Zu weiß und zu männlich?
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Ein anonymes Kollektiv wirft dem Künstlerhaus Bethanien vor, in der Ausstellung "Milchstraßenverkehrsordnung" überwiegend männliche und weiße Arbeiten zu zeigen. Kurator Christoph Tannert verstehe die Kritik, wünscht sich aber einen offenen Dialog.
Am Donnerstag startet in Berlin die Ausstellung "Milchstraßenverkehrsordnung" zu Weltraum-Utopien im Künstlerhaus Bethanien. Diese wurde vorab in einem öffentlichen Brief von dem anonymen Kollektiv "Soap du Jour" kritisiert. Als Grund werde die überwiegend männliche und weiße Auswahl der Ausstellenden genannt. In der Ausstellung sollen unter anderem afro-amerikanische Science-Fiction-Konzepte der 1970er-Jahre eine Rolle spielen. So lautet der Untertitel "Space is the place" – eine Referenz auf ein Stück des schwarzen Jazz-Avantgardisten Sun Ra. Über die Kritik haben wir mit dem Kurator und Leiter des Künstlerhauses Bethanien, Christoph Tannert, gesprochen.
"Ich kann die Kritik verstehen"
So könne er die Kritik verstehen, sagte Tannert im Deutschlandfunk Kultur.
"Wenn man dieses Zitat ´Space is the place` in den Vordergrund stellt, und ich kann das auch nachvollziehen in Bezug auf die Anzahl der Künstlerinnen in der Ausstellung. Allerdings ist diese Ausstellung ein Sonderprojekt im Künstlerhaus Bethanien, und da haben wir sehr viele Künstler und Künstlerinnen aus den diversesten Bereichen."
Von den insgesamt 22 Kunstschaffenden, die in der Ausstellung ihre Kunst zeigen, seien 18 weiße Männer, drei weiße Frauen und ein Mann mit asiatischen Wurzeln.
Die Auswahl sei über einen längeren Zeitraum zustande gekommen, sagte Tannert. Es sei eine Themaausstellung, die sich mit dem Weltraum, dem Kosmos, entsprechenden Projektionen, der Weltraumforschung und Technikaspekten befassen würde. Gleichzeitig seien sie nicht das Sprachrohr von Elon Musk, dem südafrikanischen Milliardär, sagte Tannert.
"In einem früheren Statement, das wir auch mit den Künstlerinnen diskutiert haben, habe ich eine Arte philosophisches Konstrukt der unterschiedlichen Perspektiven angelegt. Und da steht auf der einen Seite – der Superkapitalist, der den Weltraum und die Raumfahrt versucht zu privatisieren oder auch die Planetenausbeutung und Kolonialisierung voranzutreiben.
Auf der anderen Seite stehen für mich die Utopien schwarzer Künstlerinnen seit den 60er-Jahren, die auf der einen Seite religiös und friedlich sind und auf der anderen Seite militant gegen die US-Gesellschaft orientiert sind – im Sinne der Partei Black Panther. Und das ist sozusagen dieses philosophische Spektrum, das sich in Pro und Contra bei diesem Thema spalten lässt."
Anonymes Kollektiv hat schon öfter Ausstellung kritisiert
Das Kollektiv "Soap du Jour" hat bereits in der Vergangenheit Ausstellungen angeprangert, die ihrer Meinung nach weiß und männlich dominiert waren. In dem Protestbrief solidarisieren sie sich zunächst mit dem Künstlerhaus Bethanien, dennoch werfen die Aktivisten und Aktivistinnen Christoph Tannert "unerschütterliches Engagement für die weiße Männlichkeit" vor.
Bezogen auf diese Kritik störe Tannert, dass er nicht wisse, wem er direkt gegenüberstehe in diesem Konflikt. "Dieses Kollektiv tritt nicht aus der Anonymität heraus." So habe er an die Emailadresse des Kollektivs geschrieben, und es sei ihm auch geantwortet worden, aber "die Anonymität wird nicht gelüftet". Für Tannert sei es daher schwierig, wenn jemand "nicht mit offenen Visier kämpfen möchte und diese Art von Shitstorm im Internet entfacht. Diese Art von populistischer Panikmache ist doch einigermaßen irritierend."
Das Kunsthaus Bethanien sei bereit, den Protestbrief von "Soap du Jour" im Rahmen der Ausstellung zu veröffentlichen, "weil wir den Diskurs schätzen", so Tannert.
"Der Austausch kann immer nur produktiv werden, wenn man die Argumente der anderen Seite hört und sich durch den Kopf gehen lässt. Auf unserer Seite ist die Gesprächsbereitschaft da. Wenn es allerdings nur darum geht, eine Welle zu erzeugen, dann kann ich das vom künstlerischen Standpunkt insofern verstehen, dass alle Künstlerinnen und Künstler immer daran interessiert sind, in den Vordergrund zu treten, aber das ist nicht produktiv für die Debatte."
(jde)