Hoffnung und Sorge in Katalonien
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In Spaniens Parlamentswahlkampf dreht sich fast alles um den katalanischen Separatismus. Wenn am kommenden Sonntag "die Rechten gewinnen, wird es sehr kritisch für Katalonien", sagt der katalanische Regionalpräsident Quim Torra. "Denn sie wollen unsere Institutionen abschaffen."
Teilweise seit über eineinhalb Jahren sitzen zwölf katalanische Separatistenführer in spanischen Gefängnissen. Seit einigen Wochen nun läuft der Prozess gegen sie vor dem obersten spanischen Gerichtshof in Madrid – täglich im Fernsehen und im Internet zu verfolgen. Teilweise drohen ihnen hohe Freiheitsstrafen. Genau in diese für viele Katalanen hoch emotionalisierte Situation, fallen die spanischen Wahlen.
"Die politische Situation, mit Präsident Puigdemont im Exil und Politikern im Gefängnis, hat dafür gesorgt, dass die ganze Welt Katalonien kennt, aber unser Verhältnis zur Kultur, zur Literatur, zur Sprache, hat uns schon immer die Kraft und den Grund gegeben, zu existieren", sagt Iolanda Batallé. Sie ist die Direktorin des Instituts Ramon Lull, einer Einrichtung, welche die katalanische Kultur fördert und in die Welt bringt. Am sogenannten St. Jordi-Tag, dem Tag der Rosen und Bücher, feierte ganz Katalonien kürzlich seine Buchkultur, seine Literaten.
"Es ist der Tag, an dem sich alle treffen, um gemeinsam neue Bücher zu entdecken, es ist eine Feier der Liebe, der Literatur, der Bücher", sagt Batallé. "Der St. Jordi-Tag wurde schon lange vor dem Bürgerkrieg begangen, aber in der Zeit der Diktatur wurde die Literatur zum Ausdruck unseres Kampfes. Da wir friedliche Menschen sind, ist es für uns der beste Weg, zu Stift und Papier zu greifen und zu schreiben."
Die Unabhängigkeitsbewegung wächst
Barcelona gilt als die Stadt der Literaten, allein 200 sollen in der katalanischen Hauptstadt leben. Zu ihnen zählt sich auch der Publizist und Schriftsteller Quim Torra, der von dem derzeit im Exil lebenden früheren katalanische Regionalpräsidenten, Carles Puigdemont, als Interimspräsident eingesetzt wurde. Wie Batalle ist auch er der Überzeugung, dass die derzeitige Politik Spaniens, die Unabhängigkeitsbewegung eher stärkt.
"Wichtig für uns ist, dass wir stark genug sind, um zu sehen, dass die Unabhängigkeitsbewegung wächst und wächst und wächst", sagt Torra. Die Wahlen in den vergangenen Jahren hätten das bewiesen und das sei das wichtigste. "Als nationale Minderheit in Spanien können wir die Verfassung nicht ändern, aber wir können zeigen, dass wir hier in Katalonien immer mehr Zuspruch bekommen."
Diese extreme Rechte war immer da
Für den überzeugten Separatisten ist die katalanische Autonomie ein Menschenrecht. Und die Tatsache, dass derzeit zwölf Vertreter der Unabhängigkeitsbewegung im Gefängnis sitzen, nur weil sie die Bürger Kataloniens aufgefordert haben, sich an dem Referendum im Oktober 2017 zu beteiligen, widerspreche dem Menschenrecht auf Selbstbestimmung.
Für Torra handelt es sich um einen rein politisch motivierten Prozess. Dass die Unabhängigkeitsbewegung Parteien wie der rechten Vox mehr Wähler in die Arme treibt, befürchtet er nicht.
"Diese extreme Rechte war immer da", sagt Torra. "Mein Besuch in Portugal hat mir sehr klar gezeigt, dass Portugal einen klaren Schnitt gemacht hat im Bezug auf die faschistische Vergangenheit." In Spanien seien die Strukturen des Franco-Faschismus einfach bestehen geblieben. "Wir sehen das bei den Gerichten, bei der Armee und sogar beim Königshaus, das erklärt vieles", sagt der REgionalpräsident. Allerdings sei die Rechte im Moment sehr gespalten. Deshalb glaube er, dass die Sozialisten bei den Wahlen gewinnen. "Wenn allerdings die Rechten gewinnen, wird es sehr kritisch für Katalonien, denn die wollen all unsere Institutionen abschaffen, aber ich bin mir sicher, dass die Katalonier das nicht akzeptieren werden. Sie werden Widerstand leisten."
Widerstand gegen harte Strafen
Mit starkem Widerstand ist wohl auch für den Fall zu rechnen, dass die Gerichtsprozesse gegen die Separatistenführer mit unverhältnismäßig schweren Strafen enden. Davon ist der katalanisch-britische Schriftsteller Matthew Tree überzeugt: "Die Reaktionen der Menschen in Katalonien wären sicher sehr stark und es wird wahrscheinlich etwas geben wie eine gewaltlose Straßenrevolution."
Es werde einen Generalstreik geben, der sich über zwei Wochen hinziehen könnte. "Und das würde die spanische Wirtschaft so sehr beschädigen und sogar Brüssel auf den Plan rufen, dass Madrid gezwungen wäre, sich an den Verhandlungstisch zu begeben." Und ganz bestimmt werden Tree und seine Schriftstellerkolleginnen und –kollegen wieder zum traditionell friedlichsten Mittel des Protestes greifen: Stift und Papier.