Udo Lindenbergs tumultartiges Konzert in der DDR
Eine Sensation: 1983 erhielt Udo Lindenberg die Erlaubnis, in der DDR aufzutreten. Die DDR-Führung glaubte, den Auftritt des Musikers und bekannten Friedensaktivisten politisch nutzen zu können. Doch vieles lief anders als erwartet.
"Wir spielen heute Abend für den Frieden und für alle Menschen in der DDR. Zum ersten Mal für Euch hier in der Halle und für Euch zu Hause an der Glotze. Wir finden das total Spitzen-Spitze, dass wir hier sind und dass wir, wie sonst in der Bundesrepublik, jetzt auch hier in der DDR, uns an einer Friedensveranstaltung beteiligen können."
Honecker war nicht amüsiert
Auf die Genehmigung, endlich einmal im Osten auftreten zu dürfen, hatte Udo Lindenberg lange warten müssen. Die DDR-Führung hatte große Bedenken gehabt, der politisch engagierte Musiker könnte sich bei seinen Auftritten regimekritisch äußern. Und Lindenbergs provokantes Lied "Sonderzug nach Pankow", Anfang 1983 veröffentlicht, hatte auch nicht gerade dazu beigetragen, diese Meinung über ihn zu ändern.
Der Staatsratsvorsitzende der DDR Erich Honecker war nicht sonderlich amüsiert über den respektlosen Text und blieb bei seiner starren Haltung, Udo Lindenbergs Auftrittswunsch im Osten weiter zu ignorieren.
DDR wollte den Besuch politisch nutzen
Der Musiker kommentierte das damals im ARD-Polit-Magazin "Kontraste" in seiner gewohnt schnoddrigen Art.
"Bisher wartet die Nachtigall vergeblich auf die Erektion … äh … Reaktion von Erich Honecker. Bisher is nix gelaufen. Aber wenn ich sein Promotion-Berater wäre, dann würde ich ihm dringend empfehlen, sofort zu antworten, denn ich glaube, dass sein Fanclub dadurch nur größer werden könnte. Warum immer so verkniffen? Ich bin nicht der Jubelsänger des Goldenen Westens und nicht der Niedermacher der DDR."
Doch nachdem sich Lindenberg im August 1983 öffentlich bei Honecker entschuldigt hatte und man zudem glaubte, einen Besuch des populären Friedensaktivisten aus dem Westen politisch nutzen zu können, wurde dem Sänger eine DDR-Tournee in Aussicht gestellt. Darüber hinaus lud man ihn auch ein, am 25. Oktober 1983 beim Festival "Für den Frieden der Welt" in Ost-Berlin aufzutreten.
Wie vorauszusehen war, nutzte Egon Krenz, damals Erster Sekretär des Zentralrates der Jugendorganisation FDJ, die Friedensveranstaltung, um gegen die Aufrüstungspläne der NATO zu wettern.
"Noch ist es nicht zu spät. Die neuen amerikanischen Raketen dürfen nicht aufgestellt werden, denn es sind Erstschlagwaffen. Und sie bergen die Gefahr in sich, dass vom Boden der BRD ein neuer Krieg gegen die Sowjetunion, gegen uns alle ausgehen kann."
Enttäuschte Fans und Tumulte
Diesen doch sehr einseitigen Friedensappell konterte Udo Lindenberg mit einem Aufruf, der sich an beide politische Blöcke richtete, was wohl nicht ganz im Sinne der Veranstalter war.
"Von deutschem Boden darf nie wieder ein Krieg ausgehen. Weg mit allem Raketenschrott in der Bundesrepublik und in der DDR. Nirgendwo wollen wir auch nur eine einzige Rakete sehen. Keine "Pershings" und keine "SS-20."
Vor und während Lindenbergs nur knapp zwanzigminütigem Auftritt war es auf der Straße zu Tumulten gekommen. Aufgebrachte Fans protestierten, weil nur ausgesuchte Gäste Zutritt erhalten hatten. Volkspolizei und Stasi gingen mit Schlagstöcken gegen die Jugendlichen vor und nahmen einige von ihnen in Gewahrsam.
Peter Merseburger berichtete damals für die ARD.
"Volkspolizei und FDJ-Ordner hatten Mühe, Hunderte von Udo Lindenberg-Fans vom Sturm auf den Palast der Republik abzuhalten. Sie zählten nicht zu jenen viertausend Erwählten, meist linientreuen FDJ-Mitgliedern, die von der FDJ-Zentrale mit einer Eintrittskarte bedacht worden waren."
Lindenbergs Auftritt im Palast der Republik sollte der erste und einzige in der DDR bleiben. Die SED-Führung war verstimmt über den "vorlauten" Sänger aus dem Westen und zog die Zusage für eine DDR-Tournee zurück. Wohl auch, weil man erneute Jugendtumulte befürchtete.
Erst 1990, nach der Öffnung der Mauer, konnte Lindenberg mit seinem "Panikorchester" auch im Osten Deutschlands Konzerte geben.