Vor der Wahl: Baden-Württemberg

Von Uschi Götz |
Am 26. März wird in Baden-Württemberg ein neuer Landtag gewählt. Seit über 50 Jahren stellt die CDU den Regierungschef. Dennoch könnte der Wahlausgang durchaus spannend werden: als Stimmungsbarometer für die Zufriedenheit mit der großen Koalition auf Bundesebene und als erste Feuerprobe für den (neuen) CDU-Ministerpräsidenten Günther Oettinger. Er löste erst im April vorigen Jahres den populären "Landesvater" Erwin Teufel ab.
Ein Kameramann bittet Erwin Teufel darum, ein Stück zurückzutreten.

"Das ist ja das Einzige, was ich immer abgelehnt hab', dass man mich auffordert zurückzutreten, ich meine nach der Seite schon ... schon ..."

Der frühere baden-württembergische CDU-Ministerpräsident Erwin Teufel hat gut lachen, er hat seine politische Laufbahn hinter sich. Vor knapp einem Jahr hat er den Chefsessel geräumt, räumen müssen - für Günther Oettinger. Zum Ende der Legislaturperiode verlässt nun auch der Abgeordnete Teufel das Parlament:

"Also wissen Sie, das ist schon ein großer und bedeutender Abschnitt in meinem Leben, der zu Ende geht. Ich bin jetzt länger im Landtag als die Hälfte meines Lebens, mehr als die Hälfte meines Lebens. Aber ich sag Ihnen, dass mir der Abschied aus dem Wahlkreis ... eigentlich noch schwerer fällt als der Abschied vom Parlamentsbetrieb. Also den kenne ich inzwischen in und auswendig; den halten ich für bedeutsam, sonst hätte ich nicht acht Mal kandidiert, aber ... es gibt ein Leben außerhalb des Parlamentsbetriebs."

Sein Nachfolger, der Jurist Günther Oettinger, gilt weniger herzlich und menschennah als sein Vorgänger, der viele Jahre Landesvater genannt wurde. Oettinger sei ein Technokrat, ein Politmanager sagt man über den 52 Jahre alten Teufel-Nachfolger, und er rede häufig schneller als mancher Einheimische denken können. Mit seiner ersten Regierungserklärung dann ließ er nicht nur Baden-Württemberg aufhorchen.

"Wer Baden-Württemberg zukunftsfähig halten will, muss auf die kommende Generation setzen, muss Bedingungen schaffen und weiterentwickeln, die familienfreundlich und kinderfreundlich sind. Wir wollen zum Kinderland Deutschlands werden."

Kinderland, das klingt nach Märchenland. Heiße Luft, wetterte die Opposition, die dann erleben musste, wie die neue Regierung unter Oettinger, trotz kleinerer und größerer Skandale, zunehmend punktete.

Im vergangenen Herbst lud Oettinger über 1000 Kinder zum Kinderfest in die Stuttgarter Regierungszentrale, in die Villa Reitzenstein ein. Vor den Augen der jungen Gäste unterzeichnete er die Urkunde für eine eigene Kinderstiftung. Das darin formulierte Ziel: Kinder sollen in Baden-Württemberg optimale Lebens- und Entwicklungschancen bekommen.

Die Stimmung scheint gut im Land, Oettinger kommt an. In atemberaubender Geschwindigkeit bereist er das Land, produziert täglich neue Ideen wie etwa die, dass ältere Arbeitnehmer auf Lohn verzichten sollen, um ihre Arbeitsplätze zu sichern. Oder er spricht sich für einen späteren Schulbeginn am Morgen aus. Bei einem Thema allerdings stellt sich der Ministerpräsident quer, fordert die Verlängerung der Laufzeiten bestehender Kernkraftwerke.

"Baden-Württemberg ist davon am stärksten betroffen. Das erste große Kraftwerk, dass abgeschaltet werden soll, ist Neckarwestheim in Baden-Württemberg und zwar Ende 2008. Das heißt, in knapp drei Jahren hätten wir 800 Mega-Watt in Baden-Württemberg nicht mehr. Und niemand kann mir sagen, wie man die in Baden-Württemberg ersetzen soll. Das heißt, wir hätten mehr Import, mehr Import Kohle oder mehr Import Strom aus Kernkraft."

