Doping ist das fundamentale Zukunftsthema
Trotz staatlich geförderten Dopings, trotz systematischer Vertuschung: Russland darf an den Olympischen Spielen in Rio teilnehmen – mit Ausnahme der Leichtathleten. Die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees ist ein Aufreger kurz vor Beginn der Spiele.
Das IOC verteidigt sich: "Saubere Sportler kriegen eine faire Chance." Kritiker behaupten: "Die Funktionäre sind vor Russland eingeknickt, der Sport ist nur noch Nebensache."
Ist die Entscheidung fair oder feige? Was bedeutet sie für das Image der Spiele? Können Sport und Politik auf diesem Level überhaupt voneinander getrennt werden? Und wie geht es weiter im Kampf gegen Doping?
In unserer Sendung "Tacheles" am Samstag, 30. Juli 2016, ab 17:30 Uhr, stellt sich Christian Schreiber den Fragen von Axel Rahmlow.
Christian Schreiber, geboren 1980, ist der Vorsitzende der Athletenkommission des Deutschen Olympischen Sportbundes. Er war als Ruderer Weltmeister im Doppelvierer und hat an den Olympischen Spielen 2004 in Athen und 2008 in Peking teilgenommen.
Das Interview im Wortlaut:
Deutschlandradio Kultur: Hallo und herzlich willkommen. Noch eine gute Woche, dann starten in Rio die Olympischen Sommerspiele 2016 und Russland darf dabei sein. Das hat das Internationale Olympische Komitee beschlossen, obwohl eindeutig ist, dass der russische Staatsapparat jahrelang und systematisch dabei geholfen hat, Sportler zum Erfolg zu dopen.
Und jetzt, wenige Tage, bevor es los gehen soll, müssen die einzelnen Verbände entscheiden, welche russischen Sportler teilnehmen dürfen in Rio und welche nicht. Und die Schwimmer haben da andere Kriterien als die Gewichtheber oder die Tennisspieler.
Was heißt das jetzt für Rio? Dort soll es um Fairplay gehen, um friedlichen, ehrlichen Wettkampf. So wird ja die Marke Olympische Spiele verkauft. Aber was ist davon eigentlich noch übrig im Jahr 2016?
Darüber sprachen wir mit Christian Schreiber. Er war Weltmeister im Rudern. Er war bei den Olympischen Spielen in Athen 2004 und in Peking 2008 dabei. Mittlerweile ist er der Vorsitzende der Athletenkommission beim Deutschen Olympischen Sportbund. Er vertritt dort also die Sportlerinnen und Sportler. – Herzlich willkommen, Herr Schreiber.
Christian Schreiber: Hallo.
Deutschlandradio Kultur: Herr Schreiber, das IOC sagt: Unsere Entscheidung ist fair, denn saubere Athleten aus Russland dürfen dabei sein. Wer aber gedopt hat, der muss zu Hause bleiben. Die Kritiker sagen: Das ist eine feige Bankrotterklärung für den Sport. Feige oder fair, was sagen Sie?
Christian Schreiber: Es gibt das aktuelle Schwarz und Weiß, die Befürworter der Entscheidung und die Gegner. Man muss sich dem – mit Fingerspitzengefühl will ich nicht sagen – von beiden Seiten nähern. Ich fange mit unserer Position an. Wir haben die klare Forderung gehabt, dass das IOC das Heft des Handelns in der Hand behält und dort das klare Zeichen setzt und das russische NOK sperrt aus verschiedenen Gründen.
Auf der einen Seite geht es nicht mehr nur um den einzelnen nachgewiesenen Dopingtest aufgrund des McLaren-Berichts und des Berichtes über die russische Leichtathletik im vergangenen November. Hier haben wir klare Beweise für dopende Athleten. Auf dieser Grundlage kann man Athleten sperren.
Darüber hinaus ist jetzt aber nachgewiesen, dass es ein staatlich gestütztes, initiiertes und gelenktes Dopingsystem gab, wo positive Proben verdeckt wurden, nicht an die Öffentlichkeit kamen und quasi mit gedopten Athleten weiter trainiert und weiter Wettkämpfe bestritten wurden. Und diese Ebene, diese staatliche Ebene, die über diesem einzelnen positiven Test darüber liegt, hätten wir gern sanktioniert gesehen vom IOC durch die Sperre des russischen NOKs.
Deutschlandradio Kultur: Also, das Nationale Olympische Komitee Russlands, das NOK. Das heißt also im Endeffekt dann aber doch, dass eigentlich auch alle russischen Sportler nicht hätten teilnehmen dürfen.
Christian Schreiber: Da kommen wir zur zweiten Seite. Ich bin Athletenvertreter. Ich war lange selber Athlet, aktiv, kenne Olympische Spiele und Weltmeisterschaften. Und hier gibt es kein Ja oder Nein, sondern da finden Sie zwei Athletenmeinungen. Das Erste ist: Jeder, der gedopt wird, muss ausgeschlossen werden. Der, der betrügt, darf nicht mehr mitmachen. Das ist die klare Position.
