Der Pirat der Königin
Er wollte die Besiedelung Nordamerikas durch britische Siedler vorantreiben, kämpfte gegen die Spanier und suchte das sagenumwobene El Dorado: Sir Walter Raleigh. Königin Elisabeths I. war ihm wohlgesonnen, aber ihr Nachfolger Jakob I. ließ ihn hinrichten.
Die Atlantikquerung geriet zum Horrortrip. Stürme peitschten die See. Eines der zwölf Schiffe sank. Auf den übrigen starben die Männer zu Dutzenden. Auch der Expeditionsleiter, Sir Walter Raleigh, war nicht mehr recht bei Kräften. Der bereits 63-Jährige war schwer krank, als die Flottille nach sechswöchiger Überfahrt im November 1617 vor der Orinoco-Mündung ankerte.
"Er hoffte eben dort auf Ähnliches zu stoßen wie Pizarro in Peru, also ungeheure Goldberge. Es gab Nachrichten darüber, auch die Spanier hatten da schon versucht, das zu finden. Die Bedingungen, auf die er stieß, allein schon durch die Strömung auf den riesigen Flüssen, waren aber sehr ungünstig."
So schildert der in Freiburg lehrende England-Experte Ronald Asch das letzte große Abenteuer des legendären Seehelden. Von einer früheren Expedition ins Orinoco-Becken hatte Raleigh 1595 Gesteinsproben mitgebracht, die nach seinem Eindruck Goldspuren enthielten. Seither ließ ihn der Gedanke an "Guiana", wie er den dschungelüberwucherten Nordosten Südamerikas nannte, nicht mehr los. Sein Flaggschiff hatte er "Destiny" genannt, "Schicksal".
Der Mann war ein Multitalent
Seefahrer, Entdecker, Pirat, aber auch Dichter, Naturwissenschaftler, Historiker, Politiker – der Mann war ein Multitalent.
"Er war Soldat, er war Höfling. Er hat Kolonisationsprojekte in Irland versucht, dort auch in großem Umfang Land erworben. Er war auch jemand, der in seinem Heimat-County Devon so was wie Vertreter der Krone war. Es waren sehr viele Rollen, die er spielte."
Unter Königin Elisabeth I. hatte Raleigh Karriere gemacht. Er zählte zum illustren Kreis englischer Abenteurer und Freibeuter, die im Kampf gegen die spanische Weltmacht die Fundamente des britischen Empire schufen. Raleigh wollte das spanische Reich, wie er sich ausdrückte, in Stücke hauen und den König in Madrid auf das Format eines Herrschers über "Feigen und Orangen" stutzen. Dabei entging ihm wohl, dass sich bereits in den letzten Regierungsjahren Elisabeths der Wind zu drehen begann.
"Der entscheidende Politiker der Jahre 1595 bis 1610, das war Robert Cecil, und der hatte eigentlich schon ab 1598/99 mit der Billigung der Königin einen Frieden mit Spanien angestrebt. Elisabeth war nicht die fanatische Spanienfeindin, die man aus ihr gemacht hat. Sie hat sich auf diesen Krieg mit Spanien sehr zögernd eingelassen und wäre sicherlich in den 1590er-Jahren auch ganz gern da wieder rausgekommen."
"Er sollte kein politischer Faktor mehr sein"
Elisabeth starb im März 1603. Ihrem Nachfolger Jakob I. war die Versöhnung mit Spanien ein politisches Kernanliegen. Raleigh sahen Jakob und sein Minister Cecil dabei als Störenfried. In einem Prozess, der schon Zeitgenossen als Justizposse erschien, wurde der Spanienhasser ausgerechnet wegen angeblicher Beteiligung an einer pro-spanischen Verschwörung im November 1603 zum Tode verurteilt. Die Vollstreckung wurde jedoch ausgesetzt, der Verurteilte in den Tower eingewiesen.
"Im Tower inhaftiert zu werden, war eigentlich so eine Art besserer Hausarrest. Aber er sollte eben kein politischer Faktor mehr sein."
Länger als zwölf Jahre saß Raleigh fest. Hin und wieder wies er darauf hin, dass er als Entdecker südamerikanischer Goldvorkommen nützlicher sein könnte, und fand zu guter Letzt Gehör. Im März 1616 ordnete der König Raleighs Freilassung an und autorisierte die Guyana-Expedition, allerdings unter Auflagen: Bei dem Vorstoß in spanisches Hoheitsgebiet war Gewaltanwendung streng verboten.
Das Unternehmen wurde ein Fiasko. Gold fand sich nicht. Dafür stürmten Raleighs Männer eine Ortschaft am Ufer des Orinoco, brannten sie nieder und erschlugen den spanischen Gouverneur. Im Gefecht kam Raleighs ältester Sohn ums Leben. Der verzweifelte Vater schrieb nach Hause:
"Was aus mir werden soll, weiß ich nicht. Ich bin in England nicht begnadigt, mein bescheidenes Vermögen ist verbraucht, und ob irgendein anderer Staat mir den Lebensunterhalt gewährt, weiß ich auch nicht."
Diesmal gab es keine glückliche Wendung. Die Spanier machten Druck, und der König fand es an der Zeit, das fünfzehn Jahre alte Todesurteil zu vollstrecken. Am 29. Oktober 1618 bestieg Raleigh in London das Schafott. Seine letzten Worte waren eine Ermutigung des Henkers:
"Schlag zu, Mann! Schlag zu!"