Das Thema bleibt ein Dauerbrenner. Oettinger sieht mittlerweile nicht mehr ganz so entspannt aus wie noch zu Beginn seiner Amtszeit. Er verteilt Termine - eng getaktet. Zehn Minuten - auch für Kabinettsmitglieder, mehr ist nicht drin. Schließlich muss die Wahl gewonnen werden; weniger gegen die SPD, mehr gegen den Vorgänger Erwin Teufel. Der war es, der - ehe er vom Thron gestoßen wurde - sich die Alleinherrschaft zutraute. Nun will ihm Oettinger beweisen, dass auch er das Zeug dazu hat.

Aber, das hat Oettinger von der Pike auf gelernt, man muss raus zu den Leuten. Also geht er raus – pausenlos, gerne auch in das katholische Oberland. In d-i-e CDU–Hochburg, in "Teufel-Land". Nirgendwo sonst muss sich Oettinger mehr mit seinem Vorgänger vergleichen lassen.

"Er gibt sich sehr leutselig hier, obwohl er ja in der Presse sonst immer sehr steif rüber kommt, also hier war's eigentlich ein recht positives Bild, das ich jetzt hier mitnehme. Der Herr Teufel war ein Mann von hier, von der Gegend, der war hemdsärmlig der war 'bäurischer' - jetzt nicht negativ gemeint, sondern positiv gemeint und der Herr Oettinger wirkt durchaus elegant und sehr sympathisch."

Doch vor allem in den Städten fehlen der baden- württembergischen CDU die Wähler. Das soll sich ändern: mit einer neuen, modernisierten CDU. Diese verkörperte keiner besser als Oettingers Vertrauter, Sozialminister Andreas Renner. Zum dritten Mal verheiratet, tätowiert und mit einem Ohrring geschmückt - das war manchem Parteifreund zu viel. Zum Aufschrei kommt es, als Renner ankündigt, die Schirmherrschaft für die alljährliche Schwulenparade Christopher Street Day in Stuttgart zu übernehmen. Mit dem "frivolen", karnevalesken Zur-Schau-stellen von sexuellen Neigungen hätten 90 Prozent seiner Fraktion und auch er ein Problem, erklärt CDU-Fraktionschef Stefan Mappus. Renner spricht dennoch:

"Ich möchte sie ganz herzlich grüßen und darf ihnen natürlich als Schirmherr bei der heutigen Eröffnungsgala für den Christopher Street Day die Grüße, meine persönlichen, aber auch die der Landesregierung überbringen. Ihr Fest hat in diesem Jahr eine große Aufmerksamkeit erreicht ... und ich bin mir bewusst, dass daran nicht alle gleichermaßen Freude haben. Dennoch bin ich weiterhin der Auffassung, dass eine demokratische und freiheitliche Gesellschaft wie unsere es aushalten kann und muss, wenn Menschen ihre politischen und gesellschaftlichen Anliegen öffentlich zur Geltung bringen. So lange sie damit nicht gegen die Rechtsordnung oder die Rechte und Gefühle ihrer Mitmenschen verstoßen."

Es ist der Anfang vom Ende der Amtszeit von Sozialminister Renner. Der Auftritt bei dem Fest der Homosexuellen ist der Grund für ein Streitgespräch über familienpolitische Themen seiner Partei. Renner streitet mit dem katholischen Bischof Gebhart Fürst von der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Renner soll Bischof Gebhart Fürst an den Kopf geworfen haben, er möge doch selber zunächst einmal Kinder zeugen.

Der Vorfall liegt bereits ein halbes Jahr zurück, als er kurz vor der heißen Phase des Wahlkampfs öffentlich gemacht wird. Zunächst werden parteiinterne Intrigen vermutet, das "Teufel–Lager" wird verdächtigt. Die Opposition fordert den Rücktritt und kurz darauf auch ein Mitglied der CDU-Landtagsfraktion. Und auch aus der Bundestagsfraktion kommen Rücktrittsforderungen. Renner entschuldigt sich beim Bischof und tritt zurück:

"Sie wissen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe mein Amt mit Leidenschaft und Überzeugung ausgeübt. Ich gehe um Schaden von der Landesregierung, dem Ministerpräsidenten meinem Amt und auch meiner Person abzuwenden, ich denke, das bin ich auch mir selbst und auch meiner Familie schuldig."

Die Welt ist wieder in Ordnung im Ländle. Doch werden die katholischen Wähler in den CDU-Hochburgen nun zur Strafe das Kreuz an anderer Stelle machen?

"Die wo CDU wählen wollen, die wählen die auch und auf das haben die keinen Einfluss." - "Es gibt in jeder Partei ein paar Dackel. - Weg hat er gehört und es wird der CDU schon ein bisschen schaden, also tät ich sagen."