Auf der anderen Seite finden Sie aber auch die Meinung: Ich habe trainiert, ich möchte gegen die Besten der Welt meinen Wettkampf bestreiten. Ich möchte wissen, dass ich sie im Wettkampf besiegt habe. Und da möchten sie nicht die Goldmedaille haben, wenn sie wissen, dass ihr größter Konkurrent gesperrt wurde, weil andere in seinem Land gedopt haben. – Also, sprich: Ich brauche die Sicherheit, dass meine Gegner sauber sind. Aber wenn sie sauber sind, dann will ich auch gegen sie antreten. Und diese Position gibt es auch.
Deswegen haben wir gesagt als Erstes: Klar, das NOK sperren und dann aber nach Möglichkeiten suchen, wo man nachweisen kann, gibt es noch saubere Athleten unter den russischen und wie kann man die zu den Olympischen Spielen bringen.
Deutschlandradio Kultur: Das heißt doch, das geht ein bisschen einher mit dem Standpunkt, den der Deutsche Olympische Sportbund auch getätigt hat, der Präsident Alfons Hörmann hat gesagt, "gut, dass die Doper raus sind. Für die Chancengleichheit ist die Entscheidung nur gerecht". Das klingt aber so ein bisschen, als ob man sich eigentlich doch nicht wirklich entscheiden könnte.
Saubere Athleten unter neutraler Flagge an den Start bringen
Christian Schreiber: Ich denke, der Weg ist doch ein unterschiedlicher. Also, das eine ist, ob ich quasi ein russisches NOK mit der russischen Flagge, die russischen Sportler einziehen lasse und quasi dem Land, was Doping gesteuert, gestützt und gefördert hat, die Chance zur Repräsentation beim größten Sportfest der Welt biete oder ob ich dieses NOK sperre und dann nach sauberen Athleten suche, die vielleicht, was sehr oft im Raum stand, zum Beispiel unter neutraler Flagge oder über einen anderen Weg zu dem Start bringe, dass quasi der Athlet selbst dann, der als sauber nachgewiesen werden konnte, die Möglichkeit hat anzutreten. – Das, finde ich, sind zwei unterschiedliche Herangehensweisen, die sich vielleicht in der Prüfung dann doch irgendwo ähnlich sind, doch ein fundamental anderes Zeichen geben, als so, wie Sie es darstellen, als wäre es gleich.
Deutschlandradio Kultur: Also, das Nationale Olympische Komitee Russlands, das NOK dort ausschließen, aber den einzelnen Athleten die Möglichkeit geben, unter neutraler Flagge zu starten.
Herr Schreiber, ist das der Grund, warum Claudia Bokel in der IOC-Exekutive sich enthalten hat? Claudia Bokel ist eine ehemalige Fechterin, war dreimal bei Olympia dabei, ist Chefin der IOC-Athletenkommission, ist also damit vertreten in der IOC-Exekutive und ist auch bei Ihnen im Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes, in dem Sie ja auch sind. Ist das der Grund, wurde das deswegen so abgesprochen?
Christian Schreiber: Also, ich war nicht dabei und ich kann nicht sagen, wie die Entscheidung dort abgelaufen ist oder nicht. Neben ihrer Enthaltung bin ich natürlich eher schockiert gewesen über die große Zustimmung im Executive-Board, also, dass alle anderen sich dann doch auf diesen Weg einigen konnten.
Deutschlandradio Kultur: Ja, alle anderen haben Ja gesagt.
Christian Schreiber: Und das, was wir wissen, ist auch, dass nicht nur Claudia Bokel, sondern auch Peggy Scott, von der WADA-Athletenkommission, von der Welt-Anti-Doping-Agentur, harte Wochen hinter sich haben, was den Gegenwind auch in den Gremien angeht. Da möchte ich mich ausdrücklich nochmal hinter sie stellen. Dort haben beide sich über Wochen hinweg, Sie müssen sich ja überlegen, im Mai kam dieser New-York-Times-Artikel zur Dopingpraxis in Russland, und seitdem sind dort beide ständig unterwegs gewesen – bis hin zur Öffnung der Proben vor Ort in London. Also, da ist ein großes Engagement da gewesen. Und ich möchte da nicht oft mit ihr getauscht haben mit dem, was ich weiß.
Deutschlandradio Kultur: Also sagen Sie: Wenn zum Beispiel die FAZ, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, kommentiert, "Mut ist anders von der Chefin der IOC-Athletenkommission", das würden Sie dann sozusagen nicht teilen, diese Auffassung?
Christian Schreiber: Klar. Warum sie am Ende, ich kann Ihnen nicht sagen, was dran ist und nicht, sie hätte sicher vielleicht sagen können, ich bin dagegen, klar, das wäre die klare Position gewesen. Aber das sind Sachen, Fragen, die müssen wir mit Claudia Bokel sprechen und nicht spekulieren.
