"Das ist eine bodenlose Heuchelei"
Im niedersächsischen Kloster Mariensee wurden bisher Werke des 1978 verstorbenen Kirchenkünstlers Erich Klahn gezeigt. Nun wurde die Ausstellung geschlossen - weil Klahn eine zu große Nähe zu den Nationalsozialisten hatte. Klahns Familie klagt.
Erich Klahn war ein äußerst produktiver Künstler. Aquarelle, Glasmalerei, Altarkunst und vor allem gestickte Bildteppiche gehörten zu seinem Repertoire. Zu sehen sind einige seiner Werke noch heute - zum Beispiel in der Stadtkirche in Celle, im Kloster Amelungsborn oder in der Magdalenenkirche in Zella-Mehlis. Doch im Kloster Mariensee werden die Bilder von Erich Klahn wahrscheinlich nicht mehr ausgestellt. Andreas Hesse ist Direktor der hannoverschen Klosterkammer. Er verteidigt die Schließung des Klahn-Museums, das zum Besitz der Klosterkammer gehört.
"Die Kammer stützt die Kündigung auf ein Gutachten des Kunsthistorikers Henning Repetzky. Ziel war es, Aufschluss über die völkisch-rassistische Orientierung von Erich Klahn und seinen Verbindungen zu nationalsozialistischen Organisationen Aufschluss zu erhalten. Das Gutachten liegt vor."
Und in dem Gutachten des Kieler Kunsthistorikers, der sich selbst nicht öffentlich äußern will, heißt es:
"Zweifelsfrei ließ sich Erich Klahn zu einem sehr frühen Zeitpunkt von den Ideen Adolf Hitlers begeistern, er wurde bereits 1921 Mitglied der nationalsozialistischen Partei."
"Es ist eine unerträgliche Heuchelei und eine falsche Meldung",
sagt dagegen Peter Raue, Anwalt der Familie Klahn.
"Die Tatsache, dass der blutjunge Erich Klahn völkische Gedanken hatte, die ist ganz unbestritten, 1920 hat er in München Hitler reden hören und sich in eine Liste eingetragen, dass er bereit ist, Mitglied der NSDAP zu werden, mehr ist nicht geschehen. Er hat nie einen Beitrag gezahlt. Er hat nur diese Erklärung abgegeben."
Allerdings taucht sein Name in den 20er-Jahren in den Mitgliedslisten der NSDAP auf, sagt Detlef Schmiechen-Ackermann, Historiker an der Universität Hannover. Klahn habe sich zu der Zeit in völkischen Kreisen bewegt.
"Das bedeutet, dass er nie ein Verhältnis zur Demokratie gefunden hat in seinen Weimarer Jahren."
Und in dem Gutachten von Henning Repetzky ist zu lesen:
"Insgesamt war Erich Klahn von der Richtigkeit einer völkisch-niederdeutsch, nationalsozialistisch geprägten Gesellschaft überzeugt. (...) Zwar hatte sich Erich Klahn direkt keiner Verbrechen an der Menschlichkeit schuldig gemacht, doch hatte er ein geistiges Klima befürwortet und unterstützt, aus dem heraus das nationalsozialistische Regime entstehen und agieren konnte."
"Er hat zumindest loyal und bereitwillig mitgemacht"
Schmiechen-Ackermann: "Man wird sagen müssen, dass Erich Klahn es bereitwillig akzeptiert hat, dass ihn das NS-Regime für die politischen Ansprüche in Anspruch genommen hat. Und insofern hat er zumindest loyal und bereitwillig mitgemacht."
Das mag ja sein, meint Rechtsanwalt Peter Raue. Aber erstens sei diese Erkenntnis nicht neu, und zudem würde hier mit zweierlei Maß gemessen:
"Das ist eine bodenlose Heuchelei. Wir stellen in Frankfurt Emil Nolde aus, der ein glühender Hitler-Verehrer und Antisemit war, und geben dafür Staatsgelder aus, wir hören uns die Musik von Richard Strauß an."
Aber die Werke eines niedersächsischen Künstlers wie Erich Klahn würden nun plötzlich aus dem Klostermuseum verbannt. Vielleicht liegt das ja an einer neuen politischen Sensibilität im Umgang mit ehemaligen Anhängern des Nationalsozialismus. Diese Nähe entdeckt der Kunsthistoriker Peter Repetzky auch in den Werken Klahns:
"Ohne hier einen Widerspruch zu empfinden, setzte sich Erich Klahn in seinem künstlerischen Schaffen gleichzeitig sowohl mit christlichen als auch völkisch anmutenden Themen auseinander. Gar vermischte er beide Themenkomplexe und ließ in christliche Motive ganz offensichtlich völkisch-germanisch interpretierte Runen-Mystik einfließen.
