Wiederaufbau auf La Palma
Der Ausbruch des Vulkans auf La Palma ist beendet. Nun müssen die Bewohner der Kanareninsel versuchen, nach einer Zeit voller Angst und Zerstörung, ihren Lebensmut wiederzufinden. © AFP / Jorge Guerrero
Den Vulkan als Chance begreifen
21:57 Minuten
3000 zerstörte Gebäude, über 7000 evakuierte Menschen und 600 Menschen, die ihr Zuhause verlieren - das ist die Bilanz des Vulkanausbruchs auf La Palma. Nach einem halben Jahr Naturgewalt soll „La isla bonita“ nun wieder eine schöne Insel werden.
“Direkt hinter meinem Hof, gefühlt, als könnte ich rüberspucken, de facto wahrscheinlich zwischen fünf- bis achthundert Meter entfernt, schoss auf einmal eine riesige Fontäne in den Himmel", erinnert sich Jakob Schuster.
"Das Ganze hörte sich an wie ein Grollen, Rauschen, Grummeln, als ob Mutter Erde in einem Zwei-Meter-Geburtskanal mit 350 Stundenkilometern einen Güterzug zur Welt bringt.“
Um 15.12 Uhr Ortszeit am 19. September 2021 begann auf La Palma eine neue Zeit. Die Palmeros, wie die Bewohner der Insel genannt werden, waren nicht unvorbereitet.
La Palma war vorgewarnt
Das Nationale Institut für Geografie hatte seit dem Samstag der Vorwoche Erdbeben registriert. Sehr schwache Erdbeben zwar, aber auch sehr viele: Um die 25.000 waren es bis zum Ausbruch gut eine Woche später. Die Entwicklung der Erdbebenschwärme, des sogenannten Tremors, war für die Wissenschaftler ein Warnsignal.
Als die Erdkruste aufbrach, waren Katastrophenschutzpläne schon seit Tagen in Kraft. Sogar vorsorgliche Evakuierungen waren angelaufen: Am Sonntagvormittag wurden aus einigen Gemeinden um die 300 Menschen, die wegen ihres Alters oder Erkrankungen nicht mehr mobil waren, in andere Ortschaften gebracht, die als sicher galten.
Ohrenbetäubender Lärm
In diesen Stunden ahnte niemand, dass noch am gleichen Abend um die 5000 Menschen wegen des Vulkans ihre Wohnungen und Häuser würden verlassen müssen.
“Wir hatten zwei Häuser mit Gästen belegt. Ich habe denen noch erklärt: Leute, ich müsste euch jetzt bitten, eure Notfallsachen zu packen, auch auf die Gefahr hin, dass es vielleicht umsonst ist. Man kann nicht sagen, ob der Vulkan in zwei Minuten oder in drei Jahren ausbricht.
Wenn es umsonst war, entschuldige ich mich schon mal. Zwei Minuten später tut es einen mordsmäßigen Schlag. Ein ohrenbetäubender Lärm und ab dem Moment waren wir und die Gäste im Laufschritt unterwegs.”
Jakob Schuster und Sandra Behrendt hatten eine Finca auf La Palma. Ein kleines Dorf hatten sie daraus gemacht, mit vier Ferienhäuschen. Ihr “Pueblo Munay”, gelegen im Paradies. El Paraiso, Postleitzahl 38759.
"Wir haben alles reingesteckt"
Im Aridane-Tal, im Westen der Insel. Zwei Kilometer Luftlinie vom Vulkan entfernt - und genau auf dem Weg des ersten Lavastroms.
“Als wir das Grundstück gefunden haben, war es uns in die Augen sehen und wissen: Das ist unser Zuhause. Eigentlich habe ich gedacht, das ist auch der Ort, wo ich eines Tages mal sterben werde. Und wir haben alles reingesteckt. Es war einfach unser Baby."
