Vorsicht Lachen!

Von Antje Bauer |
Die Grenzen des in der arabischen Kultur als erträglich empfundenen Humors sind in jüngster Zeit enger geworden. Das gilt vor allem, wenn es um das Religiöse geht. Ein Grund könnte ein Gefühl der Bedrohung sein, das sich in den islamisch-arabischen Ländern angesichts der Vorherrschaft des Westens immer weiter ausbreitet.
"Zu Zeiten des Kalifen Ma'moun gab sich eine Frau als Prophetin aus. Da fragt sie der Richter, ob sie denn an die Botschaft Mohammeds nicht glaube, und dann sagte sie: Doch! Und dann sagte der Richter, aber Mohammed hat doch gesagt, nach mir wird es keinen weiteren Propheten mehr geben, dann sagt sie: Ja, natürlich, aber von einer Prophetin hat er nichts gesagt."

Einen Tag lang hatten sich Gelehrte sehr ernsthaft mit dem Thema "Humor in der arabischen Kultur" auseinandergesetzt, bevor der Islamwissenschaftler Thomas Bauer vom Wissenschaftskolleg zu Berlin diesen Witz vortragen und das Publikum dankbar lachen durfte. Bis zu diesem Moment war der Humor vor allem dort gesucht worden, wo er nicht ist, nämlich im Koran und in der islamischen Mystik. Dass man dort nicht weiter fündig wurde, ist nicht wirklich erstaunlich: Religiöse Schriften, auch die christlichen, setzen allgemein auf Wahrheitsanspruch und Glauben. Humor und die ihm innewohnende Distanz sind dem wesensfremd. Auch die islamische Mystik ist gemäß den Ausführungen des Islamwissenschaftlers Bernd Radtke aus Utrecht ein Ort der Düsternis und der bangen Frage des Menschen, was ihn im Jenseits wohl erwarten möge, auch dies kein Unterschied zum Christentum. Der Prophet Mohammed allerdings, und das mag die Gläubigen beruhigen, scheint kein humorloser Mensch gewesen zu sein, auch wenn die Berichte aus seinem Leben stark vom Interesse der jeweiligen Überliefernden geprägt sind. Während etwa die Asketen, salopp gesagt frühe Vorläufer der Taliban, betonen, dass der Prophet zumeist ernst gewesen sei und man sein Zäpfchen beim Lachen nicht habe sehen können, besagen andere Überlieferungen, der Prophet habe gelegentlich so herzlich gelacht, dass seine Backenzähne blinkten: Offenbar hat man genau hingeguckt im siebten Jahrhundert.

Auch wenn die Schriften dazu nicht eben aufgefordert haben - gelacht und gespöttelt hat man immer gerne in der arabischen Welt, wie der Göttinger Islamwissenschaftler Ulrich Marzolph betont.

"Vom Ablasskrämer, vom Abfallsammler bis zum Weinhändler wird das gesamte Spektrum von Berufen des städtischen Lebens im Humor veralbert, insbesondere natürlich Autoritäten, insbesondere Sachverhalte, die mit den auch für die damalige Zeit gängigen Moralvorstellungen kollidieren, ob das jetzt im Bereich der Sexualität, der Eschatologie oder im Bereich der sonstigen Normen ist. Es gibt alles."

Für Witze galten freilich immer thematische Einschränkungen, wie der Islamwissenschaftler Bauer erklärt:

"Im 15. Jahrhundert durfte man über Religion unbedenklich Witze reißen, man durfte Koranverse nehmen und in alle mögliche Weise verdrehen und auf witzige Weise einsetzen. Allerdings den Koran als solchen und den Propheten Mohammed als lächerlich hinzustellen, das war nicht gewollt. Aber die Grenzen waren wesentlich weiter als heute."

Dass die Grenzen des als erträglich Empfundenen in letzter Zeit enger geworden sind, vor allem, wenn es um das Religiöse geht, darüber bestand weitgehende Einigkeit. Ein Grund könnte das Gefühl der Bedrohung sein, das sich in den islamisch-arabischen Ländern angesichts der Vorherrschaft des Westens immer mehr ausbreitet. Die Berliner Islamwissenschaftlerin Gudrun Krämer verweist aber auch auf die Gefahren, die moderne Kommunikationsmittel für Spötter mit sich bringen:

"Wenn heute ein Spötter etwas Böses sagt in einer geschlossenen Runde, muss er damit rechnen, dass das über Internet und Satellitenfernsehen durch die ganze islamische Welt getratscht wird. Und deswegen ist, glaube ich, auch eine Vorsichtskultur heute angebrachter als damals."

Diese Erfahrung machte Driss Ksikes, bis vor kurzem Chefredakteur der marokkanischen Wochenzeitung "Nischan", zu Deutsch "Ohne Umweg", der ein Dossier mit Witzen aus den Tabubereichen Religion, Politik und Sex herausgegeben hat und danach per Internet Beschimpfungen selbst aus dem fernen Oman erhielt. Nach einer Kampagne fundamentalistischer Muslime in Marokko wurde gegen Ksikes Anklage wegen Gotteslästerung erhoben und er zu drei Jahren Gefängnisstrafe zur Bewährung verurteilt. Aus Protest ist Ksikes danach von seinem Posten zurückgetreten.

Wer mit der Religion seinen Spott treiben will, muss sich also genau überlegen, was er sagt und wo. Laut dem islamischen Recht, der Schari'a, sind Gotteslästerung und Abfall vom Glauben streng verboten, daher auch die Fatwa gegen Salman Rushdie. Birgit Krawietz vom Zentrum Moderner Orient in Berlin bestreitet allerdings, dass eine solche Fatwa Einzelnen das Recht gibt, jemanden zu töten.

"Das ist natürlich an die Staatsmacht gebunden. Es ist keineswegs eine gültige schariatrechtliche Auffassung, dass diese Dinge im Wege von Selbstjustiz in die Hand genommen werden."

Nun wird ja nicht nur über Religiöses gelacht, sondern auch über Weltliches, etwa über Politiker. Wie gefährlich politischer Spott ist, hängt in erster Linie davon ab, wie liberal das jeweilige Land ist. Als eins der offensten Länder des Nahen Ostens gilt der Libanon, wo man sich bevorzugt über Politiker der jeweils anderen Fraktion lustig macht. Sara Binay arbeitet am Deutschen Orient-Institut in Beirut.

"Zwei politische Führer der Christen kommen ins Irrenhaus, das eine ist Geagea, das andere ist Michel Aoun, der Präsidentschaftsanwart war oder ist, und der Arzt fragt sie, was sie meinen, wer sie sind, und Geagea sagt, ich bin Jesus Christus, worauf der andere sagt: Das ist nicht mein Sohn, ich kenne ihn nicht."

Humor bezieht sich natürlich nicht nur auf Witze. Aber die Ausführungen über Scherz und Ernst beim Schriftsteller al-Jahiz und über die humoristischen Züge bei Umar ibn Abi Rabia überlassen wir vielleicht doch lieber den Orientalisten.