Napoleons Absturz
Am 6. April 1814 dankte Napoleon als Kaiser der Franzosen ab. Dieser Schritt war unumgänglich geworden, nachdem die Armeen der Alliierten - Russland, Preußen und Österreich - in Frankreich einmarschiert waren und Ende März 1814 Paris besetzt hatten. Mit der Abdankung Napoleons endete eine der erstaunlichsten Karrieren der Weltgeschichte.
Im Frühsommer 1811, auf dem scheinbaren Höhepunkt seiner Macht, war sich Napoleon sicher:
"Noch drei Jahre, und ich bin Herr des Universums."
Tatsächlich war es nur drei Jahre später mit seiner Herrlichkeit vorbei, war sein Traum vom großen Weltreich ausgeträumt. Am 6. April 1814 musste der Kaiser der Franzosen seine Unterschrift unter die Abdankungsurkunde setzen:
"Im Lichte dessen, dass die Alliierten verkündet haben, Kaiser Napoleon stelle das einzige Hindernis für die Wiederherstellung des Friedens dar, erklärt der Kaiser der Franzosen, getreu seinem Schwur, für sich und seine Erben den Verzicht auf die Throne Frankreichs und Italiens."
So kometenhaft sein Aufstieg zum Herrscher über Frankreich und Europa, so jäh der Absturz. Der Untergang der Grande Armée in Russland 1812 markierte den Anfang vom Ende. Als Usurpator, der sich 1799 an die Macht geputscht hatte, war Napoleon auf den Erfolg angewiesen. Blieb er aus, war sein auf Zwang und Furcht gegründetes System unmittelbar bedroht. Das brachte er in einem Gespräch mit dem österreichischen Außenminister Fürst Metternich am 26. Juni 1813 unverblümt zum Ausdruck:
"Eure Herrscher, geboren auf dem Throne, können sich zwanzig Mal schlagen lassen, und doch immer wieder in ihre Residenzen zurückkehren; das kann ich nicht, ich, der Sohn des Glücks. Meine Herrschaft überdauert den Tag nicht, an dem ich aufgehört habe, stark und folglich gefürchtet zu sein."
Kriegsmüdes Frankreich
Nach Napoleons Niederlage in der "Völkerschlacht" von Leipzig im Oktober 1813 war es so weit: Der Nimbus seiner Unbesiegbarkeit war endgültig dahin. Die Franzosen mussten sich hinter den Rhein zurückziehen. Die mit ihnen verbündeten Staaten des Rheinbunds wechselten die Seiten. Verzweifelt bemühte sich der Kaiser, noch einmal eine neue Armee aufzustellen. Doch Frankreich war kriegsmüde; es kam zu massenhaften Verweigerungen. So konnte er gegen die 260.000 Mann der Alliierten, die an der Jahreswende 1813/14 in Frankreich einmarschierten, nur 70.000 zumeist schlecht ausgebildete Soldaten aufbieten. Dennoch: In der Frühjahrskampagne 1814, als er mit dem Rücken zur Wand stand, bewies Napoleon noch einmal sein überragendes militärisches Geschick. Die preußische Armee unter Fürst Blücher schlug er gleich dreimal hintereinander.
"Das Glück hat sich wieder meiner besonnen, und ich bin erneut frei, meine Bedingungen zu formulieren",
schrieb er am 18. Februar an seinen Bruder Joseph. Doch das war eine Illusion. Der Übermacht des Gegners musste sich Napoleon schließlich beugen. Am Abend des 29. März erblickte die Vorhut der alliierten Truppen die Türme von Paris.
"Die Mühen des Feldzugs, die Wunden, die gefallenen Freunde und Brüder - alles war wie weggeblasen",
erinnerte sich noch viele Jahre später ein russischer Offizier. Am 31. März zogen der russische Zar Alexander I. und der preußische König Friedrich Wilhelm III. an der Spitze ihrer Armeen in die französische Hauptstadt ein. Zwei Tage später erklärte der Senat, eine Versammlung französischer Notabeln, den Kaiser für abgesetzt. Napoleon, der inzwischen mit den Resten seiner Truppen in Fontainebleau bei Paris sein Quartier aufgeschlagen hatte, hoffte zunächst noch, den Thron für seinen Sohn retten zu können.
Der Zar erhöht den Preis
Doch nachdem in der Nacht vom 4. auf den 5. April das Korps des Generals Marmont ins Lager des Gegners übergelaufen war, erhöhte der Zar den Preis: Er verlangte nun die bedingungslose Abdankung. Da sich in den frühen Morgenstunden des 6. April auch Napoleons höchste Offiziere gegen eine Fortsetzung des Kampfes aussprachen, blieb ihm gar nichts anderes übrig, als sich in sein Schicksal zu fügen. Im Vertrag von Fontainebleau wurde dem entthronten Herrscher die Insel Elba zugesprochen; außerdem durfte er den Kaisertitel behalten. Am 20. April nahm Napoleon Abschied von seiner alten Garde.
"Adieu mes enfants! Ich wünschte Euch alle an mein Herz zu drücken, wenigstens will ich Eure Fahne umarmen."
Lange sollte es den Ruhelosen nicht auf Elba halten. Bereits Ende Februar 1815 kehrte er nach Frankreich zurück, um die inzwischen restaurierte Bourbonenherrschaft zu stürzen. Doch seine Niederlage bei Waterloo beendete das Intermezzo der Hundert Tage.
Am 22. Juni 1815 musste Napoleon abermals abdanken - diesmal endgültig.