Deutsches Institut für Entwicklungspolitik gegründet
Das neue Institut sollte bewußt in Westberlin angesiedelt werden - als Zeichen der Vitalität und des Beharrungsvermögens der Mauerstadt. Die Entwicklungshilfe steckte damals in den Kinderschuhen, erst 1961 war das Entwicklungsministerium geschaffen worden.
"Für mich war eigentlich dieser Kurs die Öffnung zum Internationalen, die Öffnung zur Welt."
1978 war Peter Wolf einer der zwanzig Teilnehmer, die alljährlich am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik, kurz DIE, für Führungsposten im Bereich der Entwicklungshilfe ausgebildet werden.
"Ich habe ein eher provinzielles und konservatives Volkswirtschaftsstudium hinter mir, bin auch während der Studienzeit nicht allzu viel rausgekommen. Und für mich haben diese neun Monate hier im Institut eine geistige Öffnung bedeutet."
Die Gründung des Instituts war nicht gerade eine feierliche Angelegenheit. Sie bestand lediglich aus einer Pressekonferenz, die Walter Scheel als erster Bundesentwicklungsminister am 2. März 1964 in Bonn gab.
"Die Aufgabe heißt, einen hochqualifizierten Stab deutscher Entwicklungsfachleute heranzubilden, die in den internationalen Gremien, in den Entwicklungsländern selbst und in der Bundesrepublik einsatzfähig sind."
Als Zeichen der Vitalität
Es stand fest: Das neue Institut sollte in Westberlin angesiedelt werden - als Zeichen der Vitalität und des Beharrungsvermögens der Mauerstadt. Doch zunächst gab es weder Räume noch Personal. Überhaupt steckte die Entwicklungshilfe in den Kinderschuhen, erst 1961 war das Entwicklungsministerium geschaffen worden. Als Vorbild galt der Marshallplan: Mit Finanzspritzen und technischer Beratung, so glaubte man, würde sich quasi von selbst ein "Wirtschaftswunder" einstellen. Das neue Institut sollte nun Fachleute ausbilden, die nicht mehr nur als Ärzte oder Ingenieure in die Entwicklungsländer gingen.
Walter Scheel: "Krankenhäuser, Staudämme, Brücken, Industrieanlagen sind zwar wichtig, aber nicht ausreichend. Nur der persönliche Kontakt, eine entsprechende tiefgreifende emotionale und politische Resonanz vermag letztlich ein anschauliches Bild der sozialen Wirklichkeit unserer freien Marktwirtschaft zu vermitteln."
Am 26. April 1965 konnte das Institut in Berlin endlich eigene Räume beziehen.
"In einer betont nüchternen, sachlichen Atmosphäre vollzog sich im 8. Obergeschoss des neuen Verwaltungshochhauses am Messedamm die feierliche Eröffnung des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik."
Es kamen Bundespräsident Heinrich Lübke, Berlins Regierender Bürgermeister Willy Brandt und natürlich Walter Scheel. Die Interessenlage war eindeutig. Die Auflösung der Kolonien nach dem zweiten Weltkrieg hatte eine Vielzahl neuer Staaten in Asien und Afrika geschaffen. Allein 1960 waren 17 afrikanische Länder in die Unabhängigkeit entlassen worden. Im Wettlauf der Systeme galt es nun, diese neuen Staaten auf die jeweils eigene Seite zu ziehen. So betonte Willy Brandt in seiner Eröffnungsansprache:
Freunde gewinnen
"Aufgabe muss sein, Freunde zu gewinnen, also mehr als nur Verbündete im Kalten Krieg. Entwicklungshilfe soll nicht mit politischen Bedingungen verknüpft werden. Aber ich möchte auch hinzufügen dürfen: Die Erwartung, dass die Länder, die Entwicklungshilfe bekommen, dem deutschen Volk bei seinem gerechten Bemühen um nationale Selbstbestimmung nicht in den Rücken fallen, diese Erwartung ist keineswegs unmoralisch."
Die Zeiten, in denen die Industrienationen mit erhobenem Zeigefinger daherkommen konnten, sind heute vorbei. Globale Probleme wie die Klimaveränderung oder die Umweltzerstörung erfordern gemeinsame Lösungsstrategien auf Augenhöhe. Ein Prozess, den das DIE immer mit- oder sogar vorausgedacht hat. 1995 musste es von Berlin nach Bonn ziehen. Auch hier werden noch immer Jahr für Jahr 20 Hochschulabsolventen für eine Karriere in der Entwicklungspolitik vorbereitet. Neben der Ausbildung ist aber auch die Forschung längst zu einem ebenbürtigen Aufgabenfeld geworden. Heute zählt das Institut zu den international profilierten Denkfabriken im Bereich der Entwicklungspolitik. Dirk Messner, Direktor des DIE:
"Uns interessiert, weshalb Länder erfolgreich sind und andere nicht. Uns interessiert, weshalb die Beziehung zwischen Entwicklungsländern und Industrieländern sich tiefgreifend verändern. Wir beschäftigen uns damit, weshalb einige Länder in der Weltpolitik und Weltwirtschaft immer wesentlicher werden. Was hat das für Auswirkungen für andere Entwicklungsländer? Was hat das für Auswirkungen für uns? Wir sind nicht nur Forschungsinstitut, sondern wir machen zugleich auch sehr intensiv Politikberatung."
Seit sieben Jahren erstellt die Universität von Pennsylvania jährlich eine Rangliste der international einflussreichsten Denkfabriken. Im Bereich der Entwicklungspolitik erreichte das DIE auch 2013 zum fünften Mal die Top Ten.