Im Baltikum herrscht Misstrauen gegen Russland
Die osteuropäischen Länder eint der Wunsch nach einer stärkeren Militärpräsenz. Denn trotz der Bereitschaft Moskaus zum NATO-Russland-Treffen lässt sich auf russischer Seite keinerlei Wille zum Dialog oder zur Kooperation ausmachen.
Nur wenige Tage nach den Scheinangriffen russischer Kampfflieger auf das US-Marineschiff in der Ostsee berichtet die polnische Tageszeitung "Gazeta Polska Codziennie" über einen neuen Zwischenfall, bei dem russische Hubschrauber in polnischen Luftraum eingedrungen sind und in sehr niedriger Formation flogen. Der Senator Jan Maria Jackowski von der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit:
"Vor allem muss man das Ganze im Kontext des NATO-Gipfels im Juli und des Treffens auf Botschafterebene diese Woche sehen: Russland demonstriert seine Aktivität und auch Aggressivität, in einem Maße, dass sogar der amerikanische Außenminister Kerry zugab, dass das ganze sogar zu Schusswechseln hätte führen können."
Weil Russland seit Jahren das Hoheitsgebiet der baltischen Länder verletzt, wechseln sich seit 2004 die NATO-Länder in einem rotierenden System beim air-policing, der Luftraumüberwachung ab. Für die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite, die heute Bundespräsident Gauck und Kanzlerin Merkel bei ihrem Staatsbesuch in Berlin trifft, hat die simulierte Attacke vor dem litauischen Hafen von Klaipedia eine neue Qualität erreicht, wie sie unserem Sender gegenüber erklärte.
"Das Verhalten Russlands im Baltikum und auch gegen Länder, die nicht Mitglied der NATO sind wie Schweden zeigt, dass sich Russland international geschwächt fühlt und immer noch seine Fähigkeiten mit Gewalt demonstriert. Russland will gewaltsam an den Tisch der westlichen Kräfte zurückkehren, durch Aggression. Denn dieser Versuch, den Zugang des amerikanischen Schiffs der US-Flotte zu verhindern, ist ein neues Phänomen, dem wir uns stellen müssen. Militärisch gesehen bleibt Russland die größte Bedrohung."
Wieder Wehrpflicht in Litauen
Litauen hat die Wehrpflicht wieder eingeführt und erleichtert auf die Ankündigung des amerikanischen Verteidigungsministeriums reagiert, im kommenden Jahr eine Panzerbrigade nach Osteuropa zu entsenden. Der Wunsch nach stärkerer Militär-Präsenz vereint die osteuropäischen Länder, denn auch wenn Moskau zu dem heutigen NATO-Russland-Treffen bereit ist, kann die Staatspräsidentin von Litauen auf russischer Seite keinerlei Wille zum Dialog oder zur Kooperation ausmachen.
"Nein. Weil Russland nicht das Ziel hat, globale Probleme zu lösen. Sie wollen zeigen, dass sie wichtig sind. Wir haben unsere Erfahrungen mit Russland und glauben nicht, was sie sagen. Wir beobachten, was sie tun und bewerten ihr Verhalten anhand der Fakten. Ich kann nicht sehen, dass sich Russland auf den Westen zubewegt, vor allem wegen der jüngsten Ereignisse. Russland hat sich demonstrativ aggressiv verhalten gegenüber NATO-Verbündeten, gegen westliche Länder. Sie zeigten, dass sie irritieren und gegen alle internationalen Verträge und Vereinbarungen verstoßen wollen."
Der polnische Amtskollege Duda gab sich im Ton etwas versöhnlicher: Russland solle nicht isoliert sein, sagte er bei einem Besuch in der bulgarischen Hauptstadt Sofia zu Wochenbeginn. Doch ähnlich wie die Staats- und Regierungschefs von Litauen, Estland und Lettland forderte Andrej Duda die NATO-Verbündeten auf, die Präsenz in Zentral- und Osteuropa auszuweiten und in Gesprächen mit Moskaus Vertretern Charakter zu zeigen.
Russland teste, ob die Allianz schwach und ängstliche sei oder stark und unerschrocken bei der Verteidigung der Territorien seiner Mitgliedsländer.