Vorreiterin der abstrakten Kunst
Man könnte sie als große Unbekannte der Kunstgeschichte bezeichnen: die 1944 gestorbene schwedische Künstlerin Hilma af Klint. Eine Ausstellung im Hamburger Bahnhof in Berlin gibt nun Einblicke in ihre Kunst- und Gedankenwelt.
Zu ihrer Lebenszeit kannte man Hilma af Klint nur als Malerin naturalistischer Bilder: Portraits, Landschaften, Stillleben. Ihre mehr als tausend mehr als großformatigen, abstrakten Werke zeigte sie dagegen niemandem. Zwanzig Jahre nach ihrem Tod 1944 sollten sie erst öffentlich gemacht werden, so verfügte sie testamentarisch, weil ihr die Zeit für ihr Oeuvre noch nicht reif erschien. Rudolf Steiner selbst, der von ihr verehrte Begründer der Theosophie, soll ihr diesen Gedanken nahegelegt haben.
Erstmals waren sie dann in den achtziger Jahren auf einer Ausstellung über spirituelle Kunst in Los Angeles zu sehen und sorgten für Erstaunen. Ihre ersten abstrakten Bilder datieren auf das Jahr 1907 – das sind drei, vier Jahre, bevor Wassili Kandinsky seine ersten rein abstrakten Kompositionen malte. Im Moderna Museet in Stockholm, der ersten Station dieser Ausstellung, die nun in Berlin zu sehen ist, war Klints Werk eine Sensation. Mancher spricht seither von Klint als einer neuen "Wegbereiterin der abstrakten Kunst". Gabriele Knapstein, Kuratorin am Hamburger Bahnhof, mag da nicht ganz einstimmen.
"Also, 'ne Wegbereiterin ist sie nicht, weil andere Künstler haben diese Bilder nicht gesehen. Es gibt aber seit den sechziger Jahren eine interessante Auseinandersetzung und eine Diskussion. Jetzt nicht nur um unser Bild der modernen Kunst, sondern unser Bild der Moderne überhaupt. Vielleicht haben wir da auch noch nicht alles gesehen, wir müssen unser Bild auch über die Moderne erweitern."
Irritierend, vielleicht befremdlich für ein heutiges Publikum mag zunächst der spirituelle, ja okkultistische Charakter von Klints abstrakten Werken sein. Während Kandinsky, Kasimir Malewitsch oder auch Piet Mondrian eindeutig für eine Erneuerung der Kunst stritten, scheint Hilma af Klint zeitlebens eher um eine spirituelle Weltauffassung gerungen und ihre Bilder als Offenbarungen empfangen zu haben, die für sie außerhalb des Kunstdiskurses standen.
"Für sie sind diese Bilder in einem Zusammenhang von geistiger Erfahrung, von Kenntnisstreben entstanden, und das ist ein klarer Unterschied und das ist wenn jetzt so ein Oeuvre als Kunst in einem Museum präsentiert wird, eine Art Kontextverschiebung","
benennt Gabriele Knapstein das zentrale Problem, Hilma af Klint heute ohne Weiteres für die Kunstgeschichte zu vereinnahmen. Denn letztlich ist nicht einmal entschieden, ob der Begriff der Abstraktion überhaupt auf ihre eigene Sichtweise ihrer Bilder zutrifft. Vieles spricht dafür, dass die Entwicklung ihrer Bildwelt keinem bewussten Formbegriff entsprang, sondern:
""dass dieser große Werkkomplex, der im Zentrum ihres Oeuvres steht, die sogenannten ‚Bilder zum Tempel‘, dass das ein Auftrag ist, den sie aus der geistigen Welt bekommen hat; dass in den ersten Jahren geistige Wesen, geistige Führer ihr auch diese Bilder in Einzelheiten nahegelegt haben. Die zentralen Elemente finden Sie überall: Blau steht für das weibliche Element, gelb für das männliche, der Buchstabe B steht für die Materie und der Buchstabe U steht für das Prinzip des Geistes. Und so entwickelt sie ihre Bilder sehr stark aus solchen Polaritäten und versucht das dann aber wiederum zu systematisieren, aufzuschlüsseln, indem sie solche Enzyklopädien praktisch verfasst, die jeweils zu bestimmten Pflanzen eine Bedeutung auf der Astralebene beschreiben."
Es beginnt mit automatischen Zeichnungen, die sie im Zuge spiritistischer Sitzungen einer Frauengruppe anfertigt und die zuweilen eng an die präzisen Pflanzenstudien ihrer naturalistischen Arbeiten anschließen. Der Spiritismus ist keine Privatmythologie Klints. Helena Blavatsky oder Rudolf Steiner, die sie beeinflussten, waren Bestsellerautoren ihrer Zeit und wurden auch im Kunstbetrieb vielfach rezipiert. Da darin vermittelten Gedanken einer direkten Verbindung von Individuum, Volksseele und Kosmologie erscheinen heute manchem in der Rückschau wie Prototypen völkischer Lehren des Nationalsozialismus – wie jüngst auch wiederholt in der Debatte um eine angebliche Blut- und Boden-Gesinnung von Joseph Beuys, der sich ja ebenfalls von Rudolf Steiner beeinflusst sah.