Eine Vermischung, die der Historiker Detlef Schmiechen-Ackermann auch bei einigen evangelischen Pfarrern beobachtet hat, die der NSDAP nahe standen:
"Ich verstehe nicht – aus heutiger Sicht, wie man diese beiden Positionen zueinander bringen kann, wie er sich sehr stark als völkischer Aktivist präsentiert und gleichzeitig für sich in Anspruch nimmt, sich christlichen Themen zu widmen."
Verbindungen zur niedersächsichen Politik und zur Familie Albrecht
Schon lange gab es eine Verbindung zwischen der Klahn-Familie und der niedersächsischen Politik. Erich Klahns Tochter Liese Klahn-Albrecht ist verheiratet mit dem Dirigenten George Alexander Albrecht, Bruder des ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsident Ernst Albrecht (und Onkel von Ursula von der Leyen). Axel von Campenhausen, in den 70er Jahren Staatssekretär in der Landesregierung von Ernst Albrecht und danach – bis 1999 – Präsident der Klosterkammer, verfolgte die Idee, für Erich Klahn ein Museum zu schaffen.
"Der Klahn-Nachlass ruhte bei der Familie und schlummerte ein wenig. Und die Klosterkammer, die ja die Aufgabe hat, Kunst und Kultur zu pflegen, und wir haben reichlich Räume, kamen auf die Idee, dass wir in Mariensee ihm eine Heimstatt einrichten."
Befördert wurde diese Entscheidung sicherlich dadurch, dass die Witwe des Künstlers, Barbara Bosse-Klahn, bis 1992 Äbtissin des Klosters Mariensee war. 2001 ließ die Klosterkammer dann für rund 300.000 Euro zwei Etagen des Klosters Mariensee zum Museum umbauen: Ein Vorzeigeprojekt der Klosterkammer.
Für Axel von Campenhausen ist es ein Rätsel, warum einer seiner Nachfolger im Amt, der Pfarrer und CDU-Politiker Hans Christian Biallas, sich als Präsident der Klosterkammer nun von Klahn und der Stiftung distanziert:
"Zunächst einmal bin ich ratlos. Und ob das rechtlich möglich ist, das wird die Zukunft zeigen."
Der Berliner Rechtsanwalt Peter Raue, ein international renommierter Kunstexperte mit jüdischen Wurzeln, vermutet, dass die von der Klosterkammer nun angeführte Nähe Klahns zum Nationalsozialismus nur ein Vorwand sei.
"Es wäre viel ehrlicher gewesen, wenn die Klosterkammer gesagt hätte, wir wollen uns von euch trennen, denn so eine Kunstsammlung passt zu uns nicht. Das scheint mir der eigentliche Grund zu sein."
Zur Diskussion stehen nun möglichweise nicht nur die rund 450 Werke, über die die Klosterkammer verfügt, sondern auch einige Klahn-Objekte, die in niedersächsischen Kirchen – vor allem im Raum Celle - zu finden sind. Stephanie Springer ist Präsidentin des Landeskirchenamtes der hannoverschen Landeskirche.
"Aus Sicht der Landeskirche haben wir keinen Anlass, eine Ächtung oder eine Beseitigung aus dem öffentlichen Raum empfehlen zu müssen."
Damit stellt sich Stephanie Springer gegen die Entscheidung der Klosterkammer, das Klahn-Museum zu schließen.
"Aus meiner Sicht finde ich es sinnvoll, dass eine Gesellschaft, wenn sie die Vergangenheit bewältigen will, sich aktiv auseinandersetzen muss, und das kann sie nicht, indem sie Kunst wegsperrt und eine Diskussion darüber verhindert. Ich finde es sinnvoll, wenn man die Kunst stehen lässt, sich aber durchaus sehr kritisch mit dem Künstler auseinandersetzt."
Die Auseinandersetzung um die Vergangenheit Erich Klahns wird weitergehen. Die Klahn-Familie hat gegen die Entscheidung der Klosterkammer eine einstweilige Verfügung eingelegt. Darüber muss nun das Landgericht Hannover am kommenden Mittwoch entscheiden.