Die erste Frauenzeitschrift der Welt
Liebe, Mode, Psychologie: Diese Themen bestimmten bereits die "Ladies' Mercury", die erste Frauenzeitschrift der Welt. Damals gehörte zur Stammkundschaft nur eine kleine gebildete Schicht von Frauen - und die ratgebenden Verfasser waren: Männer.
Good Housekeeping. Cosmopolitan. Woman and Home. Hello. Slimming World, Vogue: Die britischen Zeitungsregale sind mit Dutzenden von Frauenmagazinen bestückt. Aber ihre goldenen Zeiten sind vorbei.
Frauenzeitschriften lese sie schon lange nicht mehr, sagt Tanya Kirk. Die geschönten Models, die retuschierten Frauenbilder in der Werbung - das alles ziele nur darauf ab, das weibliche Selbstwertgefühl zu unterminieren.
Frauenzeitschriften lese sie schon lange nicht mehr, sagt Tanya Kirk. Die geschönten Models, die retuschierten Frauenbilder in der Werbung - das alles ziele nur darauf ab, das weibliche Selbstwertgefühl zu unterminieren.
Keine Bilder, keine Überschriften
Tanya Kirk ist um die dreißig. Sie ist Kuratorin für die Printkollektion der British Library in London und findet Frauenzeitschriften, die vor zwei-, dreihundert Jahren in Großbritannien erschienen, viel interessanter. Mit zarten Fingern greift sie zu einem schmuddeligen Blatt Papier im A4-Format: "The Ladies Mercury". Die Erstausgabe der ersten Frauenzeitschrift der Welt. Erschienen am 27. Februar 1693 in London.
"Keine Bilder, keine Überschriften. Ein einziges Blatt Papier, auf beiden Seiten zweispaltig bedruckt. Die einfache Aufmachung hat zwei Gründe: Erstens war der Druckprozess damals noch sehr teuer. Und zweitens wurden die Zeitschriften direkt von der Druckerei aus verkauft oder versandt. Es gab keine Zwischenhändler. Keine Zeitschriftenstände. Im Gegensatz zu heute brauchten die Blätter also keine auffälligen Titelseiten, um Kunden anzulocken. Auch das Format ist einfach. Es geht ausschließlich um Fragen von Leserinnen, die von der Athenian Society beantwortet werden - einem kleinen Kreis gebildeter Männer, die sich regelmäßig in einem Kaffeehaus in der Nähe der St Paul‘s Cathedral trafen."
"Keine Bilder, keine Überschriften. Ein einziges Blatt Papier, auf beiden Seiten zweispaltig bedruckt. Die einfache Aufmachung hat zwei Gründe: Erstens war der Druckprozess damals noch sehr teuer. Und zweitens wurden die Zeitschriften direkt von der Druckerei aus verkauft oder versandt. Es gab keine Zwischenhändler. Keine Zeitschriftenstände. Im Gegensatz zu heute brauchten die Blätter also keine auffälligen Titelseiten, um Kunden anzulocken. Auch das Format ist einfach. Es geht ausschließlich um Fragen von Leserinnen, die von der Athenian Society beantwortet werden - einem kleinen Kreis gebildeter Männer, die sich regelmäßig in einem Kaffeehaus in der Nähe der St Paul‘s Cathedral trafen."
Männer beantworten Frauenfragen
Die Athenian Society hatte wenige Jahre zuvor den Athenian Mercury gegründet, ein erfolgreiches Magazin, das sich an eine breitere, männliche Leserschaft richtete. Angeblich hatte der Athenian Mercury aber so viele Zuschriften von Damen erhalten, dass der Verleger John Dunton beschloss, ihnen eine eigene Zeitschrift zu widmen, die einmal in der Woche erscheinen sollte, den Ladies' Mercury, mit dem Versprechen:
"Die hübschesten und kuriosesten Fragen über Liebe, Ehe, Gebaren, Gewandung und Gemütszustand des weiblichen Geschlechtes zu beantworten, ob es sich nun um Jungfrauen, Ehefrauen oder Witwen handelt."