Seit fünf Jahren lebt das knapp fünfzigjährige Ehepaar auf der Insel, hat das “Pueblo Munay” mit viel Herzblut und eigener Hände Arbeit liebevoll hergerichtet. Ein Großteil eines Erbes ist in das Projekt geflossen.
Flucht mit Vater, Hunden und Katzen
Als der Vulkan ausbricht, fliehen Sandra und Jakob in ihrem Auto, mit dabei: Sandras Vater, zwei Hunde, drei Katzen und wichtige Papiere. Alles andere bleibt zurück und verschwindet unter der Lava.
Bis der Vulkan erlischt, werden fast 3000 Gebäude zerstört sein, die Hälfte davon Wohnhäuser. Zeitweise sind mehr als 7000 Menschen aus Ortschaften evakuiert, um die 600 Menschen verlieren dauerhaft ihr Zuhause.
Während sich die Lava in den nächsten Wochen und Monaten über rund zehn Quadratkilometer im Westen der Insel Richtung Meer wälzt, nimmt auch der Tourismus Schaden: Ein Zehntel der Gästebetten in Ferienapartments, die es auf der Insel gab, sind schon früh zerstört oder unter meterhohen Ascheschichten begraben.
"Es traut sich kaum noch jemand auf die Insel"
Von den Hotelbetten sind etwa die Hälfe weg oder lahmgelegt, denn die Lava hat auch den Zugang nach Puerto Naos versperrt, wo die mit Abstand größte Hotelanlage der Insel steht.
"Kaum jemand traut sich noch auf die Insel", sagt Hoteldirektor Karim Gagstetter im November. Er leitet eine Hotel- und Apartmentanlage auf der Ostseite der Insel. Sie ist für ihre Gartenoase bekannt, in der sich auch viele Vögel wohlfühlen.
Hotel und Apartments sind in kanarisch bunten Farben gehalten, aber der Himmel ist an diesem Tag wieder einmal von der Aschewolke verdunkelt, die über den Bergkamm von der Vulkanseite aus herüberzieht:
“Wir mehr brauchen den internationalen Tourismus. Aber dadurch, dass es immer weniger Anfragen gibt, gibt es auch immer weniger Flüge. Das macht es natürlich noch schwieriger. Deswegen laden wir alle ein, La Palma zu besuchen.
Man muss natürlich wissen, wenn man La Palma besucht, kann es sein, dass es einen Tag Asche gibt. Es gibt gewisse Sachen, die zum Vulkan dazugehören. Aber man kann auch viel von der Insel genießen, sehen. Und wenn man kommt, wäre es sozusagen eine Solidaritätsreise.”
Vulkantourismus als Alternative
Die meisten Touristen, die jetzt im November doch noch auf die Insel kommen, wollen vor allem den Vulkan sehen. In einem Minibus soll eine organisierte Tour zu den besten Aussichtspunkten gehen:
“Ich habe schon viel gesehen in den letzten drei Tagen und du siehst das in richtigen Zeit. Du schmeckst die Luft einfach, Schwefel.
Deine Haare sind voll mit Asche und das Geräusch ist wie ein Flugzeug. Fünfzehn Flugzeuge, das ist Gänsehaut. Es ist phänomenal. Dann bin ich glücklich.”
Marc Peters hat schon zwanzig Vulkane besucht, überall auf dem Globus. Er sei aber kein Katastrophentourist, betont er.
Auf dem Aussichtspunkt “El Time” in 500 Metern Höhe schaut man von der Terrasse einer Kneipe aus über das ganze Aridane-Tal. Nach Sonnenuntergang sieht man die rotglühende Lava und die Feuerfontäne aus dem Vulkankegel.
Touristen kommen sogar aus Brasilien
Vor allem für Touristen eine Sensation, aber auch manche Einheimische trinken hier ein Bier mit Vulkanblick. Und Jonas Pérez, der die Vukan-Besichtigungstour organisiert, ist froh über jeden einzelnen Vulkantouristen, den er hierher fahren kann:
“Als das mit dem Vulkan losgegangen ist, haben unsere traditionellen Gäste, die wir eine Woche lang täglich zu Wandertouren bringen und wieder abholen, komplett storniert. Erst am sechsten, siebten Tag bekamen wir Anfragen, den Vulkan zu sehen.
