Vor 125 Jahren wurde George Grosz geboren

Maler der Weimarer Verhältnisse

Der wohl bekannteste und schärfste Satiriker der 20er-Jahre, der Maler und Grafiker George Grosz, an der Staffelei. Er war einer der Gründer der Berliner Dada-Gruppe.
Geboren wurde George Grosz 1893 in Berlin © picture alliance / dpa / Röhnert
Von Anette Schneider |
Er zählt zu den wichtigsten Künstlern der 1920er-Jahre: Gnadenlos ungeschönt malte und zeichnete er die Missstände der Weimarer Republik. Er kritisierte Armut und Massenarbeitslosigkeit, Aufrüstung und Faschismus. Heute vor 125 Jahren wurde George Grosz geboren.
Im Sommer 1915 erhielt der 22-jährige, noch gänzlich unbekannte George Grosz Besuch in seinem Berliner Atelier. Der angehende Verleger Wieland Herzfelde hatte ihn kurz zuvor kennengelernt und wollte nun seine Arbeit sehen.
Doch, so erinnerte sich Herzfelde später: "Erst als mein Bitten sehr dringlich wurde, schlug er die Deckel der Kisten hoch, auf denen wir saßen. Sie waren bis zum Rand voll mit Zeichnungen und Aquarellen, mit Tausenden von Blättern!"
Darauf – im Stil von Kritzel- und Kinderzeichnungen: Kriegskrüppel, Soldaten ohne Nase, feiste Generäle, wimmelnde Menschenmassen, prügelnde und mordende Männer, einstürzende Häuser – eine aus den Fugen geratene Welt.
George Grosz: "Der Krieg! ... Das war wie ein Faustschlag! ... Feinnervige Menschen, und besonders ich, empfand(en) plötzlich, dass es in der Welt außer diesen Beschäftigungen mit schönen Dingen und Reisen und so, – gab es plötzlich eine ungeheure Brutalität. Die wurde natürlich zuerst besungen. ... Ich war auch ein Sänger. Aber in mir bestand dieser Gesang aus Protest."

Drill und Obrigkeitshörigkeit erlebt

Am 26. Juli 1893 als Georg Groß in Berlin geboren und dort sowie im pommerschen Stolp aufgewachsen, hatte Grosz bereits in der Schule preußischen Drill und Obrigkeitshörigkeit erlebt. Damals half ihm seine Leidenschaft für das Zeichnen. Nach dem Kunststudium in Dresden und Berlin musste er Ende 1914 in den Krieg, aus dem er im Mai 1915 als dienstuntauglich wieder entlassen wurde.
Seitdem zeichnete er wie ein Besessener, nannte sich gegen den vorherrschenden Englandhass um in George Grosz und gründete 1917 mit John Heartfield, Wieland Herzfelde und anderen die Berliner Dada-Bewegung.
George Grosz: "So war ich zum Beispiel der Propagandada. Ich hatte mir eine Karte machen lassen, – George E. Grosz – mein Mittelname ist Ehrenfried ... Da habe ich mir eine Karte machen lassen, "Propagandada" – und dann drehte man die Karte um 'Wie denke ich morgen?'. Und dann haben wir kleine Schilder machen lassen: 'Dada siegt!', 'Dada kommt!', 'Dada über alles!'."
Nach der Novemberrevolution von 1918/19 und dem Eintritt in die KPD entwickelte Grosz eine kritische, eingreifende Kunst, die ihn zu einem der wichtigsten Künstler der Weimarer Republik machte. Neben Bühnenbildern für Max Reinhardt und Erwin Piscator entstanden vor allem Zeichnungen für linke Zeitschriften.
"Die Menschen haben ein niederträchtiges System geschaffen – ein Oben und ein Unten. ... Mitzuhelfen, ... den Unterdrückten die wahren Gesichter ihrer Herren zu zeigen, ist der Sinn meiner Arbeit."
Der Maler George Grosz in seinem Atelier.
Der Maler George Grosz in seinem Atelier. © imago/United Archives International

Typen, die für jeden sofort erkennbar waren

Grosz entwickelte Typen, die für jeden sofort erkennbar waren: Generäle mit kantigen Gesichtern, die noch Skelette für kriegstauglich erklären. Feiste Unternehmer, die auf ermordete Kommunisten anstoßen. Reichswehrsoldaten, die demonstrierende Arbeiter erschießen. Frauen, die ihren Körper verkaufen müssen. Arbeitslose, die hungernd am Straßenrand hocken.
Viele der Arbeiten erschienen auch als umfangreiche Mappenwerke im Malik-Verlag der Brüder Herzfelde: Serien wie "Das Gesicht der herrschenden Klasse", "Gott mit uns" oder "Ecce Homo" machten ihn schnell berühmt – und in weiten Kreisen der Republik verhasst, so die Kunsthistorikerin und Grosz-Expertin Gunda Luyken: "Das hat … dazu geführt, dass er einen Prozess nach dem anderen am Hals hatte. Das erste Mal wegen Verunglimpfung der Reichswehr, dann wegen Verbreitung pornographischer Zeugnisse und zuletzt wegen Gotteslästerung."
Vor Gericht erklärte der Künstler dazu einmal, seine Bilder seien lediglich Ausdruck der herrschenden Verhältnisse: "Sie sind ohne diese Menschen und ohne diese Zeit nicht denkbar ... Klagt man mich an, so klagt man die Zeit an, ihre Gräuel, ihre Verderbnis, ihre Anarchie und ihre Ungerechtigkeit."

Bedrohungen aus rechten Kreisen

Seit Ende der 1920er Jahre wurde Grosz immer offener von rechten Kreisen bedroht. Ende 1932 verließ er Deutschland und ging in die USA: "Es waren zwei Gründe. ... Der eine Grund war, dass ich einen ‚amerikanischen Traum‘ immer hatte, und dass es eine Möglichkeit gab, die sich verwirklichen ließ: Ich wurde engagiert von der Art Students’ League in New York als Lehrer. Und das zweite waren natürlich politische Gründe."
In den USA hatte Grosz zwar zahlreiche Ausstellungen, doch die Popularität der Weimarer Republik erreichte er dort nicht. Ende Mai 1959 kehrte er zurück nach Berlin, wo er wenige Wochen später starb. 66 Jahre alt – und ein Werk hinterlassend, das Krieg, Militarismus und Ausbeutung anprangert, wie kaum ein anderes seiner Zeit.
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