Atomwaffenfreie Zone Lateinamerika
Die Kubakrise hatte die Welt 1962 an den Rand eines Atomkriegs gebracht. Als Folge daraus unterschrieben am 14. Februar 1967 Vertreter aus 14 Staaten den Vertrag von Tlatelolco. Dieser erklärte Lateinamerika und die Karibik zur atomwaffenfreien Zone.
Am 22. Oktober 1962 informierte US Präsident John F. Kennedy die Öffentlichkeit über die Kuba-Krise. Amerikanische Aufklärungsflüge hatten herausgefunden, dass die Sowjetunion heimlich Abschussbasen auf Kuba stationiert hatte.
"Diese Stützpunkte können keine andere Aufgabe haben als ein nukleares Angriffspotenzial gegen die westliche Welt zu schaffen. Zu einigen Stützpunkten gehören Mittelstreckenraketen, in der Lage, Atomsprengköpfe 1.000 Seemeilen weit zu tragen. Jede dieser Waffen könnte Washington, den Panamakanal, Cape Canaveral, Mexico-City oder eine andere Stadt im Südosten der USA, in Zentralamerika und der Karibik treffen."
Tagelang standen sich vor der kubanischen Küste sowjetische und amerikanische Kriegsschiffe gegenüber, einige mit Nuklearwaffen an Bord. Erst nach hektischen Geheimverhandlungen ging die Krise glimpflich aus.
Lateinamerika und die Karibik werden zur atomwaffenfreien Zone
Doch hätte eine Seite die Nerven verloren, wären die Folgen für die Länder der Region katastrophal gewesen. Solch eine bedrohliche Situation sollte sich nicht noch einmal wiederholen.
"Wenn ich weiß, dass meine Nachbarn nicht an der Bombe bauen, gibt es auch für mich keinen Grund dazu."
Eine Region, die selbst ohne Waffen ist, stellt für niemanden eine Bedrohung und deshalb auch kein Angriffsziel dar. Auf diese Formel brachte der mexikanische Diplomat Alfonso Garcia Robles seine Idee, Lateinamerika und die Karibik zu einer atomwaffenfreien Zone zu erklären.
"Die Vertragsparteien kommen hiermit überein, Nuklearmaterial- und einrichtungen, die sich unter ihrer Jurisdiktion befinden, ausschließlich zu friedlichen Zwecken zu nutzen und auf ihren Territorien folgendes zu verbieten und zu verhindern: Jede Art der Erprobung, des Gebrauchs, der Herstellung, Erzeugung oder des Erwerbs irgendwelcher Kernwaffen."
Erstmals wurde eine bewohnte Region für atomwaffenfrei erklärt
So steht es in Artikel eins des "Vertrages von Tlatelolco". In Tlatelolco, einem Stadtteil von Mexiko-Stadt, hat das mexikanische Außenministerium seinen Sitz. Hier unterschrieben am 14. Februar 1967 Vertreter aus 14 mittel-und südamerikanischen Staaten den Vertrag, für den Alfonso Garcia Robles zwei Jahre lang unermüdlich Werbung gemacht hatte.
Es war das erste Abkommen, das eine bewohnte Region zur atomwaffenfreien Zone erklärte. Bis dahin genoss nur die Antarktis dieses Privileg. In einem Zusatzabkommen verpflichteten sich alle damaligen Atomwaffenstaaten, das Vertragsgebiet nicht zum Ziel nuklearer Angriffe zu machen.
"Stellen wir uns vor: Südamerika könne in dem Sinne atomwaffenfrei gehalten werden, dass dort keine nuklearen Waffen stationiert sind, und Südamerika wäre dann vielleicht auch nicht mehr das Ziel nuklearer Waffen. Mit anderen Worten: Der Subkontinent könnte ganz von der militärischen Landkarte des nuklearen Krieges verschwinden."
Was für Südamerika möglich war, galt nicht für Mitteleuropa
Nur wenige Tage vor der Vertragsunterzeichnung in Tlatelolco besuchte der amerikanische Außenminister Dean Rusk die Bundesrepublik. Der Vorstoß von Südamerika nährte hier die Hoffnung, auch Mitteleuropa zu einer atomwaffenfreien Zone machen zu können.
Seit den 1950er-Jahren hatte es dazu immer wieder Initiativen gegeben. Doch Dean Rusk ließ keinen Zweifel aufkommen: Was für Südamerika möglich sei, gelte noch lange nicht für Mitteleuropa.
"Mitteleuropa ist und bleibt nun einmal das Ziel nuklearer Waffen, solange die Sowjetunion Mittel- und Langstreckenraketen auf eigenem Gebiet mit Zielrichtung Mitteleuropa installiert hat. Eine atomwaffenfreie Zone ist eben nicht wirklich atomwaffenfrei, solange sie das Ziel hunderter von nuklearer Raketen bleibt."
Der Vertrag von Tlatelolco gab die Initialzündung
Lange gab es südamerikanische Sorgenkinder. Sie hießen: Argentinien und Brasilien. Beide hatten das Abkommen nicht ratifiziert und beide standen unter dem Verdacht, an geheimen Atomwaffenprogrammen zu arbeiten. Erst in den 1990er-Jahren traten sie dem Vertrag uneingeschränkt bei. Und als 2002 endlich auch Kuba dazustieß, war der Verzicht auf Atomwaffen in Lateinamerika und der Karibik ohne Ausnahme.
Der Vertrag von Tlatelolco gab die Initialzündung: Heute gibt es atomwaffenfreie Zonen im Südpazifik, in Südost- und Zentralasien und in Afrika. Und aktuell haben einige Sicherheitspolitiker die Hoffnung, dass das iranische Atomabkommen vom Juli 2015 ein erster wichtiger Schritt für eine atomwaffenfreie Zone Naher Osten sein könnte.