Überraschend moderne Ratschläge
Bei der Leserschaft handelte es sich um eine kleine gebildete Schicht von Frauen, die sich allerdings auch brennend für das Schicksal der weniger Privilegierten interessierten. Tanya Kirk übersetzt den ersten Brief aus dem Ladies' Mercury ins moderne Englisch.
"Es geht um eine sehr junge Frau, die aus keinem besonders guten Haus kommt. Sie hat ihre Unschuld an einen Wüstling verloren, daraufhin einen anderen Mann geheiratet und leidet nun unter ihrem schlechten Gewissen, weil sie keine Jungfrau mehr ist. Die Antwort ist überraschend modern. 'Richte deinen Blick lieber nach vorne auf den hellen Horizont, als zurück auf den dunklen Schatten hinter dir'. Mit anderen Worten: Denk nicht mehr daran. Lass die Sache gut sein."
"Es geht um eine sehr junge Frau, die aus keinem besonders guten Haus kommt. Sie hat ihre Unschuld an einen Wüstling verloren, daraufhin einen anderen Mann geheiratet und leidet nun unter ihrem schlechten Gewissen, weil sie keine Jungfrau mehr ist. Die Antwort ist überraschend modern. 'Richte deinen Blick lieber nach vorne auf den hellen Horizont, als zurück auf den dunklen Schatten hinter dir'. Mit anderen Worten: Denk nicht mehr daran. Lass die Sache gut sein."
Experimentierfreudiger und fortschrittlicher Verleger
Der erstaunlich liberale Ratschlag wurde wahrscheinlich vom Verleger selbst verfasst. John Dunton war ein leidenschaftlicher Anhänger der Whigs, der ersten liberalen Partei auf der Insel. Ein Unternehmer, Abenteurer und Frauenliebhaber.
Warum er schon nach vier Ausgaben beschloss, den Ladies' Mercury einzustellen, ist bis heute ein Rätsel. Vielleicht lag es daran, dass der experimentierfreudige Verleger schon wieder ein neues Projekt im Auge hatte, ein Lexikon für Ladies, ebenfalls in Dialogform, in dem alles stehen sollte, was das weibliche Geschlecht wissen müsse. Der Athenean Mercury hingegen erschien sieben Jahre lang und beantwortete regelmäßig auch die Fragen von Leserinnen.
"Wahrscheinlich hat Dunton so manche Fragen frei erfunden und andere wiederum aufs Fantasievollste ausgeschmückt. Ihm lag in erster Linie daran, seiner Leserschaft eine möglichst spannende, lebensechte Story zu präsentieren. Das Frage-Antwort-Format hatte den zusätzlichen Vorteil, dass Dunton auch äußerst gewagte Fragen drucken konnte, solange er sie mithilfe einer strengen Antwort wieder ins moralische Lot brachte. Ich habe das Gefühl, Charles Dunton hätte auch gut ins 21. Jahrhundert gepasst."
"Wahrscheinlich hat Dunton so manche Fragen frei erfunden und andere wiederum aufs Fantasievollste ausgeschmückt. Ihm lag in erster Linie daran, seiner Leserschaft eine möglichst spannende, lebensechte Story zu präsentieren. Das Frage-Antwort-Format hatte den zusätzlichen Vorteil, dass Dunton auch äußerst gewagte Fragen drucken konnte, solange er sie mithilfe einer strengen Antwort wieder ins moralische Lot brachte. Ich habe das Gefühl, Charles Dunton hätte auch gut ins 21. Jahrhundert gepasst."
Charles Dunton verstand es bereits im 17. Jahrhundert, seine Leserschaft dazu zu bringen, sich mit "ihrem" Blatt zu identifizieren. Seine publizistischen Tricks werden bis heute nachgeahmt.