"The Hunger Games - Mockingjay 2", USA 2015
Regie: Francis Lawrence; Darsteller: Jennifer Lawrence, Josh Hutcherson, Liam Hemsworth, Woody Harrelson, 137 Minuten
Ein bemerkenswert düsterer Teenie-Blockbuster
Mit "Mockingjay 2" kommt der letzte Teil der Science-Fiction-Saga "Die Tribute von Panem" in die Kinos. Ein sehenswerter Film, der überraschend düster geraten ist, meint unser Rezensent. Mit "Herr von Bohlen" und "Diary of a Teenage Girl" laufen zwei Filme an, die Jugendliche porträtieren, deren Lebensweg kaum unterschiedlicher sein könnte.
"Unsere Zukunft beginnt morgen bei Tagesanbruch, wenn wir gemeinsam ins Kapitol marschieren!"
Die Rebellion ist auf dem Vormarsch. "Mockingjay 2", der letzte Teil des Science-Fiction-Vierteilers "Die Tribute von Panem", bringt die Entscheidungsschlacht. Der Aufstand richtet sich gegen das Kapitol – das Zentrum des Zukunftsstaates Panem, für das die ausgebeuteten Massen nicht nur Sklavenarbeit leisten, sondern auch Jugendliche aus ihren Reihen für tödliche Gladiatorenspiele stellen müssen. Katniss, die Siegerin der letzten Spiele, hatte sich den Regeln widersetzt und damit eine Rebellion ausgelöst. Und es begann ein Krieg, den man nun vor allem über Bilder führt - Katniss und ihre Kameraden werden mit Videoclips zu Gesichtern der Rebellion stilisiert:
"Jeder von euch ist auf seinem Kampfgebiet Spitze. Wir sind aber keine kämpfende Einheit, wir folgen den den Fronttruppen im Abstand von einigen Tagen. – Ihr werdet die Gesichter des Einmarsches auf dem Bildschirm sein. Auch Startroop genannt. Es wurde entschieden, dass ihr am meisten nützt, wenn die Massen euch sehen. – Das heißt, wir kämpfen nicht? – Ihr befolgt Befehle, Soldat, es ist nicht eure Aufgabe, Fragen zu stellen."
Die eigensinnige Katniss wird sich den Befehlen der Rebellenführung widersetzen, denn die gleicht sich mehr und mehr der totalitären Diktatur an. In "Die Tribute von Panem – Mockingjay 2" trifft modernes Blockbusterkino auf eine Dystopie im Stil von "1984" und "Metropolis". Mit erstaunlich ruhigem Ton inszeniert Regisseur Francis Lawrence den letzten Teil der Kinoreihe als Parabel über die Manipulation politischer Ideale – die Pläne der Präsidentin der Rebellen, Coin, gespielt von Julianne Moore, erweisen sich als ebenso kaltblütig wie die des Kapitols. Die charismatische Jennifer Lawrence spielt Katniss als müde gewordene Kriegerin, die sich am Ende – wie alle großen Helden – den Siegern entzieht. Für einen Teenie-Blockbuster eine bemerkenswert dunkle Erzählung.
Als Firmenchef ungeeignet, weil er homosexuell war
Von düsteren Erfahrungen ist auch das äußerlich glanzvolle Leben des exzentrischen Helden im deutschen Doku-Spielfilm "Herr von Bohlen" gezeichnet. Arndt von Bohlen und Halbach war der letzte Krupp-Erbe, in den Sechzigerjahren drängte man ihn gegen eine Abfindung zum Erbverzicht, um das krisengeschüttelte Krupp-Unternehmen in eine Stiftung zu überführen. Der ungeliebte, homosexuelle Sohn schien als Firmenchef ungeeignet, wie sein Onkel in einem Interview ausführte:
"Es waren Zweifel, ob Arndt bei seiner Erziehung und seiner Vorbildung, seiner Veran..., seinem Charakter in der Lage war, ein so riesen Unternehmen verantwortlich in die Hand zu nehmen."
Arndt führte fortan ein glamouröses Jet-Set-Leben, litt aber unter der gesellschaftlichen und familiären Geringschätzung. Dokumentarfilmer André Schäfer hat dieses schillernd-tragische Leben in eine muntere Collage aus vielsagenden Originalaufnahmen, unter anderem aus der Nazi-Zeit, Interviews und Spielszenen verwandelt. Das ist zwar sehr subjektiv und spekulativ geraten, dabei aber charmant erzählt und durchaus erhellend, was den Umgang der Krupp-Dynastie mit den jeweiligen politischen Systemen und mit den schwarzen Schafen der Familie betrifft.
"Herr von Bohlen", Deutschland/ Frankreich 2015
Regie: André Schäfer; Darsteller: Arnd Klawitter, Arne Gottschling, 90 Minuten
Minnie ist Opfer und Täterin zugleich
Mit einem strengen Haushalt wie bei den Krupps hat die 15-jährige Heldin des amerikanischen Films "The Diary of a Teenage Girl" keineswegs zu kämpfen. Es ist das Jahr 1976 in San Francisco und Minnies alleinerziehende Mutter lebt ein lockeres Hippie-Leben. Inmitten dieses Chaos ist Minnie dabei, ihre Sexualität zu entdecken, und verliebt sich ausgerechnet in den jungen Freund der Mutter, den gutaussehenden, von Alexander Skarsgård, gespielten Monroe. Der zögert zunächst, aber dann hat Minnie mit ihm den ersten Sex ihres Lebens. Stolz erzählt sie es ihrer Freundin:
"Du hast jemanden gebumst? – Woher weißt Du das? – Ich freu mich für Dich. Wer ist es? – Na los, rate. – Ist es jemand, den ich kenne? – Ja. – Warte mal, war es Monroe? Oh, mein Gott, Minnie, das ist ja krank. – Findest Du ihn denn nicht auch süß? – Nein, ich find ihn nicht süß. Und er schläft mit Deiner Mum!"
Monroe macht immer wieder halbherzige Versuche, die Affäre zu beenden, doch Minnie möchte mehr. Regisseurin Marielle Heller hat die gleichnamige Romanvorlage mit sensiblem Gespür für den heiklen Stoff inszeniert. "The Diary of a Teenage Girl" erzählt atmosphärisch, unaufdringlich und auch humorvoll von Minnies Lebenswelt, ohne die verstörenden Erlebnisse des Mädchens zu verharmlosen. Minnie versucht offensiv, mit ihren verwirrten Gefühlen zurecht zu kommen, und beginnt sich auszutoben. Sie ist nicht nur Opfer, aber spürbar sind die Verletzungen, die sie durch das kaum fassbare Verhalten der Erwachsenen erleidet. Diese Ambivalenz macht den toll gespielten Film, der auf der diesjährigen Berlinale ausgezeichnet wurde, zum ungewöhnlich glaubwürdigen Pubertätsdrama.
"The Diary of a Teenage Girl", USA 2015
Regie: Marielle Heller; Darsteller: Bel Powley, Kristen Wiig, Alexander Skarsgård, Christopher Meloni