Fotografin, Heimat und Coming-Out
Der preisgekrönte Dokumentarfilm "Finding Vivian Maier" begibt sich auf die Suche nach einer talentierten Straßenfotografin. Mit "Beste Zeit" schließt Marcus H. Rosenmüller seine Heimat-Trilogie ab. Und "Tiefe Wasser" ist ein Coming-Out-Drama aus Polen.
"Finding Vivian Maier"
Das Fundstück der Woche lagerte über Jahre unentdeckt in diversen ungeöffneten Kartons in den USA. Bis der Immobilienmakler und Hobby-Historiker John Maloof sie auf einer Zwangsauktion ersteigerte.
Hunderte Negative mit Fotos, die das alltägliche amerikanische Leben auf der Straße zeigen. Maloof stellte einige Bilder ins Internet und löste eine Welle der Begeisterung aus. Alle fragten sich plötzlich: Wer ist die Urheberin dieser Kunstwerke? Wer war Vivian Maier?
Der preisgekrönte Dokumentarfilm "Finding Vivian Maier" zeichnet Schritt für Schritt die Entdeckung der talentierten Straßenfotografin Maier nach. Angetrieben wird Maloof von der Frage: Warum hat Maier ihre Fotos nie veröffentlicht? Warum wollte diese Frau aus einfachsten Verhältnissen ihr Talent nicht erkennen und – ganz dem amerikanischen Traum folgend - Karriere machen? Reich und berühmt werden? Warum nur?
Eine sehr amerikanische Frage. Und so verrät der Film zwar oberflächlich vieles über Vivan Maier: das Kindermädchen und die Straßenfotografin. Aber eigentlich verrät er noch viel mehr über das reine Erfolgsdenken der Amerikaner.
"Beste Chance"
Das Wiedersehen der Woche liefert uns Marcus H. Rosenmüller mit "Beste Chance". Dem Abschluss seiner bayerischen Heimat-Trilogie, die mit "Beste Zeit" und "Beste Gegend" begann. Wir erinnern uns: Im oberbayerischen Tandern machen die Freundinnen Jo und Kati Abitur; sie leben, lieben und träumen von der großen Welt. Doch nur Jo ging auf Weltreise. Fünf Jahre später meldet sie sich mit seltsamen Nachrichten zurück.
Kati fährt nach Indien, um Jo zu suchen. Sie ahnt aber nicht, dass die wieder daheim ist und die alte Klicke aufmischt:
"Es hat sich fast nicht verändert."
"Ist das jetzt guat oder schlecht?"
"Guat und schlecht."
Verglichen mit den ersten beiden Teilen ist "Beste Chance" enttäuschend. Gerade weil Rosenmüller einen Großteil seiner Handlung in Indien spielen lässt. Auf dem Subkontinent konfrontiert er uns mit erschreckend naiven Bildern, mit unerträglich viel Exotik-Kitsch.
Zum Glück geht es auch anders. Und zwar immer dann, wenn "Beste Chance" in Oberbayern spielt. Dann ist Rosenmüller wieder ganz bei sich. Und findet sofort wieder diesen entspannten, heilsam-realistischen Blick der Provinz auf die großen und wichtigen Fragen des Lebens:
"Erst wenn man diese öden Häuser sieht, weiß man, wie sehr man sie vermisst hat."
"Ja, oder dann, wenn man anderes vom Leben will als nur in Flip Flops herum laufen."
"Tiefe Wasser"
Die unglückliche Liebe der Woche erwischt den Leistungsschwimmer Kuba in Tomasz Wasilewskis Coming-Out-Drama "Tiefe Wasser". Kubas Leben verläuft wie sein Training: in geregelten Bahnen. Er liebt Sylwia, lebt mit ihr und seiner Mutter zusammen. Ist kurz vom sportlichen Durchbruch - und dann lernt er Michal kennen. Kuba verliebt sich in den schönen Studenten und spürt, wie alles um ihn herum auseinanderfällt. Ist er schwul? Wem kann er sich anvertrauen? Im heutigen Polen alles andere als leichte Fragen.
"Tiefe Wasser" erinnert an den deutschen Film "Freier Fall". Nur dass der junge polnische Regisseur Wasilewski sich visuell mehr traut. Er arbeitet mit Ellipsen, setzt auf eine clevere Licht und Ton-Dramaturgie; doch verliert er dabei sein schematisches Drehbuch aus den Augen. Besonders im letzten Akt fällt das auf. Wenn Konflikte unverständlich brutal an ihr Ende geführt werden, was die anfänglich zärtliche Zeichnung seiner beiden Protagonisten völlig über den Haufen wirft.