Alexander Dubček tritt an die Spitze der Kommunistischen Partei
Der Prager Frühling begann im Winter. Im Januar 1968 erhielt die tschechoslowakische Reformbewegung, die einen Sozialismus mit "menschlichem Antlitz" wollte, ihre Symbolfigur: Alexander Dubček wurde zum Ersten Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der ČSSR gewählt.
Der tschechoslowakische Rundfunk informierte am 5. Januar 1968 fast beiläufig über einen Wechsel an der Spitze der Kommunistischen Partei. Präsident Antonín Novotný hatte seinen Posten als Erster Sekretär des Zentralkomitees an den Slowaken Alexander Dubček verloren.
"Wir wussten nicht viel über ihn, aber die Slowaken versicherten uns, dass er einen beträchtlichen Schub in Sachen Freiheit bringen würde. Man konnte mit ihm reden. Im Grunde genommen war er ein lieber Mensch, der versuchte, mit jedem gut auszukommen. Er war nicht dieser traditionelle Kommunist, der genau wusste, was die Wahrheit ist."
Der Schriftsteller Ivan Klíma. Als Redakteur der Literaturzeitung "Literární noviny" erlebte er die allmähliche Liberalisierung der 1960er-Jahre. Die Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen wurde immer lauter: an den Schauprozessen der 1950er-Jahre, an der Inhaftierung zahlloser Regimegegner, am undurchschaubaren Parteiapparat, aber auch an der wirtschaftlichen Rückständigkeit der einst erfolgreichen Industrienation. Viele, die 1948 die kommunistische Machtübernahme begeistert begrüßt hatten, waren ernüchtert.
Expertenregierung sollte die Krise beenden
Die Bekämpfung der Missstände nahm ihren Anfang in der Kommunistischen Partei selbst: Schon 1965 begannen vorsichtige Reformen in der Wirtschaft und im Parteiapparat. Schlüsseldokument der "Parteireform" wurde das Aktionsprogramm, das Dubček 1968 vor dem Zentralkomitee verteidigte:
"Wir müssen der Initiator für die Verfassungsänderung unserer Republik werden. Dabei geht es nicht nur um die Verbesserung von Missständen, sondern tatsächlich um ein neues Konzept, das den Bedürfnissen unserer Gesellschaft in den kommenden Jahren gerecht wird."
Eine technokratische Expertenregierung sollte die Krise beenden, und auch die langjährigen Forderungen der Slowaken nach stärkerer Selbstbestimmung wollten die Reformer um Dubček erfüllen. Den Kommunismus, das Einparteiensystem und die Treue zu Moskau stellten sie nicht in Frage. Dennoch ermöglichten sie einen Prozess, der sich bald verselbstständigte.
"Censura prestala existovat, hura!"
Die Abschaffung der Zensur im Februar 1968 hatte weitreichende Folgen. In kurzer Zeit entwickelte sich in der Tschechoslowakei eine kritische Öffentlichkeit, sagt der Historiker Vítězlav Sommer.
Der Druck aus Moskau wird größer
"Die Medien wurden zu einer mehr oder weniger freien Tribüne für den Austausch darüber, in welche Richtung die Reform gehen sollte. Nun wurde die Entwicklung nicht nur von oben, von Politikern und Experten gesteuert, sondern auch die Bürger konnten Einfluss nehmen, von unten."
Jenseits der Partei entstanden offen politische Gruppierungen wie der "Klub der engagierten Parteilosen" und unabhängige Studentenorganisationen. Zum bedeutenden Zeugnis des aufkeimenden Pluralismus wurde das "Manifest der 2000 Worte", das im Juni massive Kritik an der Politik der Partei äußerte. Während Dubček versuchte zu vermitteln, wurde der Druck aus Moskau stärker. Für den Schriftsteller Ivan Klíma war die Invasion im August '68 keine Überraschung.
"Es war klar, dass die Sowjets die Konstitution eines demokratischen Systems nicht tolerieren können. Das stand im Widerspruch zur totalitären Regierung der Sowjetunion. Sie waren bereit, bis zu einem gewissen Maß eine Liberalisierung zuzulassen, aber keine Demokratie."
Das Ende des Prager Frühlings
Im September sollte ein vorgezogener großer Parteitag die Reformer endgültig legitimieren.
Doch am 21. August setzten die Truppen der Warschauer-Pakt-Staaten dem Prager Frühling ein gewaltsames Ende. Vítězslav Sommer:
"Wenn das Reformprojekt weitergegangen wäre, wären sehr schnell große Konflikte zu Tage getreten. Es gab kein einheitliches Programm, sondern ganz unterschiedliche Deutungen über die Demokratisierung."
Statt der erhofften Demokratisierung folgte die Entmachtung aller Reformer und der Rückfall in alte Zeiten. Die Periode nach dem Prager Frühling dauerte bis 1989. Sie nannte sich "Normalisierung".