Der erste Frauenkongress in der DDR
In der ehemaligen DDR sollten Frauen getreu der marxistisch-leninistischen Lehre aus der "familiären Versklavung" befreit und gleichberechtigt in den Produktionsprozess eingegliedert werden. Gelöst wurde die "Frauenfrage" damit aber nicht. Das zeigte auch der 1. Frauenkongress der DDR im Juni 1964.
„Liebe Frauen und Mädchen, hochverehrte Gäste! Der Frauenkongress der Deutschen Demokratischen Republik ist eröffnet."
Wilhelmine Schirmer-Pröscher, stellvertretende Vorsitzende des Demokratischen Frauenbundes Deutschland, DFD, in der Ostberliner Dynamo-Sporthalle am 25. Juni 1964.
„Unter der Losung 'Unsere Republik braucht alle Frauen – alle Frauen brauchen unsere Republik' haben Millionen Bürgerinnen unseres Staates diesen, ihren Kongress, den Kongress der Frauen und Mädchen unserer Arbeiter- und Bauernmacht vorbereitet."
Zum ersten Frauenkongress waren rund 1200 Frauen aus der DDR, aber auch aus den sozialistischen Bruderstaaten und der Bundesrepublik im Ostberliner Bezirk Weißensee zusammengekommen. Im Mittelpunkt der dreitägigen Veranstaltung sollte die "Rolle der Frauen beim umfassenden Aufbau des Sozialismus" stehen. Der Demokratische Frauenbund Deutschlands, die einzige Frauenorganisation der DDR, hatte den Kongress vorbereitet. Veranstaltet wurde er aber auf Beschluss der SED. Die Soziologin Ursula Schröter:
"Der DFD war eben eine Organisation, der nicht nur Arbeiterfrauen und Bäuerinnen erfasste, sondern auch solche sogenannten bürgerlichen Frauen, die von vornherein dann suspekt waren. Die Frauen sollten über den Rahmen des DFD hinaus angesprochen werden."
Theoretisch durfte es die "Frauenfrage" in der DDR nicht geben
Mehr als 13.000 Anträge gingen beim Vorbereitungskomitee ein: Ob Schwangerschaftsabbrüche, das Rentenalter von Frauen oder Gurkenpreise, Fertignahrung für Babys, Öffnungszeiten der Kindergärten – die Frauen sprachen an, was sie bewegte.
"Das ist ja das eigentliche Problem, dass das Konzept, nach dem die DDR funktionieren sollte, auf Überwindung der Klassenunterschiede orientierte und dass es die Frauenfrage genaugenommen nicht gab, nicht geben konnte, dass Genosse Lenin schon vor Feminismus gewarnt hätte und so weiter. Und diese Widersprüchlichkeit spiegelt sich im Kongress wunderbar wider: Und das ist zum Teil immer wieder kritisiert worden, ja, die Frauen hätten immer noch nur ihr eigenes Leben im Blick und würden sich nicht um die Republik als Ganzes kümmern."
Bereits mit Gründung der DDR 1949 war die Gleichberechtigung von Männern und Frauen verfassungsrechtlich festgeschrieben, waren Gesetze und Bestimmungen aufgehoben worden, die dem Gleichheitsgebot widersprachen. Neue Gesetze regelten zunächst die Gleichstellung der Frau im Erwerbsleben. Frauenerwerbstätigkeit war volkswirtschaftlich unabdingbar, denn die DDR-Wirtschaft litt immer noch unter akutem Fachkräftemangel. Bereits im Dezember 1961 hatte das Politbüro des Zentralkomitees der SED konstatiert, dass zu wenig Frauen naturwissenschaftliche und technische Berufe ergriffen. Der SED-Politiker Friedrich Ebert auf dem 1. Frauenkongress:
"Es müssen von den verantwortlichen staatlichen Organen ernsthaftere Anstrengungen unternommen werden, um eine den wissenschaftlich-technischen und volkswirtschaftlichen Ansprüchen genügende Zahl von Mädchen und Frauen zur Erlernung technischer und landwirtschaftlicher Berufe zu gewinnen."
Frauenqualifizierung großgeschrieben
Die Frauenqualifizierung wurde in den Folgejahren großgeschrieben und der Staat baute die Kinderbetreuung weiter aus, um die Doppelbelastung werktätiger Frauen und Mütter ansatzweise zu lösen. Fünf Jahre später, 1969, fand der zweite und zugleich letzte Frauenkongress statt. Ursula Schröter.
"Da ist dann festgestellt worden, dass die Frauen nicht nur ihre eigenen Themen im Kopf haben, sondern das große Ganze. Es gab ja dann den 8. SED-Parteitag, auf dem Erich Honecker zum ersten Mal das Referat hielt, das zentrale. Und er verkündete, dass die Gleichberechtigung nach dem Gesetz und im Leben verwirklicht ist und die Frauenfrage einfach als erledigt betrachtet wurde."
Tatsächlich blieb die patriarchale Familienstruktur im realsozialistischen Alltag ebenso unangetastet wie die traditionelle Gliederung des Arbeitsmarktes.