Nochmal ausgehen oder schon daheimbleiben?
04:37 Minuten
Bevor das kulturelle Leben vier Wochen lang weitgehend stillsteht, will unser Korrespondent Niklas Ottersbach nochmal im Lieblingslokal essen gehen. Seine Kollegin Katharina Thoms ist gegen ein letztes Genießerwochenende.
Pro - Die Zeit vor dem Lockdown ausnutzen
Von Niklas Ottersbach
Ich gehe heute noch einmal mit einer Kollegin zu unserem Lieblingsvietnamesen in Magdeburg. Ein letztes Mal für die nächsten vier Wochen. Ja, warum denn auch nicht? Abschied nehmen heißt doch auch, sich noch einmal zu begegnen, noch einmal ein bisschen Wehmut zu verspüren, bevor man auseinandergeht.
Das ist auch ein Zeichen an diejenigen, die es jetzt besonders hart treffen wird: die Theater-, Restaurant- oder Kinobetreiber. Nach dem Motto: Seht her, es wird ein Verlust, euch nicht mehr zu besuchen. Aber solange es geht, machen wir das. Natürlich steckt da auch die Botschaft mit drin: Wir freuen uns schon auf das Wiedersehen, irgendwann im Dezember vielleicht.
Keine wilden Partys feiern
Nicht falsch verstehen: Es geht nicht darum, jetzt wilde Partys zu feiern, so wie in Magdeburg vor ein paar Wochen bei einem Oktoberfest, wo sich 35 Menschen infiziert haben. Ein sogenanntes Superspreader-Event und natürlich super bekloppt.
Aber darum geht es hier doch nicht. Es geht um einen letzten Besuch in einem Etablissement mit Hygienekonzept. Also: Abstand, Maske und guter Belüftungssituation. Wer sich jetzt schon in Askese und Isolation begibt, der soll das machen. Aber der kann nicht von allen erwarten, dass sie auf Rituale verzichten.
Halloween ist kein Problem
Halloween gehört gerade für Kinder und Jugendliche zu diesen Ritualen. Das ist auch in Sachsen-Anhalt, Geburtsland von Martin Luther, für viele das wichtigere Event als der Reformationstag Ende Oktober. Also, wenn Kinder von Haus zu Haus ziehen und "Süßes oder Saures" fordern, dann sollen sie das bitte auch machen dürfen. Gruppen sind zwar in Coronazeiten nicht optimal, aber die sind alle an der frischen Luft. Da ist das Infektionsrisiko einfach sehr gering und vor allem deutlich geringer als in Schulen oder Kitas, die in den nächsten Wochen geöffnet bleiben.
Mein Plädoyer: Nutzt die nächsten Tage noch einmal aus, die nächsten Wochen werden für uns alle schwer und vor allem – einsam genug.
Contra – Am Wochenende schon zu Hause bleiben
Von Katharina Thoms
Ab Montag ist dann also wieder Schmalspur angesagt. Und nein: Wir reden nicht von einschließen und Ausgangssperren. Aber ja: Wir müssen uns einschränken. Noch mehr.
Also am Wochenende nochmal gepflegt essen gehen, ins Kino? Ist ja für die gute Sache? Zugegeben: Habe ich auch überlegt. Aber dann kommt mir wieder der Gedanke, den ich schon seit Monaten habe. Ich brauche doch keine Verordnung, um zu kapieren, wo das Problem liegt. Maske nur auf, wo fünf Schilder mich warnen? Eine Polizei, die mir erst mit Bußgeld droht, damit ich verstehe: Hä, ach so! Viele Menschen zusammen = Problem!
Virtuell Geburtstag feiern
Einsam und verloren muss trotzdem keine sein. Das liegt an uns allen selbst. Die beste Freundin können Erwachsene oder Kinder ja weiter treffen. Am besten draußen, beim Herbstspaziergang – na gut, vielleicht mit Thermoskanne und Take-away-Kuchen aus dem Lieblingscafé.
Partypeople müssen auch nicht nur Trübsal blasen: Ich habe meine erste Einladung zu einer Geburtstagsparty via Zoom. Virtuell treffe ich mich mit Freunden, die ich im wahren Leben kaum treffe, weil wir es alle nicht schaffen, einen Termin zu finden. Wir spielen, wir tratschen und reden uns die Köpfe heiß, als ob wir auf einer Couch säßen.
Bestellen, liefern lassen und unterstützen
Aber klar, dass Kneipenbetreiber, Restaurantbesitzerinnen und Kulturmenschen jetzt wieder in die Röhre gucken. Das ist verdammter Mist. Punkt.
Umso mehr gilt jetzt wieder: Support your local Kultur-Heros – wer es sich leisten kann! Bestellen, liefern lassen, Trinkgeld geben. Und zwar ordentlich. Spendet an eure lokalen Künstler- und Künstlerinnenhilfen. Unterstützte kreative Ideen.
Natürlich ist das alles nichts im Vergleich zu echten Kneipenrunden, Auftritten und Filmen im Kino. Aber wenn ich jetzt nochmal ein hedonistisches Wochenende einlege, werde ich sie nicht retten. Wir können aber alle gemeinsam und laut dafür sorgen, dass den Regierungen die Szenekultur nie egal wird. Auch wenn die zehn Milliarden Euro Unterstützung nicht reichen werden.