianerbehörde. Einer der wenigen Gegner dieser Politik war Henry Teller, Senator in Colorado:
"Die Maßnahmen zum angeblichen Wohl der Indianer sind nichts als ein Vorwand, um an ihr Land zu kommen. Wenn das im Namen der Gier geschähe, wäre es schlimm genug, aber es im Namen der Humanität zu tun, ist unendlich viel schlimmer."
Denn bei der Aufteilung wurden die Parzellen so berechnet, dass große "Überschüsse" entstanden - bis zu neunzig Prozent eines Reservats -, die dann für weiße Siedler verfügbar waren. Die Stämme widersetzten sich zunächst, aber einer nach dem andern beugte sich dem Druck. Das "überschüssige" Land in Oklahoma wurde durch vier weitere Wettrennen und eine Lotterie an Weiße vergeben. Als Oklahoma 1907 als sechsundvierzigster Staat in die USA aufgenommen wurde, waren alle Reservate aufgelöst und die Indianer nur noch eine Minderheit in dem Land, das ihnen als Refugium für alle Zeit versprochen worden war.