"A Christmas Carol" von Charles Dickens erschienen
Keine Weihnachtserzählung, außer der von der Geburt Jesu selbst, ist weltweit so populär wie "A Christmas Carol" von Charles Dickens. Die Geschichte des raffgierigen Ebenezer Scrooge, der an Heiligabend von drei Geistern geläutert wird, ging in die weihnachtliche Kultur vieler Länder ein.
Es ist der Tag vor dem Weihnachtsfest. Die Stimmung ist heiter, alle Welt strahlt. Nur einer teilt die Vorfreude nicht.
"Frohe Weihnachten? Ach, was! Humbug! Wenn es nach mir ginge, müsste jeder Dummkopf, der mit 'Fröhliche Weihnacht' im Munde Parole läuft, mit einem Stechpalmenzweig durchs Herz begraben werden, ja!"
Ebenezer Scrooge heißt der Stinkstiefel, der hier so poltert. Ein raffgieriger Geschäftsmann, der das Fest der Liebe hasst, weil er da seinem Gehilfen im Büro einen ganzen Tag freigeben muss. Scrooge ist krankhaft geizig, sein Herz böse und kalt.
"Seine Eisluft trug er überall mit sich herum, äußere Hitze oder Kälte konnten ihn nicht schrecken. Kein Wind war schneidender als er, kein Schneefall unbarmherziger. Der heftigste Regen, Schnee und Hagel, konnten sich nur eines Vorteils über ihn rühmen: Sie zeigten sich oft sehr freigiebig, er - nie."
Geister der Weihnacht
Doch Weihnachten wäre nicht Weihnachten und Charles Dickens' berühmte, schaurig-schöne Erzählung kein Märchen, wenn nicht ein Wunder geschähe. Scrooge wird geläutert. Dahinter stecken drei Geister, die ihm erscheinen, als er mutterseelenallein und bibbernd am Heiligen Abend in seiner aus Geiz ungeheizten Wohnstube hockt.
Nummer eins: "Ich bin der Geist der vergangenen Weihnacht …"
Nummer zwei und drei: die Geister der diesjährigen und der zukünftigen Weihnacht.
"Die zeigen ihm jeweils, was er war, was er traurigerweise geworden ist, nämlich der alleinstehende Geizhals, der Spaß an nichts mehr, außer am Geld selbst, hat", sagt Joachim Frenk, Professor für britische Literatur- und Kulturwissenschaft.
"Und der Geist der Zukunft zeigt ihm dann, wie schrecklich sein Schicksal in Zukunft sein wird, dass er nämlich ins Grab sinken wird, unbeweint, unbetrauert, unbemerkt."
Dickens' universelle Weihnachtsbotschaft
Der Spuk tut seine Wirkung. Der Geizkragen wird zum Wohltäter, der Griesgram zum Menschenfreund. Der Böse wird gut, der Verlorene gerettet.
Joachim Frank: "Also eine sehr universelle Botschaft, die wir da bekommen."
Eine Art "Weihnachtsphilosophie", wie sie Dickens auch in seinen großen Romanen verfolgt, etwa Oliver Twist oder David Copperfield.
"Der französische Kritiker Louis Cazamian hat argumentiert, dass die Botschaft der Weihnachtsgeschichte genommen werden kann als die zentrale Botschaft des Dickens'schen Schreibens generell. Nämlich, dass wir in Gemeinschaft zueinander finden sollen, dass wir andere nicht herabsetzen, und uns nach Kräften bemühen sollen, das Los der anderen zu bessern."
Dabei geht Dickens' Weihnachtsmärchen weit über die individuelle Geschichte des Ebenezer Scrooge hinaus.
"Die Geister zeigen ihm eben auch, dass sein Schicksal auch ein gesellschaftliches Schicksal ist. Das heißt, die Geister von Ignoranz und Not, zwei Kinder, die ihm allegorisch vorgeführt werden, stehen symbolisch auch für die Vernachlässigung der Arbeiterklasse im viktorianischen England."
Sozialkritik als Weihnachtsgeschichte
Es sind die sogenannten "hungry forties", als Dickens durchaus sozialkritisches Christmas Carol, übersetzt eigentlich Weihnachtslied, am 19. Dezember 1843 erscheint. Die Themen in dieser Zeit des Frühindustrialismus, so Joachim Frenk:
"Die Verarmung, der weit verbreitete Hunger, das schiere Elend, in das viele Teile der Arbeiterschicht gefallen sind. Es gab Missernten in diesen 40er-Jahren, es gab protektionistische Kornzölle, die dann erst 1846 aufgehoben wurden, und, zwei Jahre nach der Veröffentlichung der Weihnachtsgeschichte, gab es die katastrophale große Hungersnot in Irland."
Charles Dickens' "A Christmas Carol" wurde ein Klassiker.
"Ein Weihnachten ohne Dickens Weihnachtsgeschichte ist fast nicht mehr vorstellbar, und deswegen wird die Geschichte eben auch immer wieder reproduziert, an den unmöglichsten Orten zum Teil. Vor ein paar Jahren war es sehr im Trend, in stillgelegten Londoner U-Bahn-Stationen die Weihnachtsgeschichte aufzuführen."
Die Geschichte von Ebenezer Scrooge und den Geistern der Weihnacht wurde vielfach verfilmt, einmal sogar mit den Muppets. Es gibt sie als Musical, als Comic, als Parodie - und in der hinreißenden Hörspielfassung, mit der unser heutiges Kalenderblatt begann und nun auch endet, Will Quadflieg war der Erzähler, Manfred Steffen der erst missmutige, dann beseelte Scrooge:
"Frohe Weihnachten!! Wir feiern Weihnachten! Es soll von nun an zu einer lieben Gewohnheit werden, so lange ich lebe!"