Deutschlandradio Kultur: Die ist schon in Rio, genauso wie Thomas Bach, der IOC-Präsident. Fechter und Olympiasieger ist er gewesen. Seit drei Jahren bekleidet er dieses Amt, der Deutsche. Und er ist natürlich das Gesicht der Entscheidung. Wir wissen, dass er dafür gestimmt hat, dass einige russische Athleten mitmachen dürfen. Hat Thomas Bach sich einen Gefallen damit getan?
Christian Schreiber: Also, ich kann verstehen, dass es sich an ihm entlädt. Er ist der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees und wir sind eine Woche vor den Spielen. Was, denke ich, klar wird, ist, dass die Entrüstung unter den Sportlern und den Teilnehmern über das Problem Doping und welches Ausmaß wir erfahren müssen im Jahr 2016, wie breit es noch verbreitet ist, und wir haben ja die Beweise jetzt aus einem Land vorliegen, dass das bedeutendste Sportthema unserer Zeit ist. Dafür haben wir jetzt alle den Beweis Schwarz auf Weiß, und das jetzt zweimal hintereinander, im ersten Bericht und jetzt in dem zweiten wieder. Und wir stehen kurz vor den nächsten Spielen.
Dass sich jetzt fundamental was ändern muss, ist jedem klar. Das erklärt auch die Wucht der Diskussion und wie sich das jetzt an den Spielen und an Thomas Bach entlädt. Also, wer es jetzt nicht gehört hat, dass es Zeit für Veränderung ist, der hat im Sport nichts verloren.
Deutschlandradio Kultur: Wir wollen über diese nötigen Veränderungen im Laufe unserer Sendung noch sprechen. Ich möchte nochmal kurz bei Thomas Bach bleiben. Es gibt ja nun auch sehr vehemente Kritik an ihm persönlich. Robert Harting, der Diskuswerfer hat gesagt: "Bach ist für mich Teil des Dopingsystems, nicht des Antidopingsystems." – Wie werten Sie solche emotionalen Statements?
Thema Doping brennt den Athleten unter den Fingern
Christian Schreiber: Wenn ich jetzt auf der Ebene des Sports bleibe und bei Robert Hartings Äußerung, er ist jemand, der sich seit Jahren aktiv mit dem Thema sauberer Sport befasst und gerade auch im letzten Jahr sich aktiv in die Diskussion um das Antidopinggesetz reingehangen hat. Wenn er sich so vehement äußert, dann sieht man das, was ich meinte, wie stark das Thema den Athleten unter den Fingern brennt. Und diese Intensität, dieses jetzt müssen wir was tun, das sollten wir ernst nehmen, ernster vielleicht als das eine oder andere Wort, was wir jetzt auf die Goldwaage legen sollten oder nicht.
Deutschlandradio Kultur: Also, dann sagen Sie uns: Was kann getan werden aus Athletensicht? Wie kann tatsächlich gegen Doping vorgegangen werden?
Christian Schreiber: Wenn wir jetzt die letzten anderthalb Jahre zurückschauen, wie sich vor allem auch die WADA verhalten hat, die Welt-Anti-Doping-Agentur – die ersten Hinweise auf Doping in Russland, dem wurde nicht nachgegangen. Den nächsten Hinweisen im Dezember 2014, die erste ARD-Veröffentlichung, dem folgte nur schwer dann die erste Entscheidung, dem nachzugehen, eine unabhängige Kommission einzusetzen.
Quasi nach Dezember 2014 folgte die Veröffentlichung des ersten Berichtes im November 2015. Dort gab es weitere Hinweise auf Doping nicht nur in der Leichtathletik, sondern auch in anderen Sportarten. Auch dann verging wieder viel Zeit bis man sich entschließen konnte, auch dem nachzugehen. Das ging von, sollen wir das denn machen bis hin zu wir müssen dafür auch neue finanzielle Unterstützung eintreiben. Das ging alles sehr langsam. Das kann man aus Athletensicht nur kritisieren. Dem ist man nicht konsequent nachgegangen.
Deutschlandradio Kultur: Warum nicht?
Christian Schreiber: Die Frage stelle ich zurück. Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, warum das nicht ging. Wir haben dort als Athletenkommission uns öffentlich geäußert an die WADA und das IOC, haben dort auch Input geliefert für die Arbeiten dort bei der WADA im Frühjahr. Also, das konnten wir nicht verstehen. Wir haben das auch mehrfach öffentlich gefordert, dass quasi dort ein größerer Mut und eine größere Bereitschaft ist, diesen ganzen Dingen nachzugehen.
Natürlich, das ist quasi, der erste wichtige Pfeiler, den ich damit anspreche, ist quasi die Möglichkeit dort zu recherchieren, dort zu ermitteln, also eine größere Ermittlungskraft, die ja eine unabhängige Weltantidopingagentur auf jeden Fall braucht.
Deutschlandradio Kultur: Wer kann die ihr geben? Kann das das IOC tatsächlich durchsetzen?
