Zwischen Optimismus und Planlosigkeit
"Brexit heißt Brexit", betont die britische Regierung immer wieder. Doch zu welchen Konditionen? London verbreitet Optimismus und spielt auf Zeit.
In Großbritannien herrscht knapp drei Monate nach dem Referendum über den Austritt aus der EU Optimismus. Fast zwei Drittel, so lautet eine aktuelle Umfrage im Auftrag der BBC, blicken optimistisch in die Zukunft, trotz des bevorstehenden Brexits " oder auch genau deswegen.
"Ich tue nicht so, als werde das alles glatt ablaufen", kündigt Premierministerin Theresa May den Briten an. "Wir müssen uns auf einige schwierige Zeiten vorbereiten. Aber ich bin optimistisch. Auch von Unternehmern höre ich diesen Optimismus über unsere Zukunft. Ein unabhängiges Großbritannien wird seinen eigenen Weg in der Welt gehen."
Weniger Einwanderung, voller Zugang zum Binnenmarkt
Die schwierigeren Zeiten können noch kommen. Vieles, wenn nicht alles, hängt von der Frage ab: Welchen Brexit wird es denn geben? Was werden die Konditionen sein? Theresa May äußert sich vage zwischen den beiden Wunschzielen: deutlich weniger EU-Einwanderer, aber gleichzeitig voller Zugang zum EU-Binnenmarkt.
"Die Briten wollen eindeutig ein Ende der EU-Arbeitnehmer-Freizügigkeit. Sie fordern Kontrollen, wer aus der EU zu uns kommt. Aber die Menschen wollen auch die wirtschaftlichen Chancen. Sie wollen einen guten Vertrag für Handel und Dienstleistungen. Das ist auch wichtig."
Theresa May wählt ihre Worte sehr sorgfältig. Sie spricht von "Kontrollen bei der EU-Einwanderung", also nicht von "voller Kontrolle". Den Antrag auf EU-Austritt nach Artikel 50 werde man nicht vor Ende 2016 stellen, sagt sie immer wieder. Das lässt vieles offen. "Brexit heißt Brexit", erklärt auch ihr Brexit-Minister David Davis ständig, und wird im Unterhaus ausgelacht mit seiner Definition: "Brexit heißt, wir treten aus."
Viel komplexer als gedacht
Die britische Regierung sucht noch einen Plan für den EU-Ausstieg und spielt deswegen auf Zeit. Die Aufgabe ist viel komplexer, als das viele Brexit-Anhänger wahrhaben wollen, warnt z.B. der frühere Staatssekretär im Außenministerium Simon Fraser:
"Der Prozess wird viele Jahre dauern. Von den Verhandlungen über das Ratifizieren in den EU-Mitgliedsstaaten bis zur Umsetzung. Das ist eine langer Weg, der wahrscheinlich ein ganzes Jahrzehnt dauern wird."
Einer auf der Insel kann dem Streit um Zeitpunkt und Ziele der Brexit-Verhandlungen entspannt zuschauen: David Cameron hat jetzt seinen Abschied auch als Unterhaus-Abgeordneter angekündigt. Er, der das Referendum in die Welt gesetzt hat, will nicht ständig unter Beobachtung stehen, sagt er, ob er in allem Theresa May zustimmt.