Vor 70 Jahren

Flüchtlingsschiff "Wilhelm Gustloff" von Torpedos versenkt

Der "Kraft durch Freude"-Dampfer und späteres Flüchtlingsschiff "Wilhelm Gustloff"
Der "Kraft durch Freude"-Dampfer und späteres Flüchtlingsschiff "Wilhelm Gustloff" © imago/teutopress
Von Volker Ullrich |
Am 30. Januar 1945 wurde die "Wilhelm Gustloff" vor der pommerschen Küste von einem sowjetischen U-Boot versenkt. An Bord befanden sich überwiegend Flüchtlinge aus Ostpreußen, rund 9000 Menschen kamen ums Leben. Es war die größte Katastrophe in der Geschichte der Seefahrt.
Es war ein schaurig-schöner Anblick: Am 30. Januar 1945, um 22.15 Uhr, kurz bevor die "Wilhelm Gustloff" in den Fluten der Ostsee versank, sprang das Notstromaggregat an.
Ausschnitt aus "Der Untergang der 'Wilhelm Gustloff'": "Mit einem Mal war die Gustloff hell erleuchtet, also sozusagen die Festtagsbeleuchtung. Da, also, die erstrahlte in einem Licht, wie es überhaupt schöner gar nicht sein kann, und die Sirenen gingen an. Da habe ich in dem Moment gedacht: Die Gustloff hält sich, ja, und dann kam das Makabre, das Schiff hat sich einmal aufgebäumt, und dann war einfach der ganze Spuk vorbei."
So schildert eine Überlebende Jahrzehnte später den Moment des Untergangs. Benannt worden war das Schiff nach dem Landesgruppenleiter der NSDAP-Auslandsorganisation in der Schweiz, Wilhelm Gustloff. Er war im Februar 1936 von dem jüdischen Medizinstudenten David Frankfurter in Davos erschossen und daraufhin von den Nationalsozialisten zum "Märtyrer der Bewegung" verklärt worden. Der Stapellauf hatte am 5. Mai 1937 auf der Hamburger Werft Blohm & Voss stattgefunden. Hitler hatte es sich nicht nehmen lassen, zur Zeremonie in die Hansestadt zu kommen. Ein Radioreporter berichtete:
"Der Führer zeigt sich, hoch recken sich die Arme der Tausenden, die hier auf dem Werksgelände stehen heute früh (...) Nun ist der große Augenblick gekommen, wo dieses erste große Schiff, das deutsche Arbeiter für deutsche Arbeiter gebaut haben, seinem Element übergeben werden soll."
Das damals größte Kreuzfahrtschiff der Welt
Die "Wilhelm Gustloff" war im Auftrag der "Deutschen Arbeitsfront" für die Freizeitorganisation "Kraft durch Freude" gebaut worden. 208 Meter lang und fast 34 Meter breit, war sie das damals größte Kreuzfahrtschiff der Welt.
Mitte Januar 1945 beginnt die Rote Armee an der Ostfront ihre Schlussoffensive. Innerhalb weniger Tage ist Ostpreußen vom übrigen Reichsgebiet abgeschnitten. Für Hunderttausende von Flüchtlingen gibt es nur noch einen Weg – den zu den Häfen in der Danziger Bucht. Am 21. Januar ordnet Großadmiral Karl Dönitz die "Operation Hannibal" an: Aller verfügbarer Schiffsraum soll mobilisiert werden, um verwundete Soldaten und möglichst viele Zivilisten zu evakuieren. An der Rettungsaktion beteiligt sich auch die "Wilhelm Gustloff".
Als sie um die Mittagsstunde des 30. Januar in See sticht, drängen sich über 10.000 Menschen an Bord, darunter rund 1500 Wehrmachtangehörige und 8800 Zivilisten, überwiegend Frauen und Kinder. Trotz hoffnungsloser Überfüllung herrscht Erleichterung. Die Menschen glauben, das Schlimmste überstanden zu haben. Aus den Lautsprechern dröhnt die Stimme Hitlers, der in seiner Ansprache zum 12. Jahrestag der sogenannten Machtergreifung die Deutschen zum letzten Widerstand aufruft.
"Wie schwer auch die Krise im Augenblick sein mag, sie wird durch unseren unabänderlichen Willen, durch unsere Opferbereitschaft und durch unsere Fähigkeiten am Ende trotz alledem gemeistert werden."
Eine Stunde nach dem ersten Treffer sank das Schiff
Kaum sind gegen 21.15 Uhr die letzten Töne der Deutschlandhymne verklungen, da schlagen drei Torpedos ein. Abgefeuert hat sie das sowjetische U-Boot "S-13", das sich unbemerkt der "Wilhelm Gustloff" genähert hat. Rasch legt sich das Schiff zur Seite; an Bord bricht Panik aus. Alles strebt zum Oberdeck, zu den wenigen Rettungsbooten. Wer das Glück hat, sich einen Platz in einem der Boote zu erkämpfen, dem bietet sich ein grauenhaftes Bild: überall im eiskalten Wasser Knäuel sterbender Menschen.
Ausschnitt aus "Der Untergang der 'Wilhelm Gustloff'": "Und das Schlimmste war, dass wir von außen sahen, wie hinter den Panzerglasscheiben des Promenadendecks die Menschen verzweifelt schrien, weil sie sahen, dass sie in einem Glassarg steckten, der langsam in der See verschwand."
Eine Stunde nach dem ersten Torpedotreffer sank die "Wilhelm Gustloff", 23 Seemeilen von der pommerschen Küste entfernt. Nur 1252 Menschen konnten gerettet werden, über 9000 starben. Auch sie wurden zu Opfern eines beispiellos verbrecherischen Vernichtungskrieges, den die deutsche Wehrmacht unter ihrem Oberbefehlshaber Hitler im Juni 1941 gegen die Sowjetunion vom Zaun gebrochen hatte.
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