Christian Schreiber: Also, wo es am Ende herkommt, es muss auf jeden Fall Teil des zukünftigen Antidopingkampfs werden, dass man nicht jedes Mal drängen, betteln oder den öffentlichen Druck erzeugen muss, sondern dass klar ist, wenn es Hinweise gibt, dann wird los ermittelt. Das kann nur eine starke Antidopingbehörde oder Antidopingagentur sein. Und man muss ja sehen, das russische Labor und letztendlich die russische Antidopingagentur, die RUSADA, die haben dem Weltantidopingcode entsprochen. Das Siegel wird von der WADA vergeben.
Und da stellt sich aus Athletensicht die Frage: Wer vergibt das Siegel? Wie wird dort geprüft? Wie kann das sein, dass dort über nachweislich vier, fünf Jahre so ein System aufgebaut, erhalten werden kann, ohne dass es jemand mitkriegt? Das ist unerklärlich. Das kann keiner glaubhaft erklären, wie so was bestehen kann.
Deswegen: eine viel konsequentere und stärkere Welt-Anti-Doping-Agentur, die den Code a) implementieren, b) kontrollieren und dann auch durchsetzen kann. Das ist ja offensichtlich geworden, dass das ein Riesendefizit ist.
Deutschlandradio Kultur: Glauben Sie denn, dass das tatsächlich kommen wird, jetzt gerade auch nach diesem Urteil des IOC, dass Russland trotz dieses staatliche subventionierten Dopings mitmachen darf? Es scheint ja so, und das wird ja auch Thomas Bach immer wieder vorgeworfen, dass man aus sportpolitischen Gründen auf Russland zugegangen ist.
Christian Schreiber: Das muss kommen. Wir können ja nicht weitermachen wie bisher. Und den Zeithorizont, den dort das IOC gesetzt hat mit, es gibt 2017 eine Konferenz, wo wir dann den neuen Vorschlägen nachgehen, 2017, das ist völlig inakzeptabel. Nach den Olympischen Spielen müssen dort die ersten Vorschläge und Gedanken auf den Tisch. Die decken sich ja größtenteils. Also, das, was die nationalen Antidopingagenturen vorschlagen, Teile, die ich jetzt sagte, Teile, die auch das IOC, um mal vielleicht noch was Positives zu sagen, seit dem letzten Jahr auch schon angestoßen hat, diese Dinge müssen auf den Tisch. Und dann muss es an die Umsetzung. Also, ein Abwarten bis 2017 und dann noch Umsetzungsschritte vielleicht bis 2018 sind völlig inakzeptabel.
Deutschlandradio Kultur: Lassen Sie mich noch was Positives hinzufügen. Es gibt ja sehr viele Nachkontrollen der letzten Spiele. Das Negative daran ist natürlich, es werden dann immer wieder weitere Dopingsünder überführt. Und darunter leidet natürlich auch diese Olympische Idee, konkret natürlich erstmal jetzt die Spiele in Rio.
Bei Ihnen jetzt, bei den Ruderern ist es ja auch so, dass sich der Verband dazu entschlossen hat, einige russische Sportler auszuschließen. Es gibt wieder ganz andere Verbände, die haben andere Regeln. Der Hintergrund ist der: Das IOC hat ja nicht nur gesagt, Russland darf generell teilnehmen, sondern es hat die Verantwortung dafür, wer teilnehmen darf, auch an die einzelnen Verbände abgeschoben, also zum Beispiel an den Rudererverband, an den Schwimmverband, an den Tennisverband, alles so kurz bevor es losgeht.
Die Kritiker des IOC sagen, da hat sich das IOC eindeutig weg geduckt. Es ist doch der Veranstalter und jetzt möchte es aber seine Entscheidung nicht wirklich auch noch durchsetzen müssen. – Ist das richtig so? Ist das IOC einfach zu feige, um seine eigene Entscheidung durchzusetzen?
"Man muss die internationalen Verbände mit in die Pflicht nehmen"
Christian Schreiber: Neben den rein positiven Tests, die sicherlich von den einzelnen Verbänden abgeprüft werden sollen, gibt es ja noch die Ebene darüber, wo massiver staatlicher Eingriff geschehen ist im russischen Sport, sei es das Ministerium und dann der Leistungssport in Russland.
Ich kann vielleicht aus Sicht des IOC, dass man sagen würde, man muss die internationalen Verbände mit in die Pflicht nehmen, um zu sehen, wer dort mitzieht und wer nicht mitzieht im Antidopingkampf, das ist vielleicht ein Motiv gewesen. Aber nichtsdestotrotz, wir hätten den anderen Weg präferiert als Athletenkommission.
Deutschlandradio Kultur: Müssten nicht eigentlich die Spieler ein Zeichen setzen und sagen, da mache ich nicht mit? Oder ist dann der Druck, bei Olympia dabei zu sein, doch zu groß?
Christian Schreiber: Also, unabhängig des Druckes, jeder Athlet macht sich selbst den größten Druck. Er will dort bei diesem Ereignis, das ist eine Riesensache, Olympia ist was Einmaliges, dort die beste Leistung abgeben. Aber wenn Sie von einem Athleten verlangen, ich mache dort nicht mit, das geht nicht. Das können Sie nicht. Um keinen Preis der Welt lässt sich das von außen in den Athleten rein argumentieren.
