Eine Neue Synagoge für Berlin
Von einer "modernen Alhambra" schrieb die Berliner Presse, als am 5. September 1866 die Neue Synagoge in der Oranienburger Straße eingeweiht wurde. Von den Nationalsozialisten geschändet und im Krieg schwer beschädigt, ist sie heute auch ein "Centrum Judaicum".
Ornamente aus goldenen Sternrippen geben einer mächtigen Kuppel an der Oranienburger Straße ein orientalisches Gepräge, mitten in Berlin. 1866 krönte die imposante Konstruktion die Neue Synagoge. Heute erinnert das aufwendig restaurierte Baudenkmal an eine kaum mehr vorstellbare Episode deutscher Kulturgeschichte:
"Die prächtigste und auch größte Synagoge mit 3.200 Plätzen. Und nicht nach hinten verlegt die Kuppel, sondern vorne an der Straße sichtbar für alle. Reflektierend das Selbstbewusstsein der jüdischen Gemeinde zu Berlin: Wir gehören dazu, wir sind 'mittenmang'. Das heißt nicht, dass wir keine Juden mehr sind."
Für Anja Siegemund spiegelt die Architektur den Streit zwischen konservativ-orthodoxen Juden und jenen liberalen Glaubensbrüdern, die ihre erfolgreiche Assimilation mit einer außergewöhnlichen, also neuen Synagoge bekräftigen wollten. Die Historikerin leitet das Centrum Judaicum, ein Archiv zur Geschichte des Judentums, das Auskunft gibt über die Planungen von Eduard Knoblauch und – nach dessen Tod – die Gestaltung der Innenräume durch den preußischen Hofbaurat Friedrich August Stüler. Beide Architekten hatten sich mit wechselnden Ansprüchen der jüdischen Gemeinde auseinanderzusetzen. Eingeweiht wurde schließlich am 5. September 1866:
"Eine Synagoge, die durchaus jetzt nicht mehr genau der Orthodoxie folgte, aber die nicht alles reformierte: Männer und Frauen saßen getrennt, aber es gab zum Beispiel so etwas wie einen gemischten Chor. Und es gab eine Orgel. Und Hebräisch und Deutsch mischten sich – und auch das war neu."
Spektakuläre technische Innovationen
Nicht zuletzt spektakuläre technische Innovationen wie gusseiserne Säulen oder die durch Gaslaternen illuminierte Glasmalerei ließen das Budget von ursprünglich 125.000 auf 750.000 Reichstaler ansteigen. Gestritten aber wurde über die Liturgie, vor allem den Einbau einer Orgel. Die Liberalen waren überdies uneins, wenn es um den maurischen Stil mit farbig ornamentierter Fassade, Zwiebelkuppeln und Palmenmotiven ging. Einige sahen in dieser Betonung der orientalischen Herkunft ein Hindernis auf dem Weg zur Integration in die deutsche Gesellschaft. Sie bevorzugten eine Bauweise, wie sie 1840 in Dresden ein anderer prominenter Architekt gewählt hatte.
"Gottfried Semper hat eine außen romanische Synagoge gebaut, die dann im Inneren orientalisch war. Sodass man einerseits die Nähe zu Deutschland zeigte und andererseits im Inneren das Eigene und auch das Fremde betonte."
Die Kunsthistorikerin Angelie Sachs beschreibt einen Architekturkompromiss, der ein Vierteljahrhundert später nicht mehr in Frage kam. Anja Siegemund:
"Auch mit der Architektur bekennt man sich zu dem Ursprung der Religion im Orient. Und in der Inschrift, die fängt damit an: 'Tue auf die Pforten, dass einzieht das gerechte Volk, das' – und das ist das Wichtige – 'das wahret die Treue.' Und da ist gemeint die Treue zum Judentum."
Schändung durch die Nazis, Zerstörung durch Bomben
Eine souveräne, selbstbewusste Haltung, die hochrangige Vertreter des preußischen Staates keineswegs hinderte, 1866 an der feierlichen Einweihung der Neuen Synagoge teilzunehmen. Auch Ministerpräsident Otto von Bismarck war dabei. Doch dann kam das Jahr 1880:
"Da gab es sehr antisemitische Äußerungen, zum Beispiel eines Heinrich von Treitschke. Der sagte, es wäre eine Schande, dass das größte religiöse Gotteshaus in Berlin eine Synagoge wäre."
Bei den antisemitischen Pogromen im November 1938 schändeten Schlägertrupps der Nazis auch die Neue Synagoge und legten Feuer. Nach Bombenangriffen war bei Kriegsende 1945 nur eine Ruine geblieben. 1988, noch in der DDR, wurde damit begonnen, die vordere Turmfassade mit der goldglänzenden Kuppel wiederherzustellen. Der einst so prächtige Synagogensaal aber ist nur noch in seinen gewaltigen Ausmaßen erkennbar durch Reste des Fundaments. So bleibt eine offene Wunde, wie Mischa Guttmann vom Zentralrat der Juden angesichts der nur teilweise rekonstruierten Synagoge betonte:
"Ich halte es für falsch, zu sagen, dass man anknüpft an Traditionen vor der Nazizeit. Wenn wir jetzt etwas Neues beginnen, dann ist das etwas Neues. Es ist nicht ein bruchloses Anknüpfen an die Vergangenheit."