“Als das mit dem Vulkan losgegangen ist, haben unsere traditionellen Gäste, die wir eine Woche lang täglich zu Wandertouren bringen und wieder abholen, komplett storniert. Erst am sechsten, siebten Tag bekamen wir Anfragen, den Vulkan zu sehen.
Und als eine Dame extra aus Brasilien nach La Palma kommen wollte, waren wir erst mal geschockt - aber gleichzeitig hat es Klick gemacht: Wenn sie aus Brasilien kommen, kommen vielleicht auch andere, um den Vulkan zu sehen. Und das war der Beginn der Veränderung.”
Seit Wochen bietet der schlanke, groß gewachsene Palmero mit Dreitagebart jetzt zusammen mit seiner Frau praktisch jeden Tag zwei Ausflugstouren zu den besten Beobachtungspunkten an. Seine Angestellten musste er entlassen. Als Kleinunternehmer bekommt er keine Unterstützung wegen der Touristenflaute. Weder von der Kommune, noch von der Inselregierung, noch vom Staat.
Auch er, seine Frau und seine Tochter gehören zu den 7000 Menschen, die ihre Wohnung wegen der Lava verlassen mussten. Sie wohnen zurzeit bei seinen Eltern. Wir müssen es eben nehmen, wie es ist, sagt Jonas, und den Vulkan als Chance begreifen, so schrecklich die Auswirkungen für viele im Moment auch sind.
“Wir hoffen, dass wir den Vulkan und die Lava nutzen können, dass wir Exkursionen anbieten können. Mit etwas Glück gibt es auch Lavaröhren und vielleicht kann man die dann besichtigen. Ich glaube, dass La Palma den Vulkan als touristische Ressource nutzen sollte.”
“Wir hoffen, dass wir den Vulkan und die Lava nutzen können, dass wir Exkursionen anbieten können. Mit etwas Glück gibt es auch Lavaröhren und vielleicht kann man die dann besichtigen. Ich glaube, dass La Palma den Vulkan als touristische Ressource nutzen sollte.”
Auch die Landwirtschaft leidet
Der Tourismus ist der eine Wirtschaftszweig, aber auch der größte Sektor der Insel leidet: die Landwirtschaft. Genauer: der Bananenanbau. Er macht die Hälfte der Wirtschaftsleistung aus, fast ein Drittel der Arbeitsplätze. Und die produktivsten Plantagen liegen ausgerechnet im Aridane-Tal.
Knapp 250 Hektar Plantagen hat die Lava verschlungen - aber auch da, wo es nur Asche geregnet hat, sieht es übel aus, sagt Plantagenbesitzer Victor Manuel Bonilla. In Arbeitshose und fleckigem Poloshirt steht er an seinen dunkelblauen Pick-up gelehnt. Er hat Plantagen im Sperrgebiet und knapp außerhalb, in La Laguna.
An der Straße dort stehen Lagerhäuser und eine kleine Hütte. Eine improvisierte Cafeteria ist Treffpunkt der Landwirte:
An der Straße dort stehen Lagerhäuser und eine kleine Hütte. Eine improvisierte Cafeteria ist Treffpunkt der Landwirte:
“Es gibt viele Betriebe, deren Ernte ist durch die Asche unbrauchbar geworden - vielleicht sogar für mehrere Jahre. In manchen Gegenden ist es noch schlimmer. Da sind die Gewächshäuser durch das Gewicht der Asche zusammengebrochen.
Wir haben die Infrastruktur verloren und die Pflanzen. Jetzt kämpfen wir Landwirte darum, dass man uns hinlässt, um die Trümmer zu beseitigen und Geräte zu retten.”