Deutschlandradio Kultur: Selbst wenn man davon ausgehen muss, dass der eine oder der andere Konkurrent nicht sauber ist?
Christian Schreiber: Jetzt schauen wir doch mal zurück. Das betrifft nicht nur die Spiele in Rio. Es gab, schauen Sie die Nachtests von London, von Peking an, wir müssen da leider davon ausgehen, dass es – wenn wir jetzt die Spiele rückwärts aufzählen – immer Dopingtäter und Dopingopfer dann im Sinne von Athleten gab, die quasi von Betrügern dort um eine bessere Platzierung gebracht wurden.
Deutschlandradio Kultur: Aber die Einzigen, die doch tatsächlich sozusagen etwas, also, so stelle ich mir das vor, die Einzigen, die etwas ändern können, sind im Endeffekt die Sportler. Weil, die sind das positive Gesicht, die nach außen gehen, denen dann zugejubelt wird, wegen denen dann eingeschalten wird. Und die sind doch im Endeffekt nur die einzigen Leute, die sagen könnten: Nicht mehr so weiter! Weil, mit den Sportlern kommt das Geld.
Christian Schreiber: Also, ja und nein. Also, ohne die Sportler gibt es die Wettkämpfe nicht. Der Zuschauer will auch Rekorde sehen. Der Zuschauer will Spektakel sehen. Das ist ja alles auch ringsum, um diesen eigentlichen Wettkampf ist ja viel aufgebaut, viel Sponsoring, viel Werbung, viel Fernsehen, viel Berichterstattung. Und an der Berichterstattung sehen wir es ja. Also, da zählt ja nicht die Qualifikationsgeschichte des Bahnradrennfahrers, sondern es zählen jetzt die Negativschlagzeilen. Den Ball spiele ich gern zurück. Das liegt nicht nur bei den Sportlern.
Und von außen zu fordern, dass Athleten quasi als Zeichen, dass es nicht so weitergeht, nicht zu den Olympischen Spielen antreten, würde ich von keinem Athleten der Welt verlangen. Mich hat es selbst betroffen vor acht Jahren in Peking, wo Menschenrechtsorganisationen uns angeschrieben haben, wir sollen nicht nach Peking gehen wegen der Menschenrechtsverletzungen. Das kann man nicht von einem Athleten verlangen. Sie haben vielleicht einmal, zweimal die Chance da hinzufahren. Und jetzt das politisch reinzutragen oder dann zu fordern, geht doch alle einfach nicht hin, dann wird es schon besser, das funktioniert nicht.
Deutschlandradio Kultur: Wir diskutieren über die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees, dass Russland bei den Olympischen Spielen in Rio dabei sein darf, wenn die nächste Woche losgehen. Das ist eine umstrittene Diskussion, denn es ist mittlerweile erwiesen, dass es in Russland systematisches Doping gegeben hat.
Darüber spreche mit Christian Schreiber. Er war Weltmeister im Rudern. Er war bei zwei Olympischen Spielen dabei, in Athen 2004 und in Peking 2008. Und mittlerweile ist er der Vorsitzende der Athletenkommission beim Deutschen Olympischen Sportbund. Herr Schreiber, das ist natürlich ein sehr schwieriger Interessenskonflikt, den man da in seinem Kopf abwägen muss. Aber gerade weil die Athleten ja auch da hinfahren und mitmachen, habe ich so das Gefühl, dass der schöne Schein um die Olympischen Spiele dann doch immer regelmäßig wieder angeknipst wird.
Christian Schreiber: Es ist ja zum Glück nicht alles schöner Schein, aber dieses Thema, dass das die Zukunft des Sports beeinflussen wird, und das ist ja auch das, was – ich denke, worüber wir reden, ist, welche Auswirkungen das jetzt auf die Zukunft des Sports hat. Das ist nicht nur ein Makel, sondern das ist das fundamentale Zukunftsthema. Wenn dieses nicht gelöst oder angegangen wird, konsequent jetzt, dann wird der Sport weiter schweren Schaden nehmen. Also, wenn ich mich jetzt zurück erinnere an die Vergabe oder die Vorentscheidung um die Vergabe der Olympischen Spiele in Deutschland, also, der Hamburg-Entscheid, München-Entscheid, die Bürgerentscheide…
Deutschlandradio Kultur: Alle dagegen.
Christian Schreiber: … alle dagegen, und ich mich an die einfachen Plakate erinnere, da steht halt in einem der Ringe drin "kein Doping". Und das ist das, was ich bei vielen in der Bevölkerung, die gerne Sport zuschauen, aber die auch sagen, du machst Leistungssport, wie ist denn das mit dem Doping, also, das Thema kommt unweigerlich und es kommt nicht erst nach fünf Minuten, wenn man sich mit Fremden unterhält, sondern es kommt ziemlich zeitig. Das ist einer der Punkte, die kleben bleiben an dieser schönen Sportwelt, wie Sie es vorhin beschrieben haben.
