Neuer Mobilfunkstandard, alte Fehler?
Selbstfahrende Autos, Telemedizin, vernetztes Haus: Für viele technische Neuerungen wird zukünftig der schnelle Mobilfunk 5G benötigt. Umso wichtiger ist, dass bei der Versteigerung der Frequenzen nicht die Fehler früherer Vergaben gemacht werden.
Die Erwartungen an 5G sind groß, die Versprechen vollmundig: Eine "flächendeckende Infrastruktur von Weltklasse" will die Bundesregierung schaffen. Deutschland soll eine führende Rolle übernehmen beim neuen Mobilfunk. Dafür müssen die Netze einiges leisten: Das Land so gut wie möglich abdecken - und für so viele Menschen wie möglich zugänglich sein, in einem gesunden Wettbewerb.
"Klar ist, dass eine durchgehende Versorgung erzielt werden muss, die Frage ist nur, wie organisiert man es genau", sagt Thomas Jarzombek, Sprecher der Bundestagsfraktion von CDU und CSU für Digitale Agenda.
Die Funklöcher sollen weg
Er sitzt im Beirat der Bundesnetzagentur, die die ersten 5G-Frequenzen im Frühjahr versteigern will. Und in diese Versteigerung werden viele Erwartungen gesteckt, vielleicht zu viele. Die 5G-Vergabe soll richten, was bei vorigen Standards versäumt wurde. Die Funklöcher sollen weg, das Angebot weniger überteuert und besser, der Vorsprung anderer Länder eingeholt werden. Die Bundesnetzagentur hat ihre ersten Pläne vorgelegt und sich dafür einige Kritik eingefangen. Jarzombek und andere befürchten, dass bei der Versteigerung der Frequenzen im Frühjahr die drei großen Netzbetreiber — Deutsche Telekom, Vodafone und Telefonica — zum Zug kommen könnten, während potenzielle Konkurrenten und kleinere Anbieter außen vor bleiben:
"Ein Markt, in den kein Neuer mehr eintreten kann, ist eben kein Markt. Dann wird die Wettbewerbsintensität zurückgehen und das wird zu hohen Preisen und schlechterer Qualität in den Netzen führen."
Inlands-Roaming nur als freiwillige Option?
Das Unternehmen United Internet hatte Interesse bekundet, als vierter Anbieter in den Markt einzusteigen — unter der Voraussetzung, dass sogenanntes National Roaming möglich ist. Das bedeutet, dass Anbieter bestehende Netzinfrastruktur anderer Unternehmen mitbenutzen können. Sie müssen somit nicht das gesamte Netz selbst zur Verfügung stellen. Als freiwillige Option hat die Bundesnetzagentur das auch geplant. Die drei großen Anbieter sollen ihre Netze nach Vereinbarung Dritten zur Verfügung stellen — allerdings nicht verpflichtend.
Der Netzaktivistin Anke Domscheit-Berg, die für die Linke im Bundestag und im Beirat der Bundesnetzagentur sitzt, ist das zu wenig:
"Wenn wir kein National Roaming haben, werden alle Unternehmen zuerst dort ausbauen, wo es sich für sie am meisten lohnt. Das ist natürlich immer dort, wo die meisten Menschen wohnen. Dann bauen sie alle ihre drei Masten nebeneinander, und im ländlichen Raum baut halt keiner einen Mast hin."
Auch mittelständische Wirtschaftsverbände sprechen sich fürs Inlands-Roaming aus, weil führende Unternehmen oft nicht in Ballungsgebieten, sondern in bislang weniger gut versorgten Teilen des Landes sitzen. Die Deutsche Telekom argumentiert dagegen, dass es einer Enteignung gleichkäme, wenn das Unternehmen seine Netze zur Verfügung stellen müsste. Außerdem sinke so der Anreiz, in den Netzausbau zu investieren.
Ein Argument, das FDP-Vizefraktionschef Frank Sitta unterstützt:
"Ein verpflichtendes National Roaming lähmt Investitionen in den Mobilfunkausbau. Momentan wird der Infrastrukturwettbewerb von Anbietern betrieben, die ein besseres Netz anbieten wollen. Die Preise repräsentieren die Investition in die Infrastruktur."
Soziale Kluft im Mobilfunk könnte zunehmen
Hinzu kommt, dass es unterschiedliche Frequenzen gibt. Im Frühjahr werden Kapazitätsfrequenzen versteigert. Die eignen sich besonders, um etwa in Großstädten hohe Bandbreite anzubieten. Flächenfrequenzen, die für den Ausbau auf dem Land besser geeignet sind, kommen erst später zur Versteigerung. Hier muss die Politik also weiter an einer Lösung arbeiten.
Anke Domscheit-Berg will zudem verhindern, dass die soziale Kluft im Mobilfunk größer wird. Sie fordert, dass die Netzbetreiber verpflichtet werden, ihre Netze und Verbindungen anderen Anbietern zur Verfügung zu stellen, die sie dann als Handyverträge oder Prepaid-Angebote weiterverkaufen, oft zu einem günstigen Preis — etwa als Mobilfunkangebote von Discountern.
Die gibt es aber in Deutschland nur für den älteren und relativ langsamen 3G-Standard. Beim aktuellen 4G-Netz, auch LTE genannt, wurde eine solche Dienstanbieterverpflichtung nicht eingeführt, sagt sie:
"Wir merken, dass das unangenehme Folgen hat, vor allem für die Verbraucher, wir haben die höchsten LTE-Preise in Europa. Wir haben ein relativ schlechtes Netz."
Zudem führe dies zu sozialer Spaltung, warnt auch CDU-Mann Thomas Jarzombek. Wer viel Geld hat, könne sich die schnellste Verbindung leisten. Wer weniger ausgeben kann, lande nur beim alten 3G-Standard. Diejenigen drohten noch weiter abgehängt zu werden, wenn 5G kommt:
"Dienstanbieter sollen die Möglichkeit bekommen, die jeweils neueste Technik anbieten zu können, ansonsten droht in der Tat die Gefahr, dass man in so eine Zwei-Klassen-Netzinfrastruktur zerfällt."
Zuversichtlicher ist der CDU-Politiker, was den Ausbau des Netzes außerhalb großer Städte angeht. Die Bundesnetzagentur verpflichtet die Anbieter, 5G entlang von Autobahnen, Bundesstraßen sowie viel befahrener Bahnstrecken zur Verfügung zu stellen.
Lokale und regionale Vergabe vorgesehen
Vielversprechend ist Jarzombek zufolge außerdem, dass die Bundesnetzagentur ein Viertel der Lizenzen regional und lokal vergeben will, etwa an Unternehmen oder Bildungseinrichtungen wie Universitäten. Diese müssen nicht am teuren Bieterverfahren teilnehmen, sondern können Frequenzen beantragen:
"Und das wird in der Industrie einen regelrechten 5G-Boom auslösen, weil jetzt muss keiner mehr darauf warten, dass ein Mobilfunkanbieter das Firmengelände oder die Fabrikhalle ausstattet, sondern das kann jetzt jeder selbst machen.
Die Erschließung sonst eher unterbelichteter Regionen dürfte dadurch zumindest am einen oder anderen Firmensitz schneller gehen.