Oettinger kündigt an, trotz des Rücktritts seines Sozialministers den Kurs der programmatischen Erneuerung seiner Partei fortzusetzen. Die erste große Krise ist abgewendet.

Doch wenige Wochen vor der Wahl ist die Ruhe erneut dahin. Zu Jahresbeginn führt der CDU-Innenminister Heribert Rech einen Gesprächsleitfaden ein, der zunächst für einbürgerungswillige Muslime gedacht ist. Frage wie diese sorgen dann für öffentliche Erregung: "Ihr volljähriger Sohn kommt zu Ihnen und erklärt, er sei homosexuell und möchte mit einem Mann zusammenleben. Wie reagieren Sie?"

CDU-Innenminister Heribert Rech: "Es gibt auf die Fragen kein richtig oder falsch, sondern meine Beamten sollen sich ein Bild, ein Gesamtbild von der Persönlichkeit dessen verschaffen, der da vor ihnen steht. Und zwar immer dann, wenn Zweifel an der verfassungstreue des Bewerbers besteht."

Der Fragenkatalog sorgt für Zündstoff - über die Landesgrenzen hinaus. Und im Land wünscht der mitregierende FDP-Koalitionspartner eine Nachbesserung, findet aber, der Leitfaden sei an sich richtig. Nach wochenlanger Diskussion stellt Oettinger in einer Regierungserklärung klar:

"Der Gesprächsleitfaden soll immer dann, und nur dann zur Anwendung kommen, wenn Zweifel an der Bejahung unserer Werteordnung, unserer Verfassung bestehen, und zwar unabhängig von der Religion des Bewerbers. ... Von der Stigmatisierung von Muslimen kann keine Rede sein."

Oettinger betont, ein Gespräch über die Grundwerte der Verfassung stelle keine Diskriminierung dar.

"Es gehört zu den naiven Lebenslügen einer Multi-Kulti-Ideologie und auch von Rot-Grün, dass man geglaubt hat, es genüge, den Menschen, die zu uns kommen, einen deutschen Pass zu geben, und schon seien sie integriert. Integration ist nicht nur ein Papier. Integration muss gelebt und erarbeitet werden."

Die baden-württembergische SPD will die Themen Bildung und Energiepolitik in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes stellen. Doch sie kann in der Situation den Gesprächsleitfaden nicht ignorieren und fordert die Rücknahme des Fragenkatalogs.

Auf einem Wahlparteitag in Stuttgart wirft SPD-Spitzenkandidatin Ute Vogt dem CDU-Innenminister Naivität vor. Mit dem Fragebogen, so Vogt, könne man keine Terroristen fangen:

"Wir haben das oft erlebt in Baden-Württemberg, nicht nur ich, nicht nur meine Vorgänger. Wir haben das häufig gehabt in Wahlkämpfen, dass immer dann, wenn die Union nicht mehr richtig wusste, für was sie positiv einstehen soll, dass sie sich dann auf Felder begeben hat, die am Ende die Rechtsextremen gestärkt haben. Wir werden nicht zulassen, dass es zum Erstarken solcher Kräfte wieder kommt. Und deshalb arbeiten wir für eine Integrationspolitik, die sagt: Beide Seiten sind verpflichtet - die, die ins Land kommen, aber auch wir müssen die Hände reichen zu einem friedlichen Zusammenleben und nicht den sozialen Zusammenhalt im Land gefährden."

Während Günther Oettinger nie den Namen seine Herausforderin nennt, lässt Ute Vogt keine Gelegenheit aus, Ministerpräsident Oettinger scharf zu attackieren. Auf dem Wahlparteitag in Stuttgart erklärt die 41 Jahre alte Spitzenkandidatin der SPD, Oettinger habe nach der Bundestagswahl nicht begriffen, dass die Bürger keine radikalen wirtschaftsliberalen Reformen wollen:

"Baden-Württemberg braucht vieles. Es braucht verantwortungsvolle Politiker, es braucht Menschen mit Werteorientierung, es braucht die Kraft seiner Bürger und Bürgerinnen. Aber was wir nicht brauchen ist einen Mini-Merz, der meint, dass er sich hier aufspielen kann zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Menschen gegeneinander ausspielt, das brauchen wir nicht in unserem Land."

Als Ute Vogt vor fünf Jahren gegen den früheren Ministerpräsidenten Teufel antrat, bekam sie rund 33 Prozent und holte ihre Partei in Baden-Württemberg aus einem historischen Tief. Die CDU, die seit über 50 Jahren im Land den Ministerpräsidenten stellt, kam damals auf nicht ganz 45 Prozent.