Deutschlandradio Kultur: Aber wie ist das denn eigentlich mit dem Doping? Ist das nicht eigentlich so, dass man das – jetzt bin ich einfach mal pessimistisch – gar nicht wirklich ausrotten kann? Doping ist überall, und zwar nicht nur im Leistungssport, sondern mittlerweile auch im Breitensport. Da versuchen immer mehr Leute sich fit zu halten, weil wir in einer Gesellschaft leben, die Leistung fordert. Das macht man eine Weile lang mit legalen Mitteln und irgendwann mit illegalen. Das ist im Breitensport eigentlich nicht anders als im Leistungssport.
"Aus positiven Dopingtests wurde noch ein Geschäft gemacht"
Christian Schreiber: Ich habe jetzt persönlich weder als Breitensportler noch als Leistungssportler dann darauf zurückgegriffen. Ich weiß, ich kenne die Diskussion, die Sie ansprechen. In der Diskussion, die wir jetzt haben, und auch mit der Intensität, mit der sie geführt wird, hat sich einiges verändert.
Jetzt schaue ich zurück auf die Leichtathletik, wo quasi aus diesen positiven Dopingtests noch ein Geschäft gemacht wurde, bis hin hoch zum Präsidenten, also, wo verdeckt wurde, zum Wohle der Leichtathletik quasi Geld genommen wurde. Es wurde bestochen, damit das nicht rauskommt, um das Produkt Leichtathletik weiter nach vorn zu bringen, Vermarktungserlöse etc. Das ist die Negativspirale. In diese Richtung darf es nicht weiter gehen.
Jetzt ist ja der Mut da, darüber zu sprechen, die Leute, die Funktionäre untereinander dann mehr und mehr anzusprechen, natürlich sind wir da noch nicht auf dem Transparenzlevel, wo es hin muss sicherlich, aber der Mut jetzt mal es anzusprechen, was anzugehen, der ist doch jetzt schon größer als noch vor zwei Jahren, bevor das alles rauskam. Und diesen Weg muss man jetzt weiter verfolgen. Also, der Mut, etwas verändern zu wollen und dann auch negative Dinge anzusprechen, weil es anders nicht weitergeht, der ist aus meiner Sicht größer. Der ist noch nicht da, wo es hin muss und wir haben ja noch nichts verändert im Antidopingkampf.
Es ist ja noch das, was wir vorhin schon besprochen hatten. Und was passiert nach Rio? Das ist, denke ich, das wird die Legacy sein derer, die jetzt in Sportverbänden die Strippen ziehen – also IOC, WADA, die Weltverbände, aber auch in den einzelnen Ländern waren früher jetzt vielleicht die Vermarktungserlöse der Gradmesser eines erfolgreichen Sportverbandes, ist es aus meiner Sicht jetzt in der Zukunft, wie man mit diesem Thema umgeht und wie die verändernden Schritte jetzt angegangen werden, mit welcher Konsequenz und welcher Geschwindigkeit.
Deutschlandradio Kultur: Sie haben es gerade schon mal kurz angesprochen: die Rolle der Funktionäre. Und auf die wird natürlich jetzt und generell bei allen Missständen, sei es Doping, sei es der Kommerz, gerne auf die Funktionäre eingedroschen. Sie sind nun, würde ich mal sagen, so ein bisschen Bindeglied. Sie sind natürlich nur ehrenamtlich beim Deutschen Olympischen Sportbund, aber Sie sind dort der Vorsitzende der Athletenkommission. Sie waren vorher selbst Leistungssportler. Dieses Eindreschen auf die Funktionäre, ist das zu einfach? Weil, wir machen es gerne.
Christian Schreiber: Ja, das merkt man ja, also, ich sage mal, von Phase zu Phase. Wenn was rauskommt, dann ist es natürlich immer im Brennpunkt der Öffentlichkeit. Dann sind wir wieder bei dieser Schwarz-Weiß-Diskussion. Dann fokussiert sich das auf einzelne Personen, Institutionen. Das ist immer, wenn das nicht persönlich wird oder ein gewisser Druck nötig, damit Veränderungen entstehen, klar. Aber zu Pauschalschelte alle – jetzt sage ich es mal – alles Scheiße oder so, das ist vielleicht ein Schlagwort, das würde vielleicht auch zwei-, dreimal gedruckt, aber wie geht’s danach weiter? Und da braucht es mutige Leute an den entscheidenden Stellen, die dann auch den Mut haben, innerhalb der Organisation das umzusetzen. Viele schaffen das vielleicht. Ob es überall gelingt gleich, weiß ich nicht. Schauen wir uns die FIFA an vielleicht als Negativbeispiel.
Deutschlandradio Kultur: Im Fußball.
Christian Schreiber: Da ging es. Ich weiß nicht, ob es da nach vorne geht, aber da war ja vieles mit Personen verbunden, die dann anscheinend erstmal weg mussten.
