Vorwurf: Kulturkannibalismus
Die Kulturpolitik in Mecklenburg-Vorpommern sorgt für Endzeit-Stimung bei den Theatern und Orchestern des Landes. Mathias Brodkorb (SPD), Kulturminister des Landes, spart mit brachialen Methoden. Auch das geplante Museum für Caspar David Friedrich in dessen Geburtsstadt Greifswald kippte er.
Selten hat ein Landespolitiker soviel Vorschusslorbeeren erhalten wie Mathias Brodkorb. Sowohl die Kulturgemeinde im Land als auch die Kollegen im Landtag werteten den gelernten Philosophen als eine "gute Wahl", als "eloquent", als "kulturpolitischen Fachmann." Heute – nach einem Jahr im Amt - gelingt es dem CDU-Fraktionschef Vincent Kockert nur mühsam eine wohlwollende Antwort auf die Frage zu geben, wie er Bordkorbs Arbeit beurteilt:
"Also, ich glaube, der Minister Brodkorb hat so viele Baustellen in seinem Ministerium, da ist Kunst und Kultur ein sehr wichtiger. Ich finde schon, dass ein Jahr nach der Regierungsbildung, es auch noch einem jungen Minister gestattet sein muss, erst mal seine Erfahrungen zu sammeln."
Nur wie lange noch? Denn Mathias Brodkorb ist dabei, einem Bulldozer gleich, die gesamte Kulturlandschaft niederzuwalzen, so als wäre Kultur an sich, das Überflüssigste von allem, was die 1,6 Millionen Menschen im Bundesland brauchen.
Allen voran die sieben Theater und vier Symphonie-Orchester des Landes. Neun Reformmodelle legte das Ministerium den zuständigen Kommunen und Landkreisen vor, die nun drei Wochen Zeit haben zwischen Pest und Cholera zu entscheiden. So jedenfalls lautet die Ansicht vieler Bürgermeister und Landräte, die Thorsten Koplin, der kulturpolitische Sprecher der Linksfraktion zusammenfasst:
"Kulturkannibalismus tritt ein, wenn ein oder zwei Leuchttürme im Land erstrahlen, hingegen deshalb an anderen Standorten Lichter ausgehen. Gegen die so entstehende Dunkelheit helfen auch noch so große Leuchttürme wenig."
Dem Volkstheater in Rostock und dem Theater Schwerin droht die Pleite. Das Theater Vorpommern in Greifswald und Stralsund versucht gerade einen Neustart. Die Orchester- und Theatergemeinschaft in Neubrandenburg-Neustrelitz zerfällt zusehends in ihre Einzelteile. Das ist - grob gezeichnet - die Lage in Mecklenburg-Vorpommern. 35,8 Millionen Euro jährlicher Zuschuss für die Theater sind rund 53 Prozent gesamten Kulturetats des Landes. Brodkorb spricht von einer "einfachen mathematischen Aufgabe".
Brodkorb: "Im Finanzausgleichsgesetz steht eine Summe drin, die das Land bereitstellt. Dieser Betrag ist nicht dynamisiert, der ist konstant. Die Kommunen wollen teilweise ihre Finanzierungsanteile auch reduzieren. Und unter diesen Bedingungen gibt es ein Zuviel an Theater. Gemessen an dem was man sich wünschen kann, würde ich das nicht unterschreiben oder unterstreichen."
22,30 Euro pro Jahr und Einwohner, rechnet Brodkorb den Kommunen gerne vor, leistet sich das Bundesland und liegt damit doppelt so hoch wie der Bundesdurchschnitt. Und daran soll sich bis 2020 nichts ändern, so dass die Theater und Orchester durch Tariferhöhungen und Preissteigerungen langsam aber sicher pleite gehen. Wie aktuell das Rostocker Theater, dem rund 1,4 Millionen Euro fehlen. Intendant Peter Leonard hält, entnervt von den Zahlenspielen des Ministers, dagegen:
"Es ist wohl war, das pro Einwohner die Beiträge in diesem Land nicht niedrig sind. Die Beiträge pro Besucher sind wesentlich besser, und darauf beziehe ich mich, nicht auf Modelle, sondern auf mein Publikum. Jede Region in diesem großen Land hat unterschiedliche Eigenschaften und das Angebot, das wir bringen, versuche ich zu stricken, nach den demografischen, sozialen Verhältnissen in Rostock und in der Region. Keine Modelle, von diesen mindestens haben diese Eigenschaften der unterschiedlichen Teile des Landes berücksichtigt."
Endzeit-Stimmung in der Theater- und Orchester-Landschaft! Zu diesem Schluss kommt nicht nur Jürgen Suhr, Fraktionschef der Grünen im Landtag:
"Die Lage war noch nie so bedrohlich, denn seit Vorlage der Modelle ist klar, die Theater und Orchester Mecklenburg-Vorpommerns sind massiv in ihrer derzeitigen Struktur oder gar in ihrer Existenz gefährdet."
