Streitbarer Künstler mit spitzer Feder
In der NS-Zeit überlebte er das Konzentrationslager Buchenwald, später zählte Herbert Sandberg zu den renommiertesten Karikaturisten der DDR. Er war Mitbegründer der satirischen Zeitschrift "Ulenspiegel" und wollte mithilfe der Kunst das Bewusstsein der Menschen verändern.
"Die Hauptsache ist, das Leben umzugestalten, alles andere ist unnütz!"
Seiner Maxime folgte Herbert Sandberg ein Leben lang. Für ein gerechtes und menschliches Dasein stritt er politisch - und mit einer sich einmischenden, aufklärerischen Kunst. 1988 erklärte er in einem Interview:
"Ich glaube, dass die Kunst viel mehr leisten kann, viel mehr wirken kann, als man ihr im Allgemeinen zutraut. Und deswegen ist nach wie vor die Aufgabe der politischen Grafik auch in dieser Hinsicht, politisch das Denken anzuregen. Ob das bei uns ist oder ob das in westlichen Ländern ist."
Herbert Sandberg wurde 1908 als Sohn strenggläubiger Juden in Posen geboren. Er wuchs in Breslau auf, besuchte das Gymnasium und eine Handelsschule, dann die ersehnte Kunstgewerbeschule. Mit 20 Jahren ging er nach Berlin. Als Pressezeichner für die "Arbeiter Illustrierte Zeitung" und andere linke Publikationen nahm er die Übel der Weimarer Republik auf's Korn: Armut, Militarismus, drohender Faschismus.
1930 trat er in die KPD ein.
"Mir schien, dass es fast wichtiger war, da sich der Faschismus schon ankündigte, aktiv unter den Menschen zu arbeiten, als nur in Zeichnungen sich auszudrücken."
Für "Ulenspiegel" schrieben auch Brecht und Döblin
1933 zwang ihn die Machtübertragung in die Illegalität. Ein Jahr später wurde er von der Gestapo verhaftet, zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt und danach ins Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Gemeinsam mit anderen politischen Gefangenen organisierte er das Überleben im Lager, und - im April 1945 - die Selbstbefreiung. In seinem Zyklus "Mein Weg" schildert er diesen Leidensweg mit wenigen weißen Umrisslinien auf schwarzem Papier.
"Ich wäre auch nicht aus dieser schrecklichen Zeit herausgekommen, die ich dargestellt habe, aus diesen zehn Jahren Haft, wenn die Partei nicht quasi mich gehalten und gestützt hätte. ... Wir waren in Buchenwald sehr gut organisiert. Und all das versuchte ich eben, im "Weg" darzustellen."
Bereits Ende 1945 brachte Sandberg zusammen mit dem Schriftsteller Günter Weisenborn die satirische Zeitschrift "Ulenspiegel" heraus, die für einen demokratischen Neubeginn stand. Für das Blatt schrieben unter anderem Bertolt Brecht, Alfred Döblin und Stephan Hermlin. Sandberg, Carl Hofer, Hannah Höch und viele mehr lieferten Illustrationen. Bis die lizenzgebenden US-Amerikaner 1948 eine Kalte-Kriegs-Berichterstattung erwarteten, wie sich Günter Weisenborn später erinnerte:
"Sandberg und ich ... fuhren mit der amerikanischen Lizenz zu der US-Militärbehörde und reichten unser Dokument zurück."
Sandberg zog in den Ostteil Berlins - und blieb unbequem! Er zeichnete für das "Neue Deutschland" und "Das Magazin", in dem er auch internationale Karikaturisten vorstellte. Er organisierte Ausstellungen junger Künstler. Als Herausgeber der Zeitschrift "Bildende Kunst" machte er die DDR-Bürger bereits Mitte der 50er-Jahre bekannt mit dem Werk Picassos und den mexikanischen Realisten. Und 1972 legte er einen noch heute aktuellen Zyklus zum Kommunistischen Manifest vor:
"Ich hab den Mehrwert versucht darzustellen. Ich habe reingenommen die Barbarei von Vietnam. Ich habe die Arbeitslosigkeit, ... die heute wieder im Westen so wichtig und aktuell ist, mit hineingenommen, weil es mir so wichtig war, damit zu antworten, auf die Vorwürfe ... der Kritiker des Marxismus, die eben sagen: 'Diese Dinge sind eigentlich längst überholt!'"
Im Laufe der Jahre schuf Sandberg Hunderte von Künstlerporträts. Zu seinen berühmtesten Arbeiten zählen einige Zeichnungen von Brecht: Auf wenige charakteristische Umrisslinien reduziert, zeigt er ihn zum Beispiel, wie er von einer großen Zigarre seine Feinde wegschnippt wie Asche. Und immer wieder kritisierte Herbert Sandberg engstirnige Vorgaben der DDR-Kulturpolitik, die lange Zeit neue künstlerische Formen pauschal als "bürgerlich" und "modern" abtat. Denn dem streitbaren Künstler galt bis zu seinem Tod am 18. März 1991, was er bereits 1963 auf einer SED-Kulturkonferenz so formulierte:
"Modern ist, was auf der Höhe der Zeit ist. Ich bin bereit, einen 'Antimodernisteneid' zu leisten, aber einen Eid gegen das Moderne werde ich als Kommunist nicht leisten, denn das Modernste ist der Sozialismus."