Vorbild der Paparazzi
Ob die Schauspieler Dean Martin und Marlene Dietrich oder den Rock-Musiker Mick Jagger: Der New Yorker Fotograf Ron Galella hat sie alle vor die Kamera bekommen. Mit detektivischem Spürsinn bekam er stets heraus, wo sich die Stars aufhielten.
Ron Galella, 1931 in New York geboren; durch Zufall kommt er zur Fotografie, bildet sich autodidaktisch aus - und beginnt sehr früh schon, Prominente zu fotografieren. Sein ganzes Leben lang wird er sie begleiten, wird bestimmte Stars immer wieder treffen. Die Karriere von Michael Jackson etwa: Ron Galella fotografiert den kleinen Michael inmitten der "Jackson Five", später den glanzvoll posierenden Superstar, am Ende seiner Karriere hält sich Michael Jackson einen Hut vors Gesicht.
Ron Galella ist kein Paparazzi heutigen Stils, der vom Dach aus mit Teleobjektiv fotografiert oder Prominenten hinter Hecken auflauert. Nein, er lebte in dieser Welt der Prominenz, vor allem der 70er- und 80er-Jahre - ohne selber prominent zu sein. Der Kurator der Ausstellung, Felix Hoffmann:
"Aus dieser Masse der anonymen Fotografen gibt es ja ganz wenige, die überhaupt den Weg schaffen an die Öffentlichkeit, und wir haben uns für die Ausstellung entschlossen, weil das ja jemand ist, der über 40 Jahre fotografiert hat und seinem Genre treu geblieben ist. Und diese Stringenz, also sich so lang mit dem Thema Paparazzi-Fotografie auseinanderzusetzen in der westlichen Welt, also das ist ja hauptsächlich New York und Europa, wo er fotografiert, ist das, wo ich schon finde, dass da eine ganz bestimmte Handschrift dahintersteckt, die einen begeistern kann."
Mit detektivischem Spürsinn bekam Ron Galella stets heraus, wann welcher Star wo sein würde. Vier Kapitel hat die Ausstellung, sie zeigt die Welt des Films, des Adels, der Kunst und der Musik: Dean Martin und Frank Sinatra, beide im Smoking, genehmigen sich - scheinbar unbeobachtet - während eines Konzerts einen Whisky. Liz Taylor, in großer Abendrobe, schaut den Betrachter grimmig an. Marlene Dietrich, erschöpft und doch - bei aller Privatheit des Bilds - unverkennbar: "die Dietrich".
Ron Galella komponiert seine Bilder nicht; er hält einfach drauf: Was ihn auszeichnet, ist vor allem die Frechheit, mit der er sich den Objekten seiner Begierde nähert. Eigentümlich dabei ist, dass dennoch nur wenige Fotos den Eindruck vermitteln, als wären sie ohne Absprache mit dem Fotografen aufgenommen worden. Die meisten der - ungewollt - Fotografierten posieren gleichwohl, als gäbe es da eine heimliche Komplizenschaft.
"Das sind immer zwei Seiten der Medaille. Also auf der einen Seite wurden die Rolling Stones auch durch die Paparazzi-Fotografie gemacht, da entstand der Hype damals, der frühen Pop-Musik, also Mick Jagger als Galionsfigur der Gruppe ist einfach rauf und runter fotografiert worden in den 70er-Jahren und dann fängt er natürlich an einem bestimmten Punkt auch an, darunter zu leiden. Und genau so ist es mit Jacky Kennedy-Onassis gewesen. Die am Anfang als Präsidentengattin sich immer im Licht der Fotografen gerne gesonnt hat und das auch irgendwie ihr Ego befriedigt hat und auf der anderen Seite war es dann irgendwann zu viel und sie hat angefangen, gegen bestimmte Fotografen zu klagen."
Momente, in denen es "zu viel" wird, zeigt die Ausstellung auch, und es sind verräterischerweise diese Bilder, die auch den heutigen Betrachter am meisten interessieren: Jacqueline Kennedy-Onassis, die vor dem Fotografen davonrennt. Greta Garbo, die sich auf der Straße mit einem Taschentuch vor dem Gesicht zu schützen versucht. Sean Penn, der in voller Wut einen am Bildrand erkennbaren Fotografen mit der Faust regelrecht aus dem Bild drischt. Mick Jagger, der in die Kamera schreit. Aggressiv wirkt dieser Schrei, aber - ist er es auch wirklich? Kurator Felix Hoffmann:
"Dieser Schrei von Mick Jagger, wo man im ersten Moment das Gefühl hat, das ist ein Schrei in die Kamera, und auf der anderen Seite ist es aber auch schon ein Schrei, der posiert, also der für die Kamera auch gemacht ist. Und dieser Schrei entlarvt sich nicht in dem Gesicht von Mick Jagger, sondern er entlarvt sich am Lächeln von Jerry Hall, die ganz entspannt neben dem neuen Partner sitzt und die ganz genau weiß, dass der Paparazzi-Fotograf ihr hilft, den Status als neue Partnerin von Mick Jagger zu untermauern. Weil in dem Moment, wo die Medien diese Beziehung zu Tage fördern, passiert quasi das, was sie will: Sie will Mick Jagger haben. Und es ist der Paparazzi-Fotograf, der das untermauert."
Ein außergewöhnlicher Fotograf, ein "Paparazzo Extraordinaire" war Ron Galella ganz gewiss. Doch wollen seine Bilder keine "Kunst" sein, sie entlarven nichts, zeigen nur wenig, was man nicht schon so oder so ähnlich gesehen hätte.