Gegen Teufel konnte Ute Vogt noch auf die Attribute jung und frisch setzen, doch das zieht nun nicht mehr unter Günther Oettinger. Oettinger ist 14 Jahre älter, mit einer jungen Frau verheiratet und Vater eines schulpflichtigen Sohnes. Er hat also mit dem Image seines Vorgängers nichts mehr gemein.

Augen zu und durch heißt nun das Motto von Ute Vogt, deren Kandidatur nach dem Rückzug von Parteichef Franz Müntefering kurzfristig auch nicht mehr als sicher galt:

"Wir sind bereit, ich bin bereit, das Steuer zu übernehmen: Baden-Württemberg auf einen klaren Kurs für mehr Gerechtigkeit und für sozialen Zusammenhalt! Dankeschön."

Ende Februar, sechs Wochen vor der Landtagswahl, steht – laut einer Umfrage der "Stuttgarter Zeitung" - die CDU mit 49 Prozent vor der absoluten Mehrheit. Die SPD kommt demnach auf 30 Prozent, die Grünen auf 7 Prozent und die FDP auf 8 Prozent.

Doch es ist eine Umfrage und so darf weiter über mögliche Koalitionen spekuliert werden. Die Grünen distanzieren sich immer mehr von einer Koalition mit der SPD. Rot-Grün habe vor allem wegen der SPD und ihrer Spitzenkandidatin Ute Vogt keine Chance mehr. Der Zauber von Ute Vogt habe sich verflüchtigt, glaubt der Freiburger Grünen-Oberbürgermeister Dieter Salomon. Das sei vor fünf Jahren noch anders gewesen.

"Nicht der alte Mann und das Meer, sondern der alte Mann und die junge Frau. Das war ein toller Kontrast und das hat auch dazu geführt, dass ein Großteil gerade der Grünen-Wählerschaft einfach gesagt hat: Oh, weil es mal 'ne Frau ist – toll! Und den Alten haben wir satt. Also in einem bestimmten Wählersegment war das unheimlich attraktiv, man muss auch nicht vergessen, dass die SPD damals, das weiß heute keiner mehr, das ist fünf Jahre her, bei knapp 40 Prozent - bundesweit - lag, das heißt, eine ganz andere Ausgangsbasis hatte."

Und nun hoffen die Grünen auf eine bessere Ausgangsbasis in den eigenen Reihen, denn, so die Rechnung, der eine oder andere enttäuschte SPD–Wähler könnte die Grünen entdecken oder wieder zurückfinden. Und zwar nur zu den Grünen.

Schwarz–Grün ist vom Tisch, sagt der Spitzenkandidat und Landtags–Fraktionschef, Winfried Kretschmann. Mehr noch: er bezeichnet die Diskussionen um eine schwarz-grüne Koalition als Sandkastenspiele. Der 57-Jährige erklärt sich auf dem Landesparteitag in Backnang:

"Jetzt weiß man natürlich: In jedem Manne ist ein Kind versteckt und man will natürlich auch spielen. … Ich natürlich auch, das ist klar und das ist auch ganz interessant. Es steckt aber auch ein Kern dahinter, weswegen ich gar keine Angst vor diesen Debatten habe. Letztlich zeigen uns diese schwarz-grün Debatten, … niemand hält offensichtlich schwarz–gelb in Baden-Württemberg für einen Knaller."

Ein Knaller für die Grünen könnte Oswald Metzger werden. Der einstige haushaltspolitische Sprecher der Grünen kandidiert im oberschwäbischen Wahlkreis Biberach für den baden-württembergischen Landtag, und seine Chancen stehen nicht schlecht. Zwar konnte Metzger bei der Bundestagswahl mit 14 Prozent der Erststimmen nicht das Direktmandat gewinnen, Metzger weist aber das landesweit beste Erststimmenergebnis eines grünen Politikers auf.

In der Fraktion erwartet man den bisweilen als Querulant bezeichneten Finanzexperten mit gemischten Gefühlen. Landtagsabgeordnete Theresia Bauer:

"Also in der Tat war die Stärke der jetzigen Fraktion unsere Teamfähigkeit, wir haben wirklich sehr gut miteinander gearbeitet. Ich wünsche mir das weiterhin, und Oswald Metzger hat nicht geglänzt bislang als Teamspieler, und da werden wir uns sicher bemühen, dass er da nacharbeitet."