Victor Manuel trinkt einen café solo. Der ist gezuckert, er ist verbittert: Die Absperrungen seien viel zu rigoros, Ausnahmegenehmigungen zu schwer zu bekommen.
“Immer wenn ich mich beschwere, kommen sie damit, dass die Gase gefährlich sind. Ich glaube da nicht dran. Die halten einfach an ihrem Sicherheitsbereich fest und kümmern sich nicht darum, was demnächst passiert.
Weil wir nämlich in dieser Zeit nicht retten können, was noch zu retten wäre. Da werden viele zum wirtschaftlichen Tod verurteilt.”
Solidarität auf den Kanareninseln ist groß
Manche sind schon von der Insel geflohen. Einheimische und Residenten. Jakob und Sandra sind im Haus einer Freundin auf Teneriffa untergekommen. Die Solidarität auf La Palma selbst, aber auch auf anderen Kanareninseln war von Anfang an groß. Es gab Geld- und Sachspenden. Es gab Hilfeversprechen vom Staat. Zum Beispiel Soforthilfe für diejenigen, die alles verloren haben, bis zu 30.000 Euro. Zusagen der Gebäudeversicherungen, vulkanbedingte Schäden zu regulieren.
Aber nach zwei Monaten sind praktisch noch keine Soforthilfen ausgezahlt. Inselpräsident Mariano Zapata stammt selbst aus dem Aridane-Tal, hat immer wieder öffentlich Hilfe versprochen.
Sein Büro liegt in der ersten Etage des modernen Inselrathauses in Santa Cruz de La Palma auf der Ostseite der Insel. Der Inselpräsident ist ein jugendlich wirkender Vierziger: schmales Gesicht, kurze Haare, akkurat gestutzter Vollbart. Zapata ist Hobby-Triathlet - und Ausdauer braucht man sicherlich, um die Vulkankatastrophe zu bewältigen.
Wohnraum schaffen ist das Wichtigste
"Das Allerwichtigste sind Wohnungen", sagt Zapata:
“Die schnelle Lösung ist, leer stehende Häuser und unfertige Neubauten zu kaufen. Noch vor Ende des Jahres hoffen wir, rund 100 Häuser zur Verfügung zu haben. Und in Los Llanos und El Paso laufen die Vorbereitungen, um 100 Containerwohnungen und Blockhäuser aufzubauen.”
Gut zwei Monate sind jetzt seit dem Beginn des Vulkanausbruchs vergangen. Nur ein paar Dutzend Familien sind bisher in Wohnungen untergekommen, die die Behörden angemietet haben. Der Rest lebt bei Freunden oder Familie oder hat auf eigene Faust gemietet.
Über 30 Millionen Euro wurden schon gezahlt
Das Rote Kreuz gibt einen Mietzuschuss. Wenigstens die Hilfe vom Roten Kreuz funktioniert, sagen viele. Und der Inselpräsident verweist darauf, dass auch die Versicherungen schon auszahlen:
“Ich kann Ihnen sagen, dass das Entschädigungskonsortium bereits mehr als 30 Millionen Euro gezahlt hat, wobei 80 Prozent an die Haushalte gegangen sind. Und Sie wissen, dass wir versucht haben, für die Landwirtschaft die zerstörten Bewässerungsleitungen zu ersetzen.
Mit zwei aufgestellten Entsalzungsanlagen und mit einem Schiff, das Süßwasser zur Aridane-Küste bringt. Und es wird auch in die weiter oben gelegene Gebiete gepumpt, damit auch da Ernten gerettet werden können.”
Am 25. Dezember endet der Ausbruch
Derweil spuckt der Vulkan weiter Asche, die Entsorgung ist eine mühselige Arbeit. Straßen werden freigeräumt, oft von Trupps mit Schaufel und Besen - auch eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Aber die Dächer müssen unbedingt freigeschaufelt werden, denn wenn es regnet, saugt die Asche Wasser auf, wird fest und schwer - es droht Einsturzgefahr.
