Große Träume und das Wesen der Zeit
Wir empfehlen: Die scharfsinnige Komödie "Wir sind die Neuen", den komplexen Essayfilm über Nabokov "Schmetterlingsjäger" und den meisterhaften japanischen Animationsfilm "Wie der Wind sich hebt".
Wir sind die Neuen
"Mensch Anne, dass du mal vorbeikommst."
Aber Anne kommt nicht einfach nur so vorbei.
"Johannes, ich habe einen ziemlich konkreten Anlass. Ich würde gerne wieder mit euch zusammenziehen."
Euch – das sind die ehemaligen Freunde, die als Studenten zusammengelebt haben. Vor 35 Jahren. Jetzt sind alle um die 60, haben wenig Geld, sind alleine – und so ziehen drei von ihnen wieder zusammen. Direkt über eine heutige Studenten-WG. In der Komödie "Wir sind die Neuen" lässt Regisseur Ralf Westhoff die etwas angegrauten Lebensentwürfe der Alt-68er mit aller Wucht auf die Bachelor-gestresste Generation heutiger Studenten prallen.
Die Alt-68er leiden unter Alltagsarmut und Mietexplosion und ihre Konzepte von Politik, Protest und Pils sind nicht mehr wirklich avantgardistisch. Die Jungen hingegen sind spießige und überforderte Lernroboter. Der Film hätte leicht als Klamotte enden können, aber "Wir sind die Neuen" ist ein sehr scharfsinniges, kluges und überaus unterhaltsames Gesellschaftsporträt geworden.
Schmetterlingsjäger
"Schmetterlingsjäger", so heißt ein Essay über das Werk und Denken von Vladimir Nabokov. Ein filmisches Puzzlespiel aus Assoziationen, Gesprächen und Zitaten aus dem Roman "Ada oder das Verlangen" und der Autobiographie, gelesen von Nabokovs Sohn, Dimitri Nabokov, der den Film mit konzipiert hat.
Das Wesen von Zeit, das Nabokov beschäftigt hat, taucht immer wieder auf in "Schmetterlingsjäger“, und der Film bekommt eine selbstreflexive Ebene durch die Diskussion des französischen Philosophen Heinz Wisman und des deutschen Regisseurs Klaus Wiborny über die Frage, wie man am besten einen Film über Nabokov macht.
"Schmetterlingsjäger" gibt sich als komplexer Essayfilm, scheitert aber an seinen eigenen Ansprüchen. Die Gedanken Nabokovs sind interessant, aber der Film fügt dem nur wenig hinzu und wirkt stattdessen wirr und etwas selbstverliebt.
Wie der Wind sich hebt
Ein himmlischer Film, und nicht nur wegen des Titels: Mit "Wie der Wind sich hebt" feiert der Mitbegründer des japanischen Ghibli-Studios,Hayao Miyazaki, seinen Abschied vom Kino.
"Wie der Wind sich hebt" erzählt das Leben von Jiro Horikoshi, der schon als Kind vom Fliegen träumt. Weil seine Augen zu schlecht sind, wird er nicht Pilot, sondern Flugzeugkonstrukteur. Er entwickelt das Jagdflugzeug Mitsubishi A5M, den sogenannten "Zero Fighter", der erstmals im japanisch-chinesischen Krieg eingesetzt wurde.
Hayao Miyazaki erzählt aus der Perspektive des besessenen Ingenieurs mit seinen ideologischen Scheuklappen, ihm wurde dafür Verharmlosung vorgeworfen, dabei scheint die zerstörerische Kraft des Zweiten Weltkrieges ständig im Film durch.
Liebe, Leidenschaft, Abschied, Tod – alle großen Themen des Lebens stecken in "Wie der Wind sich hebt", diesem meisterhaft minimalistisch und zugleich hingebungsvoll detailreich animierten Werk.