EuGH-Urteil öffnet "argumentative Hintertür"
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Das jüngste EuGH-Urteil hat die anlasslose Vorratsdatenspeicherung verboten. Doch hat es Ausnahmen formuliert und so wird weiter diskutiert. Die Informatikerin Anna Biselli plädiert dafür, erst einmal alternative Ermittlungsmethoden zu analysieren.
Seit 2006 versuchen Regierungen in Deutschland eine Vorratsdatenspeicherung zu installieren. Immer wieder kassierten Gerichte dieses Vorhaben ein. Aktuell hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung verboten. Allerdings: Zur Bekämpfung schwerer Kriminalität sei aber unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine gezielte Vorratsspeicherung sowie eine allgemeine und unterschiedslose Sicherung von IP-Adressen zulässig.
„Wir wissen ja, dass Frau Faeser dafür plädiert, möglichst alle Spielräume auszureizen und so weit zu gehen, wie es eben das Urteil erlaubt“, sagt Anna Biselli, Informatikerin und Chefredakteurin bei netzpolitik.org in Bezug auf die Innenministerin, obwohl die Ampelkoalition die anlasslose Vorratsdatenspeicherung eigentlich abschaffen wollte. Justizminister Marco Buschmann hält daran im Gegensatz zu Nancy Faeser fest.
Speicherung von IP-Adressen: "Fast eine Vollerfassung"
Das EuGH habe mit dem Hinweis auf IP-Adressen eine „argumentative Hintertür“ geöffnet. Biselli hält das für problematisch. "So etwas wie ein klassisches Telefon wird immer unwichtiger. Vieles von dem, was man eben tut, ist irgendwie internetbasiert. Wenn man jetzt anfängt, IP-Adressen zu speichern, dann ist das eigentlich auch fast eine Vollerfassung. Und dann muss man auch eben sehen, dass es dann eigentlich keine anlassbezogene oder eingeschränkte Vorratsdatenspeicherung mehr wäre.“
Stattdessen müsse es darum gehen, alternative Ermittlungsmethoden zu erfassen und auszuwerten. Wie oft konnten den Ermittlungen bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder nicht erfolgreich durchgeführt werden, weil die Daten gefehlt haben? Ihre Anfrage dazu hat das Innenministerium nur ausweichend beantwortet. „Da sollten erst mal die Fakten auf den Tisch und gesagt werden: Was für Evidenzen gibt es? Was muss getan werden? Wo haben wir wirklich Lücken, die ganz real bestehen und nicht nur gefühlt und skandalisierbar sind?“, sagt Biselli.
(cwu mit dpa)