Deutschlandradio Kultur: Mittlerweile wird ja das IOC an einigen Punkten sogar mit der FIFA verglichen. Das ist auch nicht gerade schmeichelhaft. Sagen Sie uns: Die Funktionäre, von denen wir jetzt gerade gesprochen haben, inwieweit sind die, was ist da Ihre Erfahrung, gelenkt auch von politischen Entscheidungen und von politischem Druck? Wir hören in den letzten Tagen ganz oft: Das ist politischer Druck gewesen. Russland steckt dahinter. Das konnte Wladimir Putin sich nicht gefallen lassen. – Also, inwiefern steckt da politischer Druck dahinter?
Christian Schreiber: Das ist das, was leider der gesamten Diskussion gerade schadet. Also, wenn man sich überlegt, dass der Leiter des russischen Antidoping-Labors in die USA flüchtet und dass sein Statement in der New York Times veröffentlicht wird als Erstes, dann werden natürlich dort als Erstes die alten Ost-West-Konflikte beschworen, beschrieben und der Kalte Krieg setzt sich im Sport fort.
Wir selbst haben Leserbriefe oder E-Mails bekommen, wo wir als Athletenkommission als "Marionetten eines neuen Ostwest-Konflikts" beschrieben wurden. Also, solche Extreme sind dann dabei, wenn man sich zu diesem Thema äußert. Ich denke, das können wir ab, aber es zeigt, dass quasi neben der reinen Diskussion, dass in einem Land jetzt nachgewiesen wurde, dass es massives Doping gab, durch den Staat gelenkt, es halt diese Ebene da drüber gibt, wo man sagt, es ist alles politisch.
Wenn man sich anguckt, wie die russischen Offiziellen, der Sportminister, der Chef des NOK, darauf reagieren, dann kann man ja nur den Kopf schütteln. Und gleichzeitig wird aber auch von den westlichen Medien dagegen geschossen. Also, wer jetzt sagt, diese Diskussion wird unpolitisch geführt, der lügt jetzt auch. Also, Politik ist hier mit dabei.
Deutschlandradio Kultur: Aber wenn Politik mit dabei ist und Olympia ist tatsächlich Machtpolitik, da geht es ja um globales Ansehen, glauben Sie wirklich, dass es dann möglich sein wird, das von oben herab zu ändern, dieses System? Weil, dieser politische Druck wird ja immer da sein. Den gibt es jetzt in Brasilien. Den gab es in Peking. Den gab es zu bestimmtem Ausmaße auch in London. Den wird es immer geben.
Christian Schreiber: Also, jetzt mit Blick auf die WADA und die getroffenen Entscheidungen muss man ja sagen, dass es nur durch Druck von außen ging. Die entscheidenden Hinweise kamen von den Stepanows.
Deutschlandradio Kultur: Die Leichtathletikerin.
Christian Schreiber: Mutige junge Menschen, die ein hohes Risiko auf sich genommen haben. Der kam von Journalisten, die dort hartnäckig am Ball geblieben sind, um diese Sachen zu veröffentlichen. Das kam ja nicht von der WADA selbst oder vom IOC, sondern der Druck kam von außen. Also, der Veränderungsdruck, dass der in dieser massiven Form von innen kommt, davon kann man nicht ausgehen.
Deutschlandradio Kultur: Sagen Sie, Herr Schreiber, nach all diesen Dingen, die wir jetzt besprochen haben, die Funktionäre, das Doping, der Sport, der nur noch Kommerz ist, freuen Sie sich eigentlich, wenn es nächste Woche los geht?
Christian Schreiber: Meine Spiele liegen jetzt schon ein bisschen zurück. Auch da gab es vorher immer wieder, leider immer war der Fokus auf den Negativthemen, nicht auf den Positivthemen.
"Eine kleine Freude auf die Spiele wächst doch heran"
Ich kann jetzt für mich sprechen. Eine Woche vorher, das Thema ist omnipräsent, Doping, und es bewegt mich tagtäglich, aber eine kleine Freude auf die Spiele wächst doch heran. Also, ich freue mich stets auf Olympische Spiele. Und das lasse ich mir auch nicht nehmen. Auch wenn es vielleicht in eine aktivere Rolle jetzt reinspielt als vorher, dass ich mich freuen muss, aber da brenne ich innerlich noch zu sehr, dass ich da nicht sagen könnte, ich freue mich auf die Wettkämpfe. Ich freue mich auf die Leistungen unserer Athleten und schaue dem auch freudig entgegen.
Ich denke schon, dass ich auch vorm Fernseher wieder die Eröffnungsfeier sehen werde, dass ich mir den Freiraum schaffe, um so viele Wettkämpfe wie möglich zu sehen. Es wird sich wieder eine Freude einstellen. Ich werde bei den Ruderwettkämpfen vorm Fernseher sicherlich nicht sitzen können. Da bin ich einfach zu sehr dabei. Da brenne ich zu sehr mit dem, was dort an Sport passiert.
Deutschlandradio Kultur: Das ist zu aufregend?
Christian Schreiber: Natürlich. Also, ich kann da nicht… Meine Kinder sind noch nicht so alt mit acht Jahren, aber die hüpfen dann mit mir rum. Also, das ist das, was Sport immer noch kann. Sport begeistert. Es gibt Gefahren. Doping ist die größte aktuell davon. Und Kommerz, ausartende Kommerzialisierung, das ist eine zweite davon.