Faszinierend wird der Rundgang dadurch, dass er den Besucher selber zum sensationslüsternen Paparazzo macht. Zwar empfindet man durchaus ein gewisses Mitleiden mit den Stars, denen Privatheit nicht wirklich vergönnt war oder ist - stärker aber ist wirkt das enttäuschte Gefühl nach, dass man so gerne noch Privateres gesehen hätte. Und darüber ist man dann verwundert - und auch ein wenig erschrocken.
Service:
Die Ausstellung ist vom 10. Dezember 2011 bis 26. Februar 2012 in der C/O-Galerie Berlin zu sehen.
Ron Galella ist kein Paparazzi heutigen Stils, der vom Dach aus mit Teleobjektiv fotografiert oder Prominenten hinter Hecken auflauert. Nein, er lebte in dieser Welt der Prominenz, vor allem der 70er- und 80er-Jahre - ohne selber prominent zu sein. Der Kurator der Ausstellung, Felix Hoffmann:
"Aus dieser Masse der anonymen Fotografen gibt es ja ganz wenige, die überhaupt den Weg schaffen an die Öffentlichkeit, und wir haben uns für die Ausstellung entschlossen, weil das ja jemand ist, der über 40 Jahre fotografiert hat und seinem Genre treu geblieben ist. Und diese Stringenz, also sich so lang mit dem Thema Paparazzi-Fotografie auseinanderzusetzen in der westlichen Welt, also das ist ja hauptsächlich New York und Europa, wo er fotografiert, ist das, wo ich schon finde, dass da eine ganz bestimmte Handschrift dahintersteckt, die einen begeistern kann."
Mit detektivischem Spürsinn bekam Ron Galella stets heraus, wann welcher Star wo sein würde. Vier Kapitel hat die Ausstellung, sie zeigt die Welt des Films, des Adels, der Kunst und der Musik: Dean Martin und Frank Sinatra, beide im Smoking, genehmigen sich - scheinbar unbeobachtet - während eines Konzerts einen Whisky. Liz Taylor, in großer Abendrobe, schaut den Betrachter grimmig an. Marlene Dietrich, erschöpft und doch - bei aller Privatheit des Bilds - unverkennbar: "die Dietrich".
Ron Galella komponiert seine Bilder nicht; er hält einfach drauf: Was ihn auszeichnet, ist vor allem die Frechheit, mit der er sich den Objekten seiner Begierde nähert. Eigentümlich dabei ist, dass dennoch nur wenige Fotos den Eindruck vermitteln, als wären sie ohne Absprache mit dem Fotografen aufgenommen worden. Die meisten der - ungewollt - Fotografierten posieren gleichwohl, als gäbe es da eine heimliche Komplizenschaft.
"Das sind immer zwei Seiten der Medaille. Also auf der einen Seite wurden die Rolling Stones auch durch die Paparazzi-Fotografie gemacht, da entstand der Hype damals, der frühen Pop-Musik, also Mick Jagger als Galionsfigur der Gruppe ist einfach rauf und runter fotografiert worden in den 70er-Jahren und dann fängt er natürlich an einem bestimmten Punkt auch an, darunter zu leiden. Und genau so ist es mit Jacky Kennedy-Onassis gewesen. Die am Anfang als Präsidentengattin sich immer im Licht der Fotografen gerne gesonnt hat und das auch irgendwie ihr Ego befriedigt hat und auf der anderen Seite war es dann irgendwann zu viel und sie hat angefangen, gegen bestimmte Fotografen zu klagen."
Momente, in denen es "zu viel" wird, zeigt die Ausstellung auch, und es sind verräterischerweise diese Bilder, die auch den heutigen Betrachter am meisten interessieren: Jacqueline Kennedy-Onassis, die vor dem Fotografen davonrennt. Greta Garbo, die sich auf der Straße mit einem Taschentuch vor dem Gesicht zu schützen versucht. Sean Penn, der in voller Wut einen am Bildrand erkennbaren Fotografen mit der Faust regelrecht aus dem Bild drischt. Mick Jagger, der in die Kamera schreit. Aggressiv wirkt dieser Schrei, aber - ist er es auch wirklich? Kurator Felix Hoffmann:
"Dieser Schrei von Mick Jagger, wo man im ersten Moment das Gefühl hat, das ist ein Schrei in die Kamera, und auf der anderen Seite ist es aber auch schon ein Schrei, der posiert, also der für die Kamera auch gemacht ist. Und dieser Schrei entlarvt sich nicht in dem Gesicht von Mick Jagger, sondern er entlarvt sich am Lächeln von Jerry Hall, die ganz entspannt neben dem neuen Partner sitzt und die ganz genau weiß, dass der Paparazzi-Fotograf ihr hilft, den Status als neue Partnerin von Mick Jagger zu untermauern. Weil in dem Moment, wo die Medien diese Beziehung zu Tage fördern, passiert quasi das, was sie will: Sie will Mick Jagger haben. Und es ist der Paparazzi-Fotograf, der das untermauert."
Ein außergewöhnlicher Fotograf, ein "Paparazzo Extraordinaire" war Ron Galella ganz gewiss. Doch wollen seine Bilder keine "Kunst" sein, sie entlarven nichts, zeigen nur wenig, was man nicht schon so oder so ähnlich gesehen hätte.
Faszinierend wird der Rundgang dadurch, dass er den Besucher selber zum sensationslüsternen Paparazzo macht. Zwar empfindet man durchaus ein gewisses Mitleiden mit den Stars, denen Privatheit nicht wirklich vergönnt war oder ist - stärker aber ist wirkt das enttäuschte Gefühl nach, dass man so gerne noch Privateres gesehen hätte. Und darüber ist man dann verwundert - und auch ein wenig erschrocken.
Service:
Die Ausstellung ist vom 10. Dezember 2011 bis 26. Februar 2012 in der C/O-Galerie Berlin zu sehen.