Der dichtende Revolutionär
Tief im Herzen trug Georg Herwegh den Wunsch nach einem Umsturz, nach einer Neuordnung. Doch wirklich umsetzen konnte der Dichter diesen Wunsch nicht. Vor 200 Jahren wurde er geboren.
"Mann der Arbeit, aufgewacht!
Und erkenne deine Macht!
Alle Räder stehen still,
Wenn dein starker Arm es will."
Und erkenne deine Macht!
Alle Räder stehen still,
Wenn dein starker Arm es will."
Diese Zeilen über den starken Arm des Arbeiters, der alle Räder stillstehen lassen kann, schrieb Georg Herwegh 1863 noch in seinen späten Lebensjahren. Das Gedicht avancierte zum "Bundeslied für den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein" und legte zugleich Zeugnis ab, dass Herwegh, am 31. Mai 1817 als Sohn eines Gastwirts in Stuttgart geboren, auch im Alter der revolutionären Gesinnung seiner Jugend treu geblieben war. Ein aufbrausender Kopf, von früh an, mit rabiaten Forderungen:
"Reißt die Kreuze aus der Erden!
Alle sollen Schwerter werden"
Alle sollen Schwerter werden"
"Ein echter Robespierre"
Da solche Ansichten schwer mit dem Amt eines Landpfarrers zu vereinbaren waren, brach Herwegh das auf Wunsch des Vaters am Tübinger Stift begonnene Theologie-Studium bald ab. Auch ein anschließendes Jura-Studium wurde schnell aufgegeben. Schreiben wollte Herwegh, zog zurück nach Stuttgart und versuchte als freier Schriftsteller zu leben. Ein Freund, 1842 um eine Charakterisierung Herweghs gebeten, gab die Auskunft:
"25 Jahre alt, ein echter Fanatiker, ein Robespierre ... Herwegh hat eine Zukunft, wenn Deutschland eine Revolution erlebt, sonst nicht."
Diese Revolution wollte Herwegh herbeischreiben, in einer "Poesie der Tat":
"Die Liebe kann uns helfen nicht,
Die Liebe nicht erretten,
Halt du, o Hass, dein Jüngst Gericht,
Brich du, o Hass, die Ketten!
Und wo es noch Tyrannen gibt,
Die lass uns keck erfassen;
Wir haben lang genug geliebt
Und wollen endlich hassen."
Die Liebe nicht erretten,
Halt du, o Hass, dein Jüngst Gericht,
Brich du, o Hass, die Ketten!
Und wo es noch Tyrannen gibt,
Die lass uns keck erfassen;
Wir haben lang genug geliebt
Und wollen endlich hassen."
Vom Außenseiter zum umjubelten Schriftsteller
Aufgrund solcher Ansichten erfuhr Herwegh früh die Notwendigkeit, seinen Beobachtungsposten vorsichtshalber ins Ausland zu verlegen. Die großenteils in der Schweiz geschriebenen Texte seiner 1841 erschienenen "Gedichte eines Lebendigen" erregten beim deutschen Publikum eine derartige Begeisterung, dass Herwegh seine Person vor dem Zugriff der Mächtigen sicher fühlte und sich zu einer Lesereise entschloss mit umjubelten Auftritten unter anderem in Köln, Dresden und Königsberg. Daraufhin bat der preußische König Herwegh zu einem Gespräch und eröffnete die Audienz mit der Feststellung:
"Ich weiß, wir sind Feinde, aber wir wollen ehrliche Feinde sein."
Als Friedrich Wilhelm IV. hinzufügte, er "liebe gesinnungsvolle Opposition", kam von Herwegh die Antwort:
"Sire, ich kann nicht Fürstendiener sein."
Freundschaft mit Marx, Engels, Bakunin
Nach dieser Konfrontations-Begegnung in Deutschland wieder eine unerwünschte Person geworden, ging Herwegh erneut in die Schweiz, später nach Frankreich und verschärfte sein Engagement – bestätigt nicht zuletzt durch die Freundschaften mit Michail Bakunin, Karl Marx und Friedrich Engels.
Marx war allerdings entsetzt – die Zeit für eine Revolution hielt er für noch nicht gekommen –, als Herwegh 1848 mit 700 Bewaffneten den Rhein überschritt. Die Aufständischen wollten den Truppen des badischen Revolutionärs Friedrich Hecker, der in Konstanz – gegen die Beschlüsse des Frankfurter Paulskirchen-Parlaments – eine Republik ausgerufen hatte, zu Hilfe eilen. Herweghs Begründung:
"Ich kann den Parlamentstrab nicht einhalten und gehe meinen Sturmschritt weiter … Ich will (die Republik) zu machen suchen, sei's auch im entferntesten Winkel Deutschlands."
Bittere Ernüchterung eines Vordenkers
Am 27. April, durch eine einzige Schlacht, war der Aufstand niedergeschlagen und die Republik-Ausrufung gescheitert. Herwegh kam zwar mit dem Leben davon, war aber innerlich so verwundet, dass er sich von dieser Niederlage nie wieder erholt hat. Vier Jahre vor seinem Tod am 7. April 1875, im Angesicht der Erfolge des Reichskanzlers Otto von Bismarck und des 1870/71 geführten und gewonnenen Kriegs Deutschlands gegen Frankreich, konstatierte er:
"Germania, mir graut vor dir! … Dies 'neue Deutschland' bleib mir fern / Und zähle mich zu seinen Toten."
Das war noch einmal der Gesang der "eisernen Lerche", wie Heinrich Heine Georg Herwegh genannt hat. Doch neben den Kampftexten hat Herwegh auch einige leise-zärtlich-melancholische Verse hinterlassen, die dank der Vertonungen durch Franz Liszt auch nicht vergessen worden sind.