Das erste Containerschiff im Bremer Überseehafen
Als die "Fairland" in Bremen festmachte, gab es im gesamten Hafen keinen passenden Kran für die neumodischen Blechboxen. Jeder der 100 Container musste mit dem bordeigenen Ladegeschirr an Land gehievt werden - ein mehrtägiges Unterfangen. Heute ist der Container aus dem globalisierten Handel nicht mehr wegzudenken.
In der Nacht vom 5. auf den 6. Mai 1966 macht der amerikanische Stückgutfrachter "Fairland" der Sealand-Reederei an der Pier des Bremer Übersee-Hafens fest. Das Schiff ist im vorderen Bereich umgebaut worden und hat an Deck 100 seltsam anmutende Boxen – rechteckig, zwölf Meter lang, aus Stahlblech. Skeptisch schauen die Hafenarbeiter zu, wie der Bordkran den ersten Container auf eine deutsche Kaje setzt. Mit ihren Sackkarren können Lademeister Bodo Meier und seine Truppe da wenig ausrichten.
"Das war natürlich auch was Neues für uns, so'n Schiff zum ersten Mal gesehen. Ja."
"Wenn ich die Ankunft des ersten Containerschiffes heute Morgen als einen historischen Moment bezeichne für die Bremer Häfen, ich glaube, Herr Direktor Beier, dann ist das nicht übertrieben ... "
An der Pier dabei ist auch Radio Bremen und Gerhard Beier, Chef der Bremer Lagerhausgesellschaft.
"Nun, ich würde etwas niedriger stapeln. ... Wir haben uns hier Mühe gegeben, eine neuartige Form des Stückgutverkehrs ordnungsgemäß abzuwickeln, wie wir das für alle anderen Verkehre auch versuchen stets zu tun."
In der Vor-Container-Zeit dauerte das Entladen manchmal Wochen
In Kolonnenstärke rückten die Hafenarbeiter bislang an, schulterten Säcke und Bananenstauden, packten Kisten und Paletten auf ihre Karren und pendelten zwischen Lagerhallen und Kaimauer. Tage vergingen, manchmal sogar Wochen, bis ein Schiff be- oder entladen war. Der amerikanische Spediteur Malcolm McLean hatte sich schon lange über den Zeitverlust in den Häfen geärgert. Anfang der 50er-Jahre ließ er Lkw-Anhänger und Sattel-Auflieger erstmals per Kran auf seine Schiffe hieven. Dann entwickelte er einen Transportbehälter, so groß wie die Lkw-Pritschen in den USA, aber ohne Fahrgestell, und schickte die ersten Container von New York nach Houston. 1956 war das. Die Idee war einfach und genial, stieß allerdings in der Alten Welt auf Skepsis und Ablehnung, bestätigt Manfred Zachcial, emeritierter Professor an der Universität Bremen.
"Ursprünglich hat man nicht ernsthaft daran geglaubt, dass der Container eine Chance haben würde, man hat damals argumentiert, das ist also zusätzliches Gewicht, was man mitschleppt, also das wird sich nicht durchsetzen."
McLean zeigte sich von solchen Argumenten unbeeindruckt. Noch 1966 etablierte er einen wöchentlichen Liniendienst nach Europa. Ein Jahr später überzeugte er das US-Militär, die Versorgung der Truppen im Vietnam-Krieg auf Container umzustellen. Die Boxen waren robust, sie ließen sich stapeln. Man konnte sie verschließen und versiegeln und auch bei Sturm und Regen draußen stehen lassen. Die Vorteile lagen auf der Hand und stimmten jetzt auch die deutschen Reeder um. Die Hamburger Reederei Hapag und der Norddeutsche Lloyd aus Bremen stellten 1967 die ersten Containerschiffe in Dienst. 700 Container hatten Platz an Bord. In den 90er-Jahren, als die Globalisierung in Schwung kam, waren es bereits 6.000. Bald werden Schiffe unterwegs sein mit 20.000 und mehr Containern. Gleichzeitig aber gerät der Welthandel ins Stocken, gibt Burkhard Lemper zu bedenken. Er ist Direktor am Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik und Hochschulprofessor.
"Es gibt nach wie vor deutliche Überkapazitäten auf vielen Strecken, insbesondere die vielen großen Schiffe, die in Fahrt gekommen sind in den letzten Jahren, haben dafür gesorgt, dass wir gerade auf den Langstrecken deutliche Überkapazitäten haben, und dort fallen auch nach wie vor die Frachtraten."
Die Konjunktur in der Weltwirtschaft wird an vergangene Wachstumsraten kaum anknüpfen können. Und der Anteil des Welthandels, der in Containern abgewickelt wird, lässt sich kaum mehr erhöhen.
"Der Großteil der Waren, die sinnvollerweise im Container befördert werden können, ist heute schon im Container. Es sind einige wenige Fahrtgebiete vielleicht, wo man sagen könnte, dort gibt es noch konventionellen Stückgutverkehr, aber in vielen Fahrtgebieten haben wir heute schon einen Containerisierungsgrad, der kaum noch zu steigern ist."
Im Bremer Überseehafen machen schon lange keine Containerschiffe mehr fest. Die bis zu 400 Meter langen und 60 Meter breiten Ozeanriesen laufen Bremerhaven, Hamburg oder Wilhelmshaven an. Im Minutentakt hieven die modernen Containerbrücken die Kisten an Land. Für Bodo Meier und seine Kollegen bedeutete das neue Logistiksystem jedoch das Aus: 90 Prozent der Transportarbeiter verloren durch die Erfindung des Containers ihre Arbeit im Hafen.