The Drop
USA 2014, Regie: Michaël R. Roskam, Darsteller: James Gandolfini, Tom Hardy, Noomi Rapace - 107 Minuten
Düstere Welten
In "Vorgespult" geht es um drei Filme, in denen die Atmosphäre der Orte viel über die Menschen erzählt. Und Regisseur Ulrich Seidl beweist: Das Leben in Brooklyn ist auch nicht verrückter als im Burgenland.
"Ich wurde respektiert, ich wurde gefürchtet. Wenn ich irgendwo reinkam, haben die Leute sich aufgerichtet, die haben sich aufgesetzt, zu mir aufgesehen. Was hast Du je gehabt?"
Marv erzählt seinem Cousin Bob wieder mal von seiner Vergangenheit als führender Gangsterboss in Brooklyn. Diese Zeit ist längst vorbei, jetzt muss Marv für die Tschetschenen-Mafia arbeiten, die sogar seine eigene Kneipe übernommen hat und als Gelddepot nutzt. Cousin Bob ist das egal, der schweigsame Einzelgänger arbeitet hier als Barkeeper und lässt stoisch alles an sich abprallen. Bis zu jener Nacht, als er einen verletzten Hundewelpen findet - und Rat bei seiner Nachbarin sucht:
"Was geben Sie ihm für einen Namen?"
"Naja, ich dachte da vielleicht so an Rocco. Mir gefällt der Name Rocco, aber dann dachte ich: Mike."
"Mike?"
"Lieber nicht Mike?"
Überraschende Wendungen und zwielichtige Figuren
Die beiden kommen sich näher, und erstmals wird der so hart wie sensibel wirkende junge Mann aus der Einsamkeit gerissen. Und noch ein Ereignis verändert sein Leben: Eines Nachts wird die Bar überfallen und das Gelddepot ausgeraubt. Merkwürdigerweise scheint sich Cousin Marv gar nicht besonders dafür zu interessieren. "The Drop", der erste Hollywood-Film des belgischen Regisseurs Michael Roskam, entwickelt sich in ruhigem Tempo zum düsteren Thriller mit überraschenden Wendungen und zwielichtigen Figuren nach Art des Film Noir. Aber es ist weniger die eher einfach gestrickte Geschichte, die den Film so anziehend macht, sondern vielmehr die atmosphärische Zeichnung dieser verwahrlosten Welt, die Roskam fast körperlich spürbar ins Bild setzt.
Und mit instinktiv wirkender Sicherheit funktioniert das intensive Zusammenspiel von Tom Hardy als Bob und James Gandolfini als Marv. Der voriges Jahr verstorbene Hauptdarsteller der Serie "Sopranos" ist hier in seiner letzten Rolle zu sehen.
Überraschende Wendungen gibt es auch in Paul Haggis' Episodendrama "Dritte Person". In Paris versucht ein gefeierter Schriftsteller, gespielt von Liam Neeson, seinen nächsten Roman fertig zu schreiben. Keine große Hilfe dabei ist die anstrengende junge Geliebte:
"War blöd von mir, tut mir leid."
"Die drei abgenutztesten Worte Deines Vokabulars."
"Anna, es wäre schön, wenn Du nicht immer so aggressiv wärst."
"Behandelt man jemanden so, den man liebt? Du weißt ja nicht mal, was das Wort bedeutet."
"Anna."
"Rühr mich nicht an. Zieh ruhig los und such Dir eine, mit der Du mich betrügen willst."
"Hör auf!"
Eine Amour fou in Paris
Mal kracht es, mal schnackelt es – eine Amour fou in Paris. In der zweiten Geschichte geht es um einen Amerikaner in Rom, der sich in eine Roma-Frau verliebt, deren Tochter angeblich entführt wurde. Und in der dritten Parallelhandlung versucht eine New Yorker Schauspielerin, der das Sorgerecht entzogen wurde, verzweifelt, ihr Kind wiederzusehen – was ihr Ex-Mann, gespielt von James Franco, verhindern will.
Wie in seinem Oscarprämierten Film "L.A. Crash" verbindet Haggis auch hier mehrere Handlungsstränge durch einen – zunächst – unsichtbaren Faden. Aber trotz Starbesetzung und viel Drama sind die klischeehaften Figuren nicht annährend so interessant und lebendig, dass man es bis zur Auflösung des Rätsels aushalten würde.
Dritte Person
Belgien, Deutschland, Großbritannien, USA, 2013, Regie: Paul Haggis, Darsteller: Liam Neeson, Maria Bello, Olivia Wilde - 137 Minuten
Absolut lebendig sind dagegen die Protagonisten in Ulrich Seidls Dokumentarfilm "Im Keller". Der Regisseur hat in Österreich recherchiert, was Leute so im unsichtbaren Teil ihrer Häuser treiben und dabei erstaunliche Parallelwelten entdeckt. Zum Beispiel einen Herrn, der sich die Wände mit Nazi-Devotionalien zuhängt:
"Das Hitlerbild da hinter mir, das habe ich zur Hochzeit bekommen, von meinen Kollegen und von meinen Kameraden. Es war das schönste Hochzeitsgeschenk, dass ich bekommen habe."
Gesang unter Hakenkreuzfahnen
Beim Kameradschaftstreffen singt man unter Hakenkreuzfahnen – ein Journalist hat in dieser Filmszene übrigens zwei ÖVP-Politiker entdeckt. Außer Neonazis zeigt der Film auch Menschen, die Riesenschlangen, Modelleisenbahnen oder Sex-Folterkammern im Keller haben:
"Also, hier im Schlafzimmer, da ist eher der zärtliche Bereich. Wenn ich jetzt aber wirklich sehr dominant sein will, dann geh ich mit ihm in den Keller. Weil der Keller, der ist eingerichtet nach meinen Vorstellungen, den hat mein Ehesklave einrichten dürfen."
Wie immer bei Seidl werden die Menschen nicht einfach nur gefilmt, sondern in ihrer Umgebung wie Stillleben inszeniert. Das lässt sie skurril, aber auch selbstverständlich wirken – und damit für den Zuschauer extrem konfrontativ. Eins macht Seidls Film deutlich: Im Keller richten sich viele Menschen das eigentliche Leben ein – das Abnormale beginnt für sie dagegen im Obergeschoss.
Im Keller
Österreich, 2014, Regie: Ulrich Seidl, 82 Minuten