Als Michael Stich gegen Boris Becker gewann
Die Erfolge von Boris Becker und Steffi Graf verschafften dem Tennis zum Höhenflug. Im Wimbledon-Finale 1991 trafen sogar zum ersten Mal zwei deutsche Tennis-Cracks aufeinander - mit einem schmerzlichen Ende für Boris Becker. 25 Jahre ist das her.
"Aufschlag Boris Becker bei 30:40, ein hervorragender Return des 22-Jährigen, und der Spieler, der als Außenseiter in dieses Turnier gegangen ist, der 22-jährige Michael Stich, ist Wimbledonsieger 1991. 6:4, 7:6 und 6:4 für Michael Stich gegen Boris Becker."
Michael Stich reißt die Arme hoch, stößt einen kurzen Jubelschrei aus und sinkt auf die Knie. Wenig später schon scheint der Gefühlsausbruch vergessen. In seiner gewohnt nüchternen Art erklärt der kühle Norddeutsche, er habe keine Angst davor, dass ihm der Wimbledonsieg zu Kopf steigen werde.
"Sicherlich wird meine Familie noch wichtiger werden, als es bis jetzt war und die guten Freunde, die ich habe, sicherlich auch. Aber ich hab eigentlich solche guten Freunde, die mir auch wirklich sagen, wenn ich, ich sag mal auf gut Deutsch, ein Arschloch geworden bin, dass die es mir auf den Kopf sagen, und das wäre mir der ganze Rummel nicht wert, dass ich wirklich Menschen, die mir sehr viel bedeuten, dadurch verlieren würde."
Niederlage für einen Siegertypen
Boris Becker hingegen, der unbändige Siegertyp, der den Centre-Court im All England Tennis Club als sein Wohnzimmer betrachtete, ist aufgewühlt, hadert mit sich und kann die Niederlage kaum verwinden.
"Ich hab zum ersten Mal nach einem Match so richtig geweint, als ich nach Haus gefahren bin, und das ist mir noch nicht passiert. Also es war eine Art Schock, und das kann man darauf zurückführen, dass es die schlimmste Niederlage war in meinem Leben."
Als dreifacher Wimbledonsieger und Nummer Eins der Weltrangliste war Becker auf dem traditionsreichen Rasenplatz als klarer Favorit ins Herrenfinale gegangen, das erste und bis heute einzige Endspiel, in dem zwei Deutsche gegeneinander antraten. Aber an diesem heißen Juli-Nachmittag hatte der einsatzfreudige und bedingungslose Kämpfer mit dem rotblonden Haarschopf keine Chance. Michael Stich, der sein bestes Jahr spielte, präsentierte sich in Höchstform. Trotz des großartigen Sieges jedoch blieb der Elmshorner weiter im Schatten von Boris Becker. Selbst in der Niederlage gehörte dem charismatischen Leimener die Publikumsgunst. "Natürlich", sagt Sporthistoriker Ansgar Molzberger von der Deutschen Sporthochschule in Köln, denn:
"Becker hat gelitten beim Spiel, der hat geflucht, der hat geweint, der hat gelacht, gejubelt, das war sehr emotional, da mitzugehen. Becker war jemand, der sich gewälzt hat auf dem Tennisplatz und die Leute mitgerissen hat."
Leidenschaftliches Kämpferherz
Seit Boris Becker 1985 als 17-Jähriger in Wimbledon sensationell zum ersten Mal gewonnen hatte – so jung schaffte das bislang niemand mehr – schlossen ihn die Zuschauer in ihr Herz. Michael Stich dagegen, der auf und neben dem Platz kaum Emotionen zeigte, wirkte im bunten Tenniszirkus eher langweilig. Ihm wurde zwar ein technisch hervorragendes Spiel bescheinigt, viele vermissten dabei jedoch die kreativen Überraschungsmomente und ein leidenschaftliches Kämpferherz.
Das Wimbledon-Finale der beiden Rivalen markierte jedenfalls einen Höhepunkt in der sogenannten "goldenen deutschen Tennisära".
"Also diese Zeit von Mitte der 80er-Jahre bis Mitte 90er ist schon als absolut außergewöhnlich anzusehen, weil, wo hat man das schon mal, dass in einer Individualsportart mehrere Athletinnen und Athleten aus einem Land so die Weltspitze dominieren."
Diese Tennis-Euphorie in der Bundesrepublik wurde hauptsächlich ausgelöst und getragen von den vielen herausragenden internationalen Erfolgen der Ausnahmeathleten Steffi Graf und Boris Becker. Das ganze Land fieberte mit, vor allem wenn sie in Wimbledon gewannen, dem ältesten und bedeutendsten Tennisturnier. Becker insgesamt dreimal, Graf sogar siebenmal.
"Man hat das als Teenager auf dem Schulhof diskutiert, ich selbst und alle meine Freunde, wir sind nachts aufgestanden, um Becker zu sehen, oder auch wenn Steffi Graf gespielt hat, also man saß stundenlang vorm Fernseher und hat sich das Tennisspiel angeschaut."
So auch beim einmaligen deutsch-deutschen Herren-Einzel zwischen Boris Becker und Michael Stich am 7. Juli 1991. Zusammen mit Steffi Grafs Sieg einen Tag zuvor zeigte es eine deutsche Tennis-Dominanz, die es in den folgenden Jahren so nicht mehr gegeben hat. Der deutsche Tennis-Boom neigte sich langsam dem Ende zu. Eine Entwicklung, die sich auch in den Mitgliedszahlen des Deutschen Tennisbundes ausdrückt. "Wir haben einen Anstieg von Mitte der 80er über die 90er Jahre bis auf 2,7 Millionen, und heute sind wir wieder bei 1,4 Millionen."