Vorgespult

Filmhelden in Existenzkrisen

Christian Bale als Rick in einer Szene des Films "Knight of Cups" von Terrence Malick
Christian Bale als Rick in einer Szene des Films "Knight of Cups" von Terrence Malick © Studiocanal Filmverleih
Von Christian Berndt |
Persönliche Krisen sind das Leitmotiv der Filmstarts kommende Woche. In "Knight of Cups" von Terrence Malick zweifelt ein erfolgreicher Hollywoodregisseur an seinem Glamourleben. Vier tapfere Ägypterinnen blicken in der Doku "Private Revolutions" auf den Arabischen Frühling zurück. "Rot und Blau" erzählt die wechselvollen Verwicklungen an einer Schule in Rom.
"All die Jahre lebe ich das Leben eines Menschen, den ich gar nicht kenne."
Ein Mann in der Lebenskrise. Rick ist ein erfolgreicher Hollywoodregisseur, der unter den besten Filmangeboten auswählen kann, sich auf den angesagtesten Partys herumtreibt und umschwärmt wird von den tollsten Frauen. Aber er spürt, dass etwas fehlt. Wie ein Fremder läuft Rick, den Christian Bale als coolen Loner verkörpert, durch die exzentrische Glamourwelt Hollywoods, und dringt in den Auseinandersetzungen mit seinem Vater und dem Bruder in die Vergangenheit seiner schwer traumatisierten Familie ein. An seinen Selbstzweifeln ist auch die Ehe mit Nancy, gespielt von Cate Blanchett, zerbrochen.
"Du bist so anders in letzter Zeit. Was ist mit Dir los? – Ich kann mich nicht erinnern, wer ich sein wollte."
Wie üblich beim großen Philosophen des amerikanischen Kinos Terrence Malick ist auch "Knight of Cups" nicht erzählerisch, sondern meditativ angelegt – in seinen Filmen kommentieren Reflexionen aus dem Off die grandiosen Bildkompositionen. Hier allerdings lässt sich hinter den erlesenen Aufnahmen aus der Glanzwelt Hollywoods beim besten Willen keine tiefere Wahrheit entdecken.
War es Malick etwa in dem in Cannes als besten Film prämierten Meisterwerk "Tree of Life" von 2011 gelungen, einen gewaltigen Erzählbogen von der Erschaffung der Welt bis ins Amerika der 50er Jahre zu spannen und dabei eine Familiengeschichte mit kosmologischer Welterzählung zu verbinden, wirkt der philosophische Überbau in "Knight of Cups" banal.
Die Einsicht, dass man inmitten der amüsiersüchtigen Film-Meute Hollywoods den Bezug zum wirklichen Leben verlieren kann, wirkt wenig originell - auch wenn Rick so tiefsinnig dreinschaut, dass sogar Stripperinnen bei seinem Anblick anfangen zu philosophieren. Spätestens dann wird aus der starbesetzten Sinnsuche prätentiöser Edelkitsch.

Knight of Cups
USA 2015 - Regie: Terrence Malick, Darsteller: Christian Bale, Cate Blanchett, Natalie Portman, Imogen Poots, Antonio Banderas, Isabel Lucas, Armin Mueller-Stahl - 118 Minuten

Anders als in "Knight of Cups" haben die Heldinnen des Dokumentarfilms "Private Revolutions" echte Probleme. Die österreichische Regisseurin Alexandra Schneider hat fast zwei Jahre lang politisch aktive Frauen in Ägypten während des Arabischen Frühlings und danach filmisch begleitet. Amani hat ein Internetradio gegründet, das die Unterdrückung der Frauen thematisiert. Fatema ist als Mitbegründerin der Partei der Muslimbrüder aktiv, und Sharbat sieht sich wegen ihrer Aktivitäten Anfeindungen bei Nachbarn und Familie ausgesetzt:
"Ich habe auch große Probleme mit meinem Mann, weil ich an den Demonstrationen teilnehme. Er sagt: 'Nimm die Kinder mit. Wenn Du stirbst, sterbt ihr alle zusammen, dann habe ich meine Ruhe."
Alexandra Schneider lässt die gegensätzlichen Frauen – von der emanzipierten Amani bis zur tief religiösen Fatema - unkommentiert agieren. Und aus dieser ganz persönlichen Perspektive entwickelt sich ein erstaunliches Gesellschaftsporträt. Ob in Debatten auf dem Tahrirplatz oder Diskussionsrunden, in denen auch sehr junge Männer mit Unverständnis auf die Forderungen der Frauen reagieren:
"Mein Vater hatte drei Frauen und meine Mutter, war damit einverstanden. Als er die Vierte heiratete, konnten die anderen nichts machen. Das ist das Gesetz. Ihr müsst die Realität akzeptieren."
"Private Revolutions" begleitet die Frauen von der Euphorie des Aufbruchs bis zur Ernüchterung über die erneute Unterdrückung nach dem Ende des Arabischen Frühlings. Resignierten Schmerz, aber auch ungebrochene Zuversicht lässt diese schillernd-bunte Dokumentation den Zuschauer hautnah spüren – ein großartiges Zeitporträt, von dem man sich eine Fortsetzung wünscht.

Private Revolutions - Jung, Weiblich, Ägyptisch
Österreich 2014 - Regie: Alexandra Schneider, Darsteller: Sharbat Abdullah, Fatema Abouzeid, May Gah Allah, Amani Eltunsi - 98 Minuten
Filmhomepage

Melancholie und trotziger Optimismus durchzieht auch den italienischen Film "Rot und Blau". An einer Schule in Rom liegt einiges im Argen: Die Direktorin muss morgens das Klopapier für die Schultoiletten selbst mitbringen, Lehrer verzweifeln an der scheinbaren Vergeblichkeit ihres Tuns. Aber auch die Jugendlichen haben ernste Probleme, Enrice übernachtet heimlich in der Turnhalle, weil seine Mutter abgehauen ist.
Der italienische Regisseur und Liebhaber der melancholischen Töne Giuseppe Piccioni zeigt auch in seinem neuen Film Menschen in der Krise, die nicht mehr viel vom Leben erwarten – und dann doch plötzlich von der Wirklichkeit überrascht werden. Etwa als die abgeklärte Direktorin den obdachlosen Enrice entdeckt und sich entgegen ihrer Prinzipien privat um den Problemschüler kümmert.
Die unterschiedlichen Erzählstränge verwebt Piccioni so unaufgeregt und leichtfüßig, dass "Rot und Blau" gerade in seiner unspektakulären Normalität ungemein vital wirkt. Das macht auch das Erwartbare spannend in dieser traurig-schönen Feier der alltäglichen Lebensbewältigung.

Rot und Blau
Italien 2012 – Regie: Giuseppe Piccioni, Darsteller: Margherita Buy, Riccardo Scamarcio, Roberto Herlitzka, Silvia D'Amico, Davide Giordano - 90 Minuten

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