Verlierer im ewigen Eis
Er wollte für das britische Empire den Südpol erobern, doch Robert Falcon Scott musste sich dem Norweger Roald Amundsen geschlagen geben. Dünkel und Technikgläubigkeit ließen den Polarforscher scheitern, der vor 150 Jahren geboren wurde.
"Damals ging es wirklich darum, die weißen Flecken auf dem Globus zu tilgen; es ging natürlich auch viel um Pathos, um König und Vaterland, um nationale Ehre, wer setzt die Flagge als Erster am Südpol oder am Nordpol. Das sind ja Gott sei Dank alles Dinge, die heute überhaupt keine Rolle mehr spielen."
Sagt Arved Fuchs. Er hat die Antarktis 1989 mit Reinhold Messner durchquert - auf den Spuren von Robert Falcon Scott, der 1910 aufgebrochen war, um für das britische Empire den Südpol zu erobern. Scotts großer Gegenspieler bei dieser Expedition war der Norweger Roald Amundsen.
Arved Fuchs: "Amundsen hatte während seiner Nordwestpassagen-Expedition bei den Netsilik-Eskimos überwintert, er hat auch den Umgang mit der Kälte dort gelernt, also er hat das auch bis zur Perfektion weiter entwickelt. Amundsen war einfach kompromisslos auf den Erfolg getrimmt und setzte das ein, was für die damalige Zeit am besten war. Und das war einfach der Hundeschlitten."
Ein Engländer nimmt keinen Hundeschlitten
Ganz anders Scott, der Sohn eines Brauereibesitzers, der am 6. Juni 1868 in Devonport geboren wurde und seit seinem 13. Lebensjahr in der Royal Navy diente: erst als Kadett, dann als Leutnant und Offizier.
Scott wollte seine Schlitten auf dem Weg zum Pol erst von Ponys ziehen lassen und dann zu Fuß weitergehen, hinauf auf das 3.000 Meter hohe Polarplateau. Rainer K. Langner, Autor eines Buchs über das "Duell im ewigen Eis":
"Er hat überliefert bekommen, dass ein Engländer nicht einen Hund vor den Schlitten spannt, sondern dass er selbst einen Schlitten zieht. Engländer sind Männer, die ziehen selbst."
Erste Antarktis-Fahrt nur mäßig erfolgreich
Für Scott war es schon die zweite Fahrt in die Antarktis. In der Hoffnung auf sein erstes eigenes Kommando hatte er sich 1899 um die Leitung einer von der Royal Geographic Society geplanten Forschungsreise beworben.
Der Fahrt war zwar nur ein mäßiger Erfolg beschieden, doch sie verschaffte Scott den nötigen Rückhalt, um eine weitere Expedition voranzutreiben, die dieses Mal bis zum Südpol führen sollte. Einen potentiellen Rivalen vermutete er zunächst gar nicht in Norwegen, sondern - in Deutschland.
Rainer K. Langner: "Denn die Deutschen waren auch mit einer Expedition Richtung Antarktis unterwegs."
Wilhelm Filchner, der deutsche Projektleiter, und Scott kamen schließlich per Handschlag überein, sich nicht in die Quere kommen zu wollen.
"Lady Scott und ich waren die letzten, die dem Forscher die Hand schüttelten. 'Auf Wiedersehen am Südpol', rief mir Scott nach Anrollen des Zuges vom Fenster aus noch zu."
Falsche Auswahl bei der Ausrüstung
Von Cardiff aus stach Scotts Schiff, die "Terra Nova", am 15. Juni 1910 in See. Erst in Melbourne erfuhr der Brite, dass Amundsen seinen ursprünglichen Plan einer Nordpol-Expedition heimlich geändert hatte - und nun ebenfalls Richtung Antarktis unterwegs war.
Scott überwinterte am Kap Evans auf Ross Island; Amundsen an der Walbucht im Rossmeer - hundert Kilometer näher am Südpol als Scott. Am 1. November 1911, mit Beginn des arktischen Frühlings, brach der Engländer auf – acht Tage später als Amundsen, der mit seiner Kleidung aus Rentier- und Karibu-Fellen gegen die Kälte und heftigen Stürme weitaus besser gewappnet war als Scott mit seinen Armeejacken und Kapuzen.
Die Ponys kamen mit den extremen Bedingungen ebenso wenig zurecht wie die von Scott mitgebrachten Motorschlitten.
Arved Fuchs: "Also, bei aller Tragik dieser Scott-Expedition muss man sagen, dass sie auch wirklich zum großen Teil selbst verschuldet war!"
Bis zum Südpol waren es rund 1.500 Kilometer. Und dann die grenzenlose Enttäuschung, als die Engländer ihr Ziel am 18. Januar 1912 endlich erreichten – und dort schon die norwegische Fahne flatterte.
"Mir graut vor dem Rückweg"
"All die Mühsal, all die Entbehrung, all die Qual - wofür? Für nichts als Träume", schrieb Scott in sein Tagebuch. Und: "Mir graut vor dem Rückweg!"
Die Männer waren den Strapazen nicht mehr gewachsen. Am Ende hielt ein furchtbarer Orkan Scott und seine beiden letzten Begleiter im Zelt gefangen. Während die Nahrungs- und Brennstoffvorräte zur Neige gingen, schrieb Scott Abschiedsbriefe. Sein letzter Tagebucheintrag stammt vom 29. März 1912:
"Um Gottes willen – sorgt für unsere Hinterbliebenen!"
Im November fand ein Suchtrupp das Zelt mit den Leichen, nur etwa 18 Kilometer von einem rettenden Vorratsdepot entfernt.