Vulkanforschung: Künstliche Intelligenz soll Vulkanausbrüche vorhersagen [AUDIO]
Prognosen darüber, wann ein Vulkan Lava und Asche speit sind sehr komplex. Ein Projekt am Geoforschungszentrum in Potsdam versucht derzeit, mithilfe von künstlicher Intelligenz Vorhersagen genauer zu machen - genauer gesagt, ein Algorithmus, der Satellitenbilder auswertet. Magdalena Neubig über den Versuch, aus dem All die Geheimnisse der Vulkane zu entschlüsseln.
Vulkan auf La Palma
Blick auf den Lavastrom auf La Palma: Wissenschaftler der LMU München haben akustische Messinstrumente und Blitzsensoren in unmittelbarer Nähe des Vulkans platziert. © imago images / Agencia EFE
Forscher auf der Spur des Ausbruchs
06:49 Minuten
Feuer, Lava und Asche: All das spuckt der Vulkan auf La Palma weiterhin. Mehrere Forschungsteams, auch deutsche, sind auf der Insel, um den Ausbruch aus der Nähe zu beobachten. Denn ein speiender Berg sendet Botschaften, die es zu entschlüsseln gilt.
Das Prasseln erinnert an Regen – der hier, auf der Kanareninsel La Palma, nicht selten fällt. Wäre da nicht das bedrohliche Wummern im Hintergrund: Der Lärm kommt vom Ausbruch des Vulkans an der Bergkette Cumbre Vieja.
Was da herunterregnet, sagt Ulrich Küppers, ist alles andere als normaler Niederschlag. Der Vulkanforscher von der Ludwig-Maximilians-Universität muss sich anstrengen, um gegen die Geräuschkulisse anzureden. "Ja, das ist kein Regen! Oder: Es ist letztlich Regen von vulkanischen Bruchstücken, von Lavabruchstücken, die der explosive Vulkan ausgestoßen hat", erklärt er.
"Wir haben eine Plastikfolie ausgelegt und sammeln jetzt praktisch die Partikel, die herunterfallen", erzählt er. "Das gibt uns eine super Auflösung. Wir wissen genau, an welchem Tag und um wie viel Uhr das Material gefallen ist. Wir können es analysieren und vergleichen mit Proben, die gestern oder vorgestern genommen wurden – oder morgen genommen werden."
Leid für die Menschen, Glücksfall für die Wissenschaft
Bei allem Leid für Anwohner, die Häuser, Hab und Gut durch Lava verloren haben: Für die Wissenschaft sei es ein Glücksfall, einem Vulkanausbruch zuzusehen, sagt Ulrich Küppers. Wie zahlreiche Kollegen aus aller Welt will er verstehen, was sich vor und während der Eruptionen im Erdinneren und rund um den Ausbruchsort abspielt.
Gemeinsam mit seinem Kollegen Corrado Cimarelli untersucht Küppers vor allem die aschereichen Explosionen des feuerspeienden Bergs. Dazu wagen sich die beiden Forscher ganz nah ran an den Vulkan.
Die Wissenschaftler der LMU München haben akustische Messinstrumente und Blitzsensoren in unmittelbarer Nähe des Vulkans platziert. Immer wieder müssen sie in die Gefahrenzone, um die Geräte vom Ascheregen zu reinigen.
Aufschlussreiche Blitze aus der Aschewolke
Die Eruptionen, sagt Corrado Cimarelli, lösten nicht nur Niederschläge von Vulkanstaub und Asche aus. Sie erzeugten auch Wolken, aus denen sich Gewitter entladen.
"Diese Blitze würden normalerweise aus normalen Wolken entstehen, aber in diesem Fall sind es eigentlich Aschewolken, die wir messen", erläutert er. "Diese Aschepartikel laden sich auf, und dann entstehen die Blitze. Meine wissenschaftliche Frage ist jetzt: Wie klein muss ein Ausbruch sein, dass ich diese Blitze noch messen kann?"
Auch kleinen Entladungen, die große Ausbrüche ankündigen können, will Cimarelli so auf die Schliche kommen. Seit Jahren lässt er dazu in seinem Münchner Labor Minivulkane explodieren – wo sich einzelne Messgrößen eines Ausbruchs besser kontrollieren lassen als in freier Natur.
Wichtige Ergänzung zur Forschung im Labor
Die Forschung vor Ort auf La Palma ergänze diese Experimente, um das elektromagnetische Geschehen in "echten" Aschewolken besser zu verstehen. "Das wäre in Zukunft sehr, sehr wichtig", sagt er.
"Wenn ein Vulkan entfernt ist oder dort keine Instrumente sind. Weil: Wir können diese Blitze aus mehreren Kilometern Entfernung messen. Wir reden von Hunderten Kilometern. Da würden wir dann versuchen, Ausbrüche zu finden, die wir nicht sehen können", erklärt Cimarelli.
Art wie Anzahl der Blitze könnten Aufschluss geben, wie viele und welche Partikel ein Vulkan in Zukunft ausstößt. Vorhersagen, wie sich die Aschewolken verteilen, sind wichtig für den Luftverkehr: In den vergangenen Wochen musste der Flughafen von La Palma immer wieder wegen Vulkanasche geschlossen werden. Für möglichst präzise Vorhersagen beobachten die Forscher verschiedene Faktoren.
Satelliten, Drohnen und ein U-Boot im Einsatz
"So ein Vulkan ist wie ein Patient", sagt Corrado Cimarelli. "Wenn er etwas hat, dann müssen wir mit verschiedenen Techniken gucken, was er hat – und die Parameter messen: Seismologie, Geochemie, Petrologie." All das gehöre zusammen, um zu reflektieren, was eigentlich ein Vulkan macht.
Bleibt man in diesem Bild, so wird der "Babyvulkan" überwacht wie ein Patient auf der Intensivstation: Ein amerikanisches U-Boot mit thermischen Sensoren untersucht, wie sich Lava im Meer auf die Flora und Fauna auswirkt.
Drohnen und Satelliten überfliegen den Krater, liefern punktgenaue Bilder für die Prognose von Lavaströmen. Spektrometer messen Schwefelkonzentrationen in der Luft – sie gibt Hinweise darauf, wie viel Magma noch aufsteigen wird.
"Der Vulkan schickt uns andauernd Botschaften, quasi Telegramme. Wir lernen immer noch, diese zu entschlüsseln – und sie zu interpretieren", sagt Nemesio Pérez. Er ist der wissenschaftliche Koordinator des kanarischen Vulkanforschungsinstituts Involcan.
"Das hilft uns sehr, das Monitoring zu verbessern"
Die Unterstützung internationalen Forscher - wie seiner Münchner Kollegen – sei dabei von unschätzbaren Wert, ergänzt Pérez' Kollege, der junge Seismologe Iván Cabrera. Sie helfe Wissenschaftlern - wie auch der Bevölkerung, die vor den Lavaströmen bangt. "Schon vor dem Ausbruch hatten wir sechs Seismometer installiert, die über Breitband-Verbindung kontinuierlich Daten lieferten", erzählt er.
"Dank mobiler Messstationen von Kollegen konnten wir jetzt unser Überwachungsnetz deutlich verdichten. Damit bekommen wir jetzt genauere Informationen darüber, wie sich der Magma-Druck im Vulkan entwickelt, ob die Dynamik ab oder zunimmt", erklärt der Seismologe. "Das hilft uns sehr, das Monitoring zu verbessern, um eine noch größere Tragödie für die Menschen auf La Palma zu verhindern."