Die "Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden"
Nach der Machtübernahme durch Adolf Hitler begann das NS-Regime, Juden aus dem öffentlichen Leben auszugrenzen. Dazu zählte auch die Stigmatisierung mit einem sichtbaren Kennzeichen. Erste Überlegungen kamen 1933 auf, im August 1941 gab Hitler seine Zustimmung zum "Gelben Stern".
"Juden, die das sechste Lebensjahr vollendet haben, ist es verboten, sich in der Öffentlichkeit ohne einen Judenstern zu zeigen."
So lautete Paragraf 1, Absatz 1 der Polizeiverordnung des Reichsinnenministeriums über die Kennzeichnung der Juden vom 1. September 1941.
"Absatz 2. Der Judenstern besteht aus einem handtellergroßen, schwarz ausgezogenen Sechsstern aus gelbem Stoff mit der schwarzen Aufschrift 'Jude'. Er ist sichtbar auf der linken Brustseite des Kleidungsstücks fest aufgenäht zu tragen."
Die Verordnung trat am 19. September in Kraft, unterzeichnet von Reinhard Heydrich, Chef des Reichssicherheitshauptamtes und Organisator des Massenmords an den europäischen Juden.
Unmittelbar nach der Machtübernahme im Jahr 1933 hatten die Nationalsozialisten begonnen, Juden systematisch auszugrenzen. Sie erließen Berufsverbote, erklärten mit den Nürnberger Gesetzen Juden zu Bürgern minderen Rechts, untersagten ihnen unter anderem, Haustiere zu halten und auf Parkbänken zu sitzen und verpflichteten sie, die Zwangsvornamen Sara beziehungsweise Israel zu führen. Die Kölner Jüdin Rosel Schön erinnerte sich Jahrzehnte später:
"Wir waren seit 1933 ja schon an alles Mögliche gewöhnt. Wir sind keinen Abend ins Bett gegangen, ohne uns zu sagen, was haben sie wohl für morgen wieder ausgeheckt."
Nach Beginn des Krieges entfiel jede Rücksichtnahme
Nach den Novemberpogromen 1938 forderte Reinhard Heydrich weitere Maßnahmen, um die Juden vom "normalen Lebenskreis des Deutschen zu isolieren", so seine Worte. Heydrich gab umgehend den Entwurf von "Judenabzeichen" in Auftrag. Umgesetzt wurde die Kennzeichnung jedoch zunächst nicht; womöglich fürchtete das NS-Regime negative Reaktionen aus dem Ausland. Nach der Entfesselung des Zweiten Weltkriegs entfiel jede Rücksichtnahme. Zuerst mussten polnische Juden den Davidstern auf ihrer Kleidung tragen. Auf Drängen von Joseph Goebbels befahl Hitler dann das Kennzeichen auch für alle Juden im Deutschen Reich als eine der letzten stigmatisierenden Maßnahmen vor dem Beginn der Deportationen. Zwei Monate später schrieb Goebbels in einem Aufsatz:
"Wenn einer den Judenstern trägt, so ist er damit als Volksfeind gekennzeichnet. Wer mit ihm noch privaten Umgang pflegt, gehört zu ihm und muss gleich wie ein Jude gewertet und behandelt werden. Es ist das eine außerordentlich humane Vorschrift, sozusagen eine hygienische Prophylaxe, die verhindern soll, dass der Jude sich unerkannt in unsern Reihen einschleichen kann, um Zwietracht zu säen."
Als wäre die Verordnung nicht schon demütigend genug gewesen, mussten die Juden das sichtbare Zeichen für zehn Pfennig pro Stück einschließlich entstandener Verwaltungskosten selber bezahlen, wie der Religionsphilosoph Ernst Simons Jahrzehnte später berichtete.
"So waren wir '41 gezwungen, den Stern bei den Verwaltungsstellen des Jüdischen Rates abzuholen und an die Kleider anzunähen. Es war eine Frist, soweit ich mich erinnere, von zwei bis drei Tagen eingeräumt, um den Stern überall zu befestigen. Und dann war es absolute Pflicht. Wer dann ohne Stern angetroffen wurde bei einer Personalausweiskontrolle, wurde sofort verhaftet."
Überleben ging nur noch in der Illegalität
Aber nicht alle Juden hielten sich an die Polizeiverordnung. Die Schriftstellerin Inge Deutschkron, die unter anderem durch ihr Buch "Ich trug den gelben Stern" bekannt wurde, tauchte mit ihrer Mutter bei einer Berliner Wäschereibesitzerin unter, um der drohenden Deportation zu entgehen.
"Frau Deutschkron", drängte Frau Gunz meine Mutter, "Sie müssen mir versprechen, dass Sie und Inge sich nicht deportieren lassen. Wir verstecken Sie. Sie nehmen den Judenstern ab und kommen zu uns."
Die Deutschkrons überlebten dank der Hilfe von Freunden wie der Familie Gunz in der Illegalität.
Rosel Schön versuchte, die Vorschrift so weit wie möglich zu umgehen.
"Ich hatte den Stern so getragen: Wenn ich aus dem Haus ging, hat man den Stern gesehen. Aber sobald ich mich etwas entfernt hatte, habe ich irgendwie ein Revers oder einen Schal, irgendetwas getragen, damit man ihn nicht sieht. Ich habe ganz einfach mich nicht fügen wollen."
Hätte ein Bekannter Rosel Schön auf der Straße erkannt und angezeigt, wäre sie ins KZ gekommen. Sie hatte Glück, fand schließlich ein Versteck auf dem Land und entging so der Deportation.
"Meine Mutter und meine Schwester sind im selben Jahr im November deportiert worden. Und ich habe sie nicht mehr wiedergesehen."