Und gerade diese Vielfalt, die Olympia da bietet, die Möglichkeiten mal zu sehen, was passiert auf der Bahn, was passiert beim Fünfkampf, was machen die Kanuten, das ist schon eine großartige Sache. Und da hat Olympia im Kern nichts verloren.
Deutschlandradio Kultur: Aber gerade Sie, wenn Sie da auch gerade von Ihren Kindern sprechen, die ja auch sozusagen ihren Vater als Sportler kennen, die jung sind und dieses ganze Spektakel und die ganze Inszenierung gar nicht durchschauen können, wie viel muss man denen da mitgeben? Oder lässt man die lieber ihren eigenen Traum da leben?
Christian Schreiber: Also, es ist schön, dass Sie das ansprechen. Weil, wenn wir über die Zukunft sprechen und mit Blick darauf, wie kommt man da raus, culture change, wie kriegt man denn einen russischen Athleten dazu zu glauben, dass halt der Griff zur Spritze, zur Ampulle nicht dazu gehört? Das kann man nur durch Erziehung. Also, dort muss massiv investiert werden.
Und da kommen wir wieder in die Verantwortung von WADA und IOC, also nicht nur Labore und Institutionen installieren, die dem Weltantidopingkampf gerecht werden, sondern auch investieren in die Prävention, also, in die Schulung von jungen Menschen. In den Schulen, dort, wo Sport getrieben wird, da ist Aufklärung wichtig, Aufklärung modern. Wir haben 2016. Da reicht die Broschüre nicht. Da muss man sich clevere Sachen ausdenken. Da muss man an die jungen Sportler ran und denen glaubhaft machen, dass ein sauberer Sport lohnt, also dass man nicht auf andere trifft, die nicht sauber sind, dass man quasi chancenlos ist. Das ist ja die eine Angst der Eltern: Ich gebe mein Kind zum Sport. Hat es da überhaupt eine Chance, das Risiko Leistungssport einzugehen? Am Ende sind die Gegner gedopt. Du hast einen Riesenleistungsdruck hier in Deutschland, weißt nicht, ob du überhaupt oben ankommst, gegen die anderen Schwimmer, Leichtathleten, Ruderer, wie auch immer, überhaupt mal eine Chance zu haben. Für diesen harten Weg bis dahin, bis einmal oder zweimal bei Olympia überhaupt belohnt zu werden mit einer Medaille, was die Entbehrungen in den anderen Lebensbereichen nur annähernd aufwiegt, also, diese eine Angst, die Eltern ja haben, die ich durchaus verständlich finde, dem muss man ja begegnen.
Auch deswegen zur Motivation der nachrückenden Generationen müssen die, die jetzt sportpolitisch am Ruder sind, dort wirklich die entscheidenden Weichen stellen. Und das erste große Signal hat das IOC aus unserer Sicht leider verpasst.
Deutschlandradio Kultur: Aber die Eltern, wenn ich Sie richtig verstanden habe, die können individuell ihren Kindern ein ganz anderes Signal geben.
Christian Schreiber: Ja klar. Also, wenn ich in einer Gesellschaft groß werde, wo Doping akzeptiert ist, dann gehört das halt dazu wie gesund leben, wie pünktlich zum Training kommen, wie sich beim Training reinhängen und zu fighten. Aber genau da muss ja klargemacht werden vom Trainer, von den Eltern, von der Schule, von allen, die da beteiligt sind, dass das eben nicht dazu gehört. Und all die, die das machen, die wollen wir nicht dabei haben. Das ist eine Frage, die muss implementiert werden. Da muss die Herangehensweise, dieser culture change, den muss man irgendwie hinkriegen. Sonst nützen ja alle Sanktionen nichts.
Deutschlandradio Kultur: Und trotzdem muss ein gewisser Leistungsdruck dabei bleiben?
Christian Schreiber: Ja sicher. Also, wir machen ja Leistungssport. Die Wettkämpfe gibt es, wenn man überlegt, Bambinis, wo es überall schon Wettkämpfe, Spiele gibt. Ohne Wettkampf gibt es ja nicht das Streben besser zu werden, das ja Teil des Sports ist. Es ist ein schöner Teil. Wer sich messen kann mit anderen, wer dann nach dem Sport trotzdem wieder zusammenkommt, das sind doch tolle Sachen.
Deutschlandradio Kultur: Also, im Kleinen und unten bei den Familien angefangen, da gibt es tatsächlich Möglichkeiten. Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Schreiber, auch das IOC hat jetzt nicht nur alles falsch gemacht. Wir haben aber natürlich über eine sehr diskussionswürdige Entscheidung gesprochen in der vergangenen halben Stunde. Das IOC hat nämlich Russland erlaubt, grundsätzlich bei den Olympischen Spielen in Rio nächste Woche teilzunehmen.
Herr Schreiber, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Christian Schreiber: Bitte.