Brodkorbs Brachialfahrt durch die Kulturlandschaft hat erst begonnen. Zu spüren bekam es zunächst Dirk Blübaum, Direktor des Staatlichen Museums Schwerin, der sich zu früh freute über ein neues Günther Uecker- Museum. Grundlage ist die Sammlung von Friedel Drautzburg. Der Berliner Kneipier bot 14 Uecker-Objekte zum Kauf an, zu einem Preis um 1,2 Millionen Euro. Sie sollten – zusammen mit weiteren 14 Werken aus dem Auswärtigen Amt - im leeren Marstall gezeigt werden. Doch Brodkorb stellte alle Verhandlungen auf Stopp.
Brodkorb: "Ich sehe keine wirtschaftliche Lösung hier im Marstall für die Präsentation der Werke Ueckers. Die Ausstellung, die man präsentiert, und die laufenden Kosten müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen und das ist aus meiner Sicht nicht gegeben, aus Sicht des Finanzministeriums nicht."
Angeblich fehlt ihm eine "belastbare Kalkulation für die Umbaukosten des Marstalles". Jetzt kommen die meisten Uecker-Installationen in den Keller des Staatlichen Museums, weil in den Ausstellungsräumen kein Platz ist. Nicht nur der Sammler Friedel Drautzburg kann diese Ignoranz des Ministers nicht verstehen:
Drautz: "Sie erwerben doch etwas, was unglaublich viel Gewinn nach sich bringt. Wenn Touristen dahin kommen, wenn Kunstbewunderer dahin kommen. Das spricht sich rum, und immer mehr kommen. Und Ueckers Kunst ist eine ganz große Weltkunst."
Mathias Brodkorb kippte auch das geplante Museum für Caspar David Friedrich in dessen Geburtsstadt Greifswald. In einer seiner ersten Amtshandlungen gab das Ministerium der Stadt zu verstehen, dass sich das Land weder an den zehn Millionen Euro Baukosten noch an den laufenden Betriebskosten beteiligen wird. Bleibt noch das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege, zuständig für die gesamten Kulturschätze im Land. Nachdem das archäologische Museum im Schweriner Schloss 1992 geschlossen wurde, weil die Landtagsabgeordneten mehr Platz brauchten, wurden die meisten Exponate in zwölf Notdepots untergebracht, wo sie langsam aber sicher vor sich hin gammeln.
Der Schaden ist unermesslich, doch es interessiert keinen. Schon gar nicht Minister Brodkorb. Und so klingt der Vorschlag des Landesamtsdirektors Michael Bednorz fast wie ein schlechter Scherz. Er will die besten Stücke bei Ebay versteigern, um wenigstens zu retten, was noch zu retten ist. Wie gesagt, nur ein Scherz – aber einer mit sehr viel Tiefgang.
"Also, ich glaube, der Minister Brodkorb hat so viele Baustellen in seinem Ministerium, da ist Kunst und Kultur ein sehr wichtiger. Ich finde schon, dass ein Jahr nach der Regierungsbildung, es auch noch einem jungen Minister gestattet sein muss, erst mal seine Erfahrungen zu sammeln."
Nur wie lange noch? Denn Mathias Brodkorb ist dabei, einem Bulldozer gleich, die gesamte Kulturlandschaft niederzuwalzen, so als wäre Kultur an sich, das Überflüssigste von allem, was die 1,6 Millionen Menschen im Bundesland brauchen.
Allen voran die sieben Theater und vier Symphonie-Orchester des Landes. Neun Reformmodelle legte das Ministerium den zuständigen Kommunen und Landkreisen vor, die nun drei Wochen Zeit haben zwischen Pest und Cholera zu entscheiden. So jedenfalls lautet die Ansicht vieler Bürgermeister und Landräte, die Thorsten Koplin, der kulturpolitische Sprecher der Linksfraktion zusammenfasst:
"Kulturkannibalismus tritt ein, wenn ein oder zwei Leuchttürme im Land erstrahlen, hingegen deshalb an anderen Standorten Lichter ausgehen. Gegen die so entstehende Dunkelheit helfen auch noch so große Leuchttürme wenig."
Dem Volkstheater in Rostock und dem Theater Schwerin droht die Pleite. Das Theater Vorpommern in Greifswald und Stralsund versucht gerade einen Neustart. Die Orchester- und Theatergemeinschaft in Neubrandenburg-Neustrelitz zerfällt zusehends in ihre Einzelteile. Das ist - grob gezeichnet - die Lage in Mecklenburg-Vorpommern. 35,8 Millionen Euro jährlicher Zuschuss für die Theater sind rund 53 Prozent gesamten Kulturetats des Landes. Brodkorb spricht von einer "einfachen mathematischen Aufgabe".