Eigentlich könnten sich die Liberalen, der kleine Regierungspartner der CDU, entspannt zurücklehnen. Aber es gibt von Günther Oettinger kein klares Signal, dass er auch nach dem 26. März, sofern überhaupt notwendig, mit den Liberalen koalieren möchte. Auf dem Parteitag vor dem Dreikönigstreffen sagt FDP-Spitzenkandidat und Justizminister Ulrich Goll:

"Reformen, wie wir sie wollen, sind gegenwärtig nur in einer Koalition mit der CDU möglich, und auch da ereignen sie sich bestimmt nicht von selbst. Manchmal muss der Elefant schon ganz kräftig gekitzelt werden, damit er reagiert."

Doch sollten CDU und FDP die Koalition fortsetzen, wäre das wohl eher eine Zwangsgemeinschaft für beide Seiten. So warf jüngst Goll dem großen Partner vor, dieser werde von der Kirche regiert. Zwar seien die Äußerungen vom zurückgetretenen Minister Renner kritikwürdig gewesen, aber aus Angst und Rücksicht habe man einen guten Mann aus dem Kabinett genommen. Oettinger betreibe eine "Gefälligkeitspolitik", so Goll.

Für die Endphase des Wahlkampfs darf man also gespannt sein, welche Geschütze die FDP noch auffährt. Denn, ebenfalls vor dem Dreikönigtreffen kündigte Goll an:

"Wir werden den Wahlkampf in einer sportlich fairen Konkurrenz mit den Schwarzen führen, aber wir werden ihnen nichts schenken – weder vor der Wahl, noch nach der Wahl."

Viel zu schenken gibt es nicht. Zwei Minister stellt die FDP: den Justiz- und den Wirtschaftsminister. Die Liberalen haben bei der letzten Landtagswahl in ihrem Stammland mit acht Prozent gut abgeschnitten, die jüngste Umfrage geht von einem fast gleichen Ergebnis aus.

Die FDP Baden-Württemberg will künftig in allen Bereichen sparen. Um den Haushalt zu konsolidieren, müssten unter anderem Stellen abgebaut und Ministerien zusammengelegt werden. So könnten das Kultus- und das Wissenschaftsministerium zusammengelegt werden. Auch wären das Umwelt- und das Landwirtschaftministerium zusammenlegbar und das Wirtschaftsministerium zu einem Infrastrukturministerium ausbaubar.

Selbstbewusst erklärt FDP-Generalsekretär Niebel, er sei davon überzeugt, dass die Union allein es nicht schaffen könnte, die Probleme in Baden-Württemberg zu lösen:

"Deswegen braucht sie eine starke FDP, insbesondere auch um die Beharrungskräfte in der Union in die Reformbemühung mit einzubeziehen. Die Grünen und die SPD in Baden-Württemberg sind keine nennenswerte Größe, weil sie wirklich in der Landespolitik keinen Machtanspruch verwirklichen können. Sie sind auch von der Größenordnung her nicht relevant. Deswegen wird es entscheidend sein, in einer Fortsetzung in der Regierung mit der Union einen möglichst starken liberalen Anteil zu haben."

Auch die WASG tritt in diesem Jahr in Baden-Württemberg zur Landtagswahl an. Vor allem Bundespolitiker wie Oskar Lafontaine und Gregor Gysi bestreiten deren Wahlkampf. Aus dem Land selbst kommt ein sechsköpfiges Spitzenteam, dem auch Wilfried Telkämpfer angehört. Er war vor 15 Jahren für die Grünen Vizepräsident des Europäischen Parlaments. Ebenfalls mit dabei: der frühere IBM-Manager und WASG-Wahlkampfleiter, Franz Groll. Nach der Landtagswahl soll dann über eine Fusion von WASG und Linkspartei verhandelt werden.

Im Wahlkampf setzt die Opposition bisweilen darauf, die für sie skandalösen Rücktritte der CDU/FDP Regierung zu thematisieren. Die Vorstellung eigener programmatischer Entwürfe kommt dabei bisweilen zu kurz. Immer lauter wirft deshalb die Opposition Oettinger vor, er setze keine Schwerpunkte.

Genau umgekehrt war es noch im letzten Landtagswahlkampf im Jahr 2001. Damals verzichtete die SPD auf ein richtiges Programm. Ute Vogt war das Programm – die junge Politikerin trat gegen den beschaulichen CDU-Landesvater Erwin Teufel an. Die CDU kam bei der letzten Landtagswahl auf 44, 8 Prozent und regiert seither in einer Koalition mit der FDP das Ländle.