Vorlesefriseur Danny Beuerbach

Waschen, schneiden, lesen

05:31 Minuten
Ein Friseur schneidet einer Frau in einem Park die dunklen Haare. Sie liest dabei in einem Buch.
Der Friseur Danny Beuerbach lässt sich bei der Arbeit, wie hier im Münchner Hofgarten, gern etwas vorlesen. © privat
Von Susanne Lettenbauer |
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Friseurbesuche können langwierig und dröge sein. Das muss aber nicht sein: Danny Beuerbach tourt seit einigen Jahren als "Vorlesefriseur" durch Deutschland. Haare schneiden und dabei vorlesen lassen - dieser Figaro hilft auch der Leseförderung.
Stühle scharren, Haartrockner brummen, leises Gemurmel vor großen Spiegeln, in denen der gegenüberliegende Münchner Wittelsbacher Platz erkennbar ist. Besen fegen lautlos die Haarbüschel auf dem Boden zusammen. In dem großen Friseursalon in der Nähe des Münchner Hofgartens sitzt die achtjährige Lauren gespannt auf einem Hocker, den schwarzen Frisierumhang vor der Brust.
Schüchtern schaut sie in den riesigen Spiegel vor ihr. Haareschneiden? Nicht ihre Lieblingsbeschäftigung. Aber dann nimmt die Nachwuchskundin mit Schwung ein buntes Buch vom Frisiertisch, klappt es auf, beginnt laut vorzulesen: „Hoffentlich sind die Ferien bald vorbei, klagt Anna. Bekümmert hockt sie sich auf einen dicken Stein.“
Hinter ihr turnt der Friseur um sie herum: Danny Beuerbach, schwarzer Wuschelkopf, schwarze Röhrenjeans, edle Lederschuhe. Jahrelang war er unterwegs in Europa und Asien, jetzt ist er wieder zurück. Mit konzentriertem Blick steckt der schmale Figaro Laurens Haare hoch, Klammer mal rechts, mal links, hockt sich oder kniet sich hin.

Die Schneidetechnik eines Reptils

„Aufgrund dessen, dass ich vorlesenden Kindern die Haare schneide, musste ich auch meine komplette Schneidetechnik überarbeiten", erzählt Beuerbach. "Das heißt, ich schneide nur in der Handinnenfläche und nicht von oben, wie in der Schule gelehrt wird. Das Kind darf sich bewegen und ich bin das Reptil, das sich da anpasst und ungestört weiter schneidet.“
Kamm und Schere gehen flink über den Kopf des schmalen Mädchens. Die Achtjährige lächelt. Die Geschichte von den Elfen kennt Friseur Danny schon etwas vom letzten Mal. Andere Kinder bringen Räubergeschichten mit. Erwachsene greifen eher zu den anspruchsvollen Büchern. Gemeinsam eintauchen in eine Geschichte. Das ist die Idee: "Buche Dir einen Haarschnitt und lies mein Buch."
Am liebsten würde Danny Beuerbach alle Kollegen und Kolleginnen dazu animieren, es ihm nachzumachen. Für die Kundschaft, für einen selbst, für den Beruf: "Es war kein Geniestreich, es war die eigene Not. Das heißt, man nimmt sich selbst vor, mehr zu lesen, kommt aber nicht dazu und irgendwann denkt man sich: Dann lasse ich mir halt vorlesen."

Haare schneiden mit Vorleserabatt

Das Angebot: Einmal lesen, dafür Rabatt, bis zu 50 Prozent. Das funktioniert. Immer besser. Die Bücher werden manchmal vom zweiten, dritten, vierten Kunden weitergelesen. Je nach Wetter im Friseursalon, am liebsten aber draußen, irgendwo auf einem Platz, wo Passanten erstaunt reagieren.
"Es ist ein Erlebnis. Es ist nicht nur Beruf, wir machen was und dann ist es erledigt, sondern er macht das so persönlich, die Kinder kommen, können was vorlesen. Und das Lustige ist, dass es draußen ist, drinnen finde ich es immer so angespannt, fast wie beim Zahnarzt. Er hat ja auch seinen Teppich dabei, seine Palme, dann setzt man sich hin und plaudert."

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Der hochgewachsene gebürtige Hesse ist mittlerweile nicht nur in München als "der Vorlesefriseur" bekannt. Auf Messen schauen ihm Kollegen und Kolleginnen erstaunt zu, die Spielestadt Ravensburg kürte ihn im vergangenen Jahr zum Vorlese-Ambassador, der Lesepreis 2021 ging an ihn.
Ihm ist dieser Ruhm egal: „Ich mache es einfach. Ich packe meinen Koffer, der ist voller Bücher, da drin habe ich den Hocker, den kann ich auseinanderschrauben, dann stelle ich mich in den öffentlichen Raum und mache auf das Projekt aufmerksam. Man kann mich in einem Park sehen, in der Fußgängerzone.“
Menschen bleiben erstaunt stehen, Busfahrer winken ihm zu, Polizisten halten überrascht an und lassen sich das Konzept erklären. "Tolle Idee", heißt es dann meist.

Eigentlich ist er ein Zuhörfriseur

Friseur sein geht eben auch anders. In Stefan Paulis Salon arbeitet der Vorlesefriseur seit einigen Wochen und bleibt wohl erstmal.
Auch wenn sich die Einladungen stapeln: Buchhandlungen sind auf ihn aufmerksam geworden, loben ihn für die Leseförderung, wollen den Vorlesefriseur, der ja eigentlich ein Zuhörfriseur ist, persönlich erleben. Um Leseförderung allein geht es dem schwarzen Lockenkopf aber gar nicht.
"Ich möchte einen spaßigen Tag mit den Kindern haben, am besten mit einem Buch. Ich könnte jetzt noch tiefer, psychologischer werden: Da bin ich frei, da bin ich ich. Das ist, was mir gefällt und fast schon süchtig macht."
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