"Eine Person kann nicht eine Bewegung diskreditieren"
Asia Argento hat die MeToo-Debatte maßgeblich angestoßen. Nun wird sie beschuldigt, selbst missbraucht zu haben. Über den Umgang mit Opfern und Tätern infolge der #MeToo-Debatte spricht die Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal mit Marietta Schwarz.
Die #MeToo-Bewegung sei durch die Vorwürfe an Asia Argento keinesfalls diskreditiert, sagt die Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal: "Es wäre ja verrückt zu sagen: weil eine Person potentiell kein reines, wahres, gutes Opfer ist, sind jetzt alle anderen Tausend Stimmen wertlos geworden. Wenn mir etwas geklaut wird, muss ich ja nicht beweisen, dass ich ein guter Mensch bin."
Für Argento gilt wie für Weinstein die Unschuldsvermutung
Sie finde es aber schwierig, dass Argento im Fall Weinstein gefordert habe, dass dieser nie wieder nach Cannes kommen darf und für immer in Schande leben soll. Das sei eine Seite an der #MeToo-Bewegung, die sie problematisch findet. "Weinstein ist schließlich noch nicht verurteilt worden, für ihn und auch für Asia Argento gilt die Unschuldsvermutung."
Dass der Schauspieler Jimmy Bennett, von dem die Vorwürfe an Argento stammen, zu gegebenem Zeitpunkt in den USA als minderjährig galt, nach deutschem Recht aber in einem Alter war, in dem er in Sex einwilligen kann, zeige, dass man es mit unterschiedlichen Konzepten zu tun habe, sagt Sanyal. "Sobald aber das Wort Vergewaltigung draufsteht wird alles in einen Topf geworfen und nicht mehr unterschieden. Und alle, die einmal das Label Täter haben, kommen da nur ganz schwierig wieder raus."
Wunsch nach einer gelasseneren Debatte
"Ich wünsche mir, dass wir diese ganze Debatte gelassener führen. Wir können die Taten verurteilen, aber wir können die Menschen nicht entmenschlichen. Und das ist ja im Rahmen von #MeToo passiert. Dass Leute aus Filmen herausgestrichen wurden. Jetzt soll Asia Argento ja aus "X-Factor Italy" herausgeschnitten werden.", so Sanyal.
"Es ist wichtig Opfern zuzuhören, aber Täter nicht gleichzeitig zu entmenschlichen." Dazu müsse man sich auch Gedanken um Prävention machen. "Weil der Gedanke, dass wenn wir möglichst viele Leute bestrafen gibt es weniger sexualisierte Gewalt, ist naiv."
Öffentliche Pranger verändern gar nichts
Sie persönlich glaube nicht daran, dass öffentliche Pranger, so wie sie jetzt stattfinden, jemals etwas geändert haben. "Aber wir haben hier speziell das Problem, dass sehr lange weggeschaut wurde. Und die #MeToo-Bewegung habe eben gesagt: Wir müssen hinschauen, wir müssen handeln! Der öffentliche Pranger setzt handeln aber gleich mit Menschen auslöschen. Weil wir als Öffentlichkeit gar nicht darin geübt sind, wie wir mit Verbrechen umgehen sollen. Wir müssen aber darüber reden was die Normen in unserer Gesellschaft sind oder welche Normen wir haben wollen, was wir als Grenzen sehen und wo wir viel schneller eingreifen können, wenn wir etwas mitbekommen. Das Problem mit Weinstein war ja: Vieles war bekannt und alle haben es mitgetragen."
Kein Konzept für Wiedereingliederung der Täter
Was man jetzt brauche sei, dass Menschen sagen können: Ich habe etwas gemacht und ich bedauere es und möchte es ändern. "Und das ist im Moment nicht möglich. Die Täter müssen leugnen, denn sobald sie sagen sie hätten was falsch gemacht, sind sie aus der Gesellschaft ausgeschlossen und zwar für immer. Weil wir kein Konzept für Wiedereintritt für diese Täter haben. Aber genau das brauchen wir, wir müssen mit ihnen arbeiten, damit sie dasselbe nicht wieder machen. Und das ist sehr hart und tut uns weh."