Hilma af Klints beeindruckendes Werk steht am Beginn dieser Einflüsse, begegnet im Hamburger Bahnhof auch direkt dem Werk von Beuys und verdeutlicht, dass solcherlei Urteile zu kurz greifen – dass in der Tat manches am schillernden Zeitgeist der Moderne noch nicht verstanden worden ist.
Link zur Ausstellung: Eine Pionierin der Abstraktion
Erstmals waren sie dann in den achtziger Jahren auf einer Ausstellung über spirituelle Kunst in Los Angeles zu sehen und sorgten für Erstaunen. Ihre ersten abstrakten Bilder datieren auf das Jahr 1907 – das sind drei, vier Jahre, bevor Wassili Kandinsky seine ersten rein abstrakten Kompositionen malte. Im Moderna Museet in Stockholm, der ersten Station dieser Ausstellung, die nun in Berlin zu sehen ist, war Klints Werk eine Sensation. Mancher spricht seither von Klint als einer neuen "Wegbereiterin der abstrakten Kunst". Gabriele Knapstein, Kuratorin am Hamburger Bahnhof, mag da nicht ganz einstimmen.
"Also, 'ne Wegbereiterin ist sie nicht, weil andere Künstler haben diese Bilder nicht gesehen. Es gibt aber seit den sechziger Jahren eine interessante Auseinandersetzung und eine Diskussion. Jetzt nicht nur um unser Bild der modernen Kunst, sondern unser Bild der Moderne überhaupt. Vielleicht haben wir da auch noch nicht alles gesehen, wir müssen unser Bild auch über die Moderne erweitern."
Irritierend, vielleicht befremdlich für ein heutiges Publikum mag zunächst der spirituelle, ja okkultistische Charakter von Klints abstrakten Werken sein. Während Kandinsky, Kasimir Malewitsch oder auch Piet Mondrian eindeutig für eine Erneuerung der Kunst stritten, scheint Hilma af Klint zeitlebens eher um eine spirituelle Weltauffassung gerungen und ihre Bilder als Offenbarungen empfangen zu haben, die für sie außerhalb des Kunstdiskurses standen.
"Für sie sind diese Bilder in einem Zusammenhang von geistiger Erfahrung, von Kenntnisstreben entstanden, und das ist ein klarer Unterschied und das ist wenn jetzt so ein Oeuvre als Kunst in einem Museum präsentiert wird, eine Art Kontextverschiebung","
benennt Gabriele Knapstein das zentrale Problem, Hilma af Klint heute ohne Weiteres für die Kunstgeschichte zu vereinnahmen. Denn letztlich ist nicht einmal entschieden, ob der Begriff der Abstraktion überhaupt auf ihre eigene Sichtweise ihrer Bilder zutrifft. Vieles spricht dafür, dass die Entwicklung ihrer Bildwelt keinem bewussten Formbegriff entsprang, sondern:
""dass dieser große Werkkomplex, der im Zentrum ihres Oeuvres steht, die sogenannten ‚Bilder zum Tempel‘, dass das ein Auftrag ist, den sie aus der geistigen Welt bekommen hat; dass in den ersten Jahren geistige Wesen, geistige Führer ihr auch diese Bilder in Einzelheiten nahegelegt haben. Die zentralen Elemente finden Sie überall: Blau steht für das weibliche Element, gelb für das männliche, der Buchstabe B steht für die Materie und der Buchstabe U steht für das Prinzip des Geistes. Und so entwickelt sie ihre Bilder sehr stark aus solchen Polaritäten und versucht das dann aber wiederum zu systematisieren, aufzuschlüsseln, indem sie solche Enzyklopädien praktisch verfasst, die jeweils zu bestimmten Pflanzen eine Bedeutung auf der Astralebene beschreiben."
Es beginnt mit automatischen Zeichnungen, die sie im Zuge spiritistischer Sitzungen einer Frauengruppe anfertigt und die zuweilen eng an die präzisen Pflanzenstudien ihrer naturalistischen Arbeiten anschließen. Der Spiritismus ist keine Privatmythologie Klints. Helena Blavatsky oder Rudolf Steiner, die sie beeinflussten, waren Bestsellerautoren ihrer Zeit und wurden auch im Kunstbetrieb vielfach rezipiert. Da darin vermittelten Gedanken einer direkten Verbindung von Individuum, Volksseele und Kosmologie erscheinen heute manchem in der Rückschau wie Prototypen völkischer Lehren des Nationalsozialismus – wie jüngst auch wiederholt in der Debatte um eine angebliche Blut- und Boden-Gesinnung von Joseph Beuys, der sich ja ebenfalls von Rudolf Steiner beeinflusst sah.
Hilma af Klints beeindruckendes Werk steht am Beginn dieser Einflüsse, begegnet im Hamburger Bahnhof auch direkt dem Werk von Beuys und verdeutlicht, dass solcherlei Urteile zu kurz greifen – dass in der Tat manches am schillernden Zeitgeist der Moderne noch nicht verstanden worden ist.
Link zur Ausstellung: Eine Pionierin der Abstraktion