Brodkorb: "Im Finanzausgleichsgesetz steht eine Summe drin, die das Land bereitstellt. Dieser Betrag ist nicht dynamisiert, der ist konstant. Die Kommunen wollen teilweise ihre Finanzierungsanteile auch reduzieren. Und unter diesen Bedingungen gibt es ein Zuviel an Theater. Gemessen an dem was man sich wünschen kann, würde ich das nicht unterschreiben oder unterstreichen."
22,30 Euro pro Jahr und Einwohner, rechnet Brodkorb den Kommunen gerne vor, leistet sich das Bundesland und liegt damit doppelt so hoch wie der Bundesdurchschnitt. Und daran soll sich bis 2020 nichts ändern, so dass die Theater und Orchester durch Tariferhöhungen und Preissteigerungen langsam aber sicher pleite gehen. Wie aktuell das Rostocker Theater, dem rund 1,4 Millionen Euro fehlen. Intendant Peter Leonard hält, entnervt von den Zahlenspielen des Ministers, dagegen:
"Es ist wohl war, das pro Einwohner die Beiträge in diesem Land nicht niedrig sind. Die Beiträge pro Besucher sind wesentlich besser, und darauf beziehe ich mich, nicht auf Modelle, sondern auf mein Publikum. Jede Region in diesem großen Land hat unterschiedliche Eigenschaften und das Angebot, das wir bringen, versuche ich zu stricken, nach den demografischen, sozialen Verhältnissen in Rostock und in der Region. Keine Modelle, von diesen mindestens haben diese Eigenschaften der unterschiedlichen Teile des Landes berücksichtigt."
Endzeit-Stimmung in der Theater- und Orchester-Landschaft! Zu diesem Schluss kommt nicht nur Jürgen Suhr, Fraktionschef der Grünen im Landtag:
"Die Lage war noch nie so bedrohlich, denn seit Vorlage der Modelle ist klar, die Theater und Orchester Mecklenburg-Vorpommerns sind massiv in ihrer derzeitigen Struktur oder gar in ihrer Existenz gefährdet."
Brodkorbs Brachialfahrt durch die Kulturlandschaft hat erst begonnen. Zu spüren bekam es zunächst Dirk Blübaum, Direktor des Staatlichen Museums Schwerin, der sich zu früh freute über ein neues Günther Uecker- Museum. Grundlage ist die Sammlung von Friedel Drautzburg. Der Berliner Kneipier bot 14 Uecker-Objekte zum Kauf an, zu einem Preis um 1,2 Millionen Euro. Sie sollten – zusammen mit weiteren 14 Werken aus dem Auswärtigen Amt - im leeren Marstall gezeigt werden. Doch Brodkorb stellte alle Verhandlungen auf Stopp.
Brodkorb: "Ich sehe keine wirtschaftliche Lösung hier im Marstall für die Präsentation der Werke Ueckers. Die Ausstellung, die man präsentiert, und die laufenden Kosten müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen und das ist aus meiner Sicht nicht gegeben, aus Sicht des Finanzministeriums nicht."
Angeblich fehlt ihm eine "belastbare Kalkulation für die Umbaukosten des Marstalles". Jetzt kommen die meisten Uecker-Installationen in den Keller des Staatlichen Museums, weil in den Ausstellungsräumen kein Platz ist. Nicht nur der Sammler Friedel Drautzburg kann diese Ignoranz des Ministers nicht verstehen:
Drautz: "Sie erwerben doch etwas, was unglaublich viel Gewinn nach sich bringt. Wenn Touristen dahin kommen, wenn Kunstbewunderer dahin kommen. Das spricht sich rum, und immer mehr kommen. Und Ueckers Kunst ist eine ganz große Weltkunst."
Mathias Brodkorb kippte auch das geplante Museum für Caspar David Friedrich in dessen Geburtsstadt Greifswald. In einer seiner ersten Amtshandlungen gab das Ministerium der Stadt zu verstehen, dass sich das Land weder an den zehn Millionen Euro Baukosten noch an den laufenden Betriebskosten beteiligen wird. Bleibt noch das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege, zuständig für die gesamten Kulturschätze im Land. Nachdem das archäologische Museum im Schweriner Schloss 1992 geschlossen wurde, weil die Landtagsabgeordneten mehr Platz brauchten, wurden die meisten Exponate in zwölf Notdepots untergebracht, wo sie langsam aber sicher vor sich hin gammeln.
Der Schaden ist unermesslich, doch es interessiert keinen. Schon gar nicht Minister Brodkorb. Und so klingt der Vorschlag des Landesamtsdirektors Michael Bednorz fast wie ein schlechter Scherz. Er will die besten Stücke bei Ebay versteigern, um wenigstens zu retten, was noch zu retten ist. Wie gesagt, nur ein Scherz – aber einer mit sehr viel Tiefgang.