Gründung der Comedian Harmonists
"Veronika, der Lenz ist da" oder "Mein kleiner grüner Kaktus" - das sind heute Klassiker. Gesungen wurden sie von den Comedian Harmonists, die vor 90 Jahren in Berlin gegründet wurden. Doch die Karriere der ersten deutschen Boygroup wurde 1935 vom NS-Regime gestoppt.
"Jetzt werden wir ganz albern: Ga-ga-gack-gack-gack-gack-gack …"
Auch hinter dem Gackern eines Huhns steckt sehr viel Arbeit, wenn fünf Stimmen und ein Klavier es so perfekt und komisch intonieren wie die Comedian Harmonists. Mit der auf absolute Präzision gebauten Leichtigkeit ihrer Lieder machten sie Weltkarriere, just zu der Zeit, als der Himmel sich über Deutschland und der Welt verdunkelte - unter den Klängen heiterer Nonsense-Schlager.
Das alles ahnte kein Mitglied der kleinen, noch vorläufig zusammengesetzten Sängertruppe, die sich am 29. Dezember 1927 in Berlin gründete. Ihr Erfinder war - auch wenn das später, in weniger harmonischen Zeiten, strittig werden sollte – der 21-jährige Harry Frommermann. "Der gar nicht singen konnte, und trotzdem Töne von sich gab", wie der Pianist Erwin Bootz viele Jahre später freundlich lästerte. Frommermann hatte ein Vorbild: die US-amerikanische A-Capella-Gruppe "Revellers". Artistische Wunder, gegründet auf penibelste Tongenauigkeit, Artikulation und Stimmengleichheit.
So etwas wollte der - übrigens hochmusikalische - Frommermann auch haben. Von seiner Anzeige im Berliner Lokalanzeiger erzählte er selbst: "Achtung, selten: Sänger gesucht, Tenöre, Bässe, nicht über 24 Jahre"
Nur ein einziger schien singen zu können
Trotz der verhältnismäßig guten Konjunktur des Jahres 1927 gab es in Berlin Heerscharen hungriger Künstler. Circa 70 von ihnen standen also tags darauf vor Frommermanns eiskalter Dachwohnung auf der Treppe bis zur Straße hinaus. Nur ein einziger schien singen zu können: Robert Biberti. Der kannte immerhin andere Sänger, Chor-Profis, die sich von Frommermanns Arrangements im Stil der Revellers überzeugen ließen. Alle ahnten: Hier lag die Chance, aus der großen Masse schlecht bezahlter Künstler aufzusteigen.
"Die Politik ist ganz vergessen in Kalumba.
Man ist von Rumba ganz besessen in Kalumba.
Man steht am Morgen auf und legt sich abends schlafen in Kalumba mit dem Rumba, Rumba, Rumba, Rumba, Rumba, Rumba, Rumba, Rumba, ... Rum-ba"
Man ist von Rumba ganz besessen in Kalumba.
Man steht am Morgen auf und legt sich abends schlafen in Kalumba mit dem Rumba, Rumba, Rumba, Rumba, Rumba, Rumba, Rumba, Rumba, ... Rum-ba"
"Wir haben gearbeitet, Tag und Nacht, acht Monate, hier, vor der Vorstellung, nach der Vorstellung, sogar haben wir hier in der Garderoben abends später geschlafen bis zum nächsten Tag", erinnerte sich Ari Leschnikoff.
Etwas E-Musik zwischendurch besser
Ein paar zwischenmenschliche Klärungen später stand das Personal der Comedian Harmonists fest. Erster und zweiter Tenor: Ari Leschnikoff und Erich Collin, Bariton: Roman Cycowski, Bass: Robert Biberti, Tenor-Buffo: Harry Frommermann, zuständig für musikalische Faxen und Lautmalerei. Dazu der konzertreife Pianist Erwin Bootz, der auch gern Arrangements schrieb, zum Beispiel das Boccherini-Menuett.
"Ein kleiner Scherz, in dem viel Arbeit steckt."
Während die Revellers nur Jazz und Schlager sangen, wussten die Comedian Harmonists, dass sich im kulturstolzen Deutschland etwas E-Musik zwischendurch besser machen würde. 1928 gelang auf der Bühne des Berliner Schauspielhauses der Durchbruch. Die Jahre des Erfolgs begannen, mit Filmauftritten, mit Tourneen durch ganz Europa und darüber hinaus, mit Geld, Geltung und Groupies.
Ihre Beliebtheit schützte die jüdischen Mitglieder nicht auf Dauer
"Das Wichtigste war die Comedian Harmonists, nicht Biberti, nicht Frommermann, die Comedian Harmonists", sagte der Bariton Roman Cykowski viel später, im schmerzlichen Rückblick auf das wenig harmonische Ende der Gruppe. Die geriet mit ihren drei jüdischen Mitgliedern Cykowski, Frommermann und Collin nach 1933 unter Druck. Noch zwei Jahre schützte sie ihre immense Beliebtheit, die sie auch bei Nazis genossen, aber die größere Linie gaben andere vor: Leute wie der Reichsrundfunkintendant Heinrich Glasmeier.
"Das sind die Eunuchen, die jetzt ihre ganze Männlichkeit heutzutage da reinlegen, dass sie machen pa pu pompompom und so weiter - also so etwas machen. Auch das ist eine furchtbare Geschichte, die mit Deutsch und mit Musik und mit unserer ganzen Zeit bestimmt nichts zu tun hat."
1935 nützte der Gruppe auch ihre Pflege des deutschen Volkslieds nichts mehr. Es folgten die Trennung, die Emigration der jüdischen Mitglieder, der lange Weg in die Vergessenheit. Erst in den 70er-Jahren brachte ein Film von Eberhard Fechner die verstreuten Comedian Harmonists und ihre Geschichte zurück, inklusive ihrer traurigen Zwistigkeiten um Namensrechte und Geld. Aber auch ihre Musik.