Dichterin Marina Zwetajewa gestorben
Sie war eine der größten russischen Dichterinnen des 20. Jahrhunderts: Mariana Zwetajewa. Mehrfach lebte sie in Deutschland, 1939 kehrte sie in die Sowjetunion zurück. In Jelabuga an der Kama nahm sie sich Vor 75 Jahren das Leben.
Ihre Mutter wollte, dass sie ein Sohn und Pianist würde. Sie wurde eine Tochter und Dichterin – und zwar eine der größten des 20. Jahrhunderts. Am 9. Oktober 1892 wurde Marina Zwetajewa in Moskau geboren. Ihr Vater, ein Kunstprofessor, hatte dort das Museum der Schönen Künste gegründet, ihre Mutter war Pianistin. Schon als Kind schrieb Marina Zwetajewa Gedichte, sprach neben russisch auch deutsch und französisch. Von 1904 bis 1905 besuchten sie und ihre Schwester eine Privatschule in Freiburg im Breisgau. 1919 schrieb sie in ihr Tagebuch:
"Frankreich ist mir zu leicht, Russland zu schwer, Deutschland ist die passende Hülle für meinen Geist: Es ist ganz mein, und ich bin ganz sein!"
Ihren ersten Gedichtband "Abendalbum" veröffentlichte sie ohne Wissen der Familie mit 18 Jahren als Privatdruck in Moskau. Es folgten viele weitere Lyrikbände, Prosawerke und Theaterstücke.
Von ihrem Mann bekam sie jahrelang keine Nachricht
1912 heiratete sie Sergej Efron, dem sie trotz ihrer zahlreichen heftigen Liebschaften mit Männern und Frauen ihr Leben lang verbunden blieb. 1913 wurde ihre Tochter Ariadna geboren, vier Jahre später Irina. Der Erste Weltkrieg, Revolution und Bürgerkrieg warfen dunkle Schatten auf das Leben der Dichterin. Von ihrem Mann, der auf Seiten der Weißen kämpfte, hatte sie jahrelang keine Nachricht. Ihre kleine Irina verhungerte während des Bürgerkrieges. 1922 reiste die Zwetajewa mit Ariadna in die Hochburg der russischen Emigration: nach Berlin.
"Sie war nicht sehr lange Zeit in Berlin, denn sie ging ja später nach Prag. In der Zeit, wo sie in Berlin war, hatte sie einige Sachen herausgegeben, wie zum Beispiel das Büchlein 'Remeslo', da waren sehr schöne Gedichte."
So erinnerte sich eine andere Berlin-Emigrantin, Vera Lourié, die die in den russischen Künstlerkreisen geschätzte und verehrte Marina Zwetajewa auch im Café "Prager Diele" in Berlin traf:
"'Prager Diele' war ein Café, was sich unter einem Hotel befand, Hotelpension 'Prager Diele'. Und das war das Stammlokal von Ilja Ehrenburg. Abends hatte er wieder seinen Stammtisch, wo alle kamen, die Ehrenburg sehen wollten. So kam auch Marina Zwetajewa hin, und so habe ich sie auch näher kennengelernt."
Briefwechsel mit Rilke und Pasternak
In Berlin traf die Zwetajewa nach vier Jahren Trennung ihren Mann wieder, seinetwegen zog sie bald nach Prag, wo ihr Sohn Georgij geboren wurde. Auf Prag folgte 1926 Paris. Dort entspann sich ein hinreißender Briefwechsel zwischen ihr, Rainer Maria Rilke und dem russischen Dichter Boris Pasternak – geschrieben in hochgebildetem, poetischem Deutsch.
Ständig in Geldsorgen und Not, schloss sich ihr Mann in den frühen 30er-Jahren in Frankreich der Heimkehrerbewegung an und war im Auftrag des sowjetischen Geheimdienstes an der Überwachung von Trotzkis Sohn und an einem Mordkomplott beteiligt; Machenschaften, von denen Zwetajewa nichts wusste oder nichts wissen wollte.
Innerhalb der russischen Emigranten deshalb aber zunehmend isoliert, entschloss sie sich nach 17 langen Jahren Exils 1939 zur Rückkehr in Stalins Sowjetunion – in den sicheren Untergang.
"Klage des Zorns und der Liebe!
Salz, das auf Augen ruht!
Oh, und Böhmen in Tränen!
Oh, und Spanien im Blut!
Salz, das auf Augen ruht!
Oh, und Böhmen in Tränen!
Oh, und Spanien im Blut!
Ablehn ich, dass ich höre.
Ablehn ich, dass ich seh.
Auf dieser Welt des Irrsinns
Gibt es nur eins: ich geh."
Ablehn ich, dass ich seh.
Auf dieser Welt des Irrsinns
Gibt es nur eins: ich geh."
Nachdem im Juni 1941 deutsche Truppen die Grenze zur Sowjetunion überschritten hatten und die Bombenangriffe auf Moskau begannen, wurde die Dichterin mit ihrem 16-jährigen Sohn nach Jelabuga in der Tatarischen Volksrepublik evakuiert.
Sie war erschöpft und ausgezehrt, verzweifelt suchte sie nach einem Broterwerb. Am Sonntag, dem 31. August 1941, sollte die Bevölkerung von Jelabuga beim Bau des Flughafens mithelfen. Zwetajewas Sohn und ihre Vermieterin meldeten sich zur Arbeit. Als sie abends zurückkamen, fanden sie die Dichterin erhängt in der Diele des Hauses. Marina Zwetajewa wurde 49 Jahre alt.