Noch Anfang Dezember verschwinden Häuser unter der Lava - bis der Vulkan plötzlich in der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember verstummt. Am 25. Dezember erklären die Behörden den Ausbruch für beendet. Sandra und Jakob sind da schon wieder auf der Insel, nach mehreren Stationen bei Freunden und Bekannten auf Nachbarinseln. Sie schicken eine Sprachnachricht:
“Mit deinen drei Tüten und den Tieren immer irgendwie hin- und herzuziehen, war einfach auch nicht mehr tragbar. Und der erste Kontakt natürlich, als wir von El Paso runtergefahren sind und das Ausmaß der Katastrophe real gesehen haben, war furchtbar.”
"Ganz viel Kraft für die Menschen"
Die beiden konnten ein Häuschen mieten, weiter nördlich in Tinizara, 15 Kilometer vom Vulkan entfernt:
„Es ist unglaublich, als heute die Meldung kam, dass der Vulkan zu Ende ist. Und ich hoffe, dass ganz viel Kraft in den Menschen steckt, um wirklich gemeinsam einfach einen neuen Weg zu gehen.”
Schrittweise wird das Sperrgebiet verkleinert. Zunächst dürfen rund 1000, dann immer mehr Menschen zurück in ihre Wohnungen. Giftige Gase drohen ganz besonders da, wo die Lava noch heiß ist, wo sich Risse bilden und Blasen öffnen.
Vulkankegel, aus dem immer noch Gas strömt
Das Gebiet rund um den Vulkankegel, der sich fast 400 Meter hoch an der Bergflanke aufgetürmt hat, ist weiter abgesperrt. Nur mit Sondergenehmigung und zusammen mit Fachleuten und Gasdetektoren darf man in die Zone hinein. Die Bergflanke ist meterhoch mit Asche bedeckt, nur mit Allradantrieb kann man ehemalige Forstwege befahren.
Zum Schluss geht es zu Fuß weiter, aber näher als auf einen halben Kilometer können wir nicht an den Vulkankegel heran. Es weht ein starker Wind, es riecht nach Schwefel.
“Man sieht viele kleine Krater von den Lavabomben. Das Material am Vulkankegel ist sehr, sehr instabil, wegen der hohen Temperaturen. Die Gestalt ändert sich immer noch, auch weil Gas ausströmt.
Wir hören es oft, wenn wir hier in der Nähe des Kegels arbeiten, dass irgendwo etwas zusammenbricht. Es hängt auch vom Wetter ab, ob es kleinere oder größere Veränderungen gibt.”
Maria José Blanco ist Vulkanologin. Mit ihrem Team überwacht sie den Vulkan, auch jetzt noch, nachdem der Ausbruch als beendet gilt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellen Messgeräte auf und kontrollieren sie. Sie nehmen Proben.
“Wir sehen uns die Geochemie an, die uns viel über das Vulkansystem sagt. Wir entnehmen Proben auch aus schon erstarrten Lavaströmen, Gasproben aus Lavablasen, sogenannten Fumarolen. Und wir analysieren Grundwasserproben. Das alles hilft uns, genauere Aussagen machen zu können, wenn es wieder einen Ausbruch gibt.”
Bei keinem Vulkanausbruch zuvor seien so viele Messdaten gesammelt worden wie bei diesem, sagt die Forscherin. Es ist jetzt Ende Februar, fünf Monate nach dem Ausbruch, zwei Monate, seitdem er für beendet erklärt worden ist.
Nur noch wenige Vulkantouren
Für Jonas, der mit seinen Vulkantouren zwischenzeitlich ganz erfolgreich war, ruht, seitdem der Vulkan ruht, auch das Geschäft wieder. In das kleine Büro in der Nähe von Santa Cruz verirrt sich selten mal ein Tourist.
“Als der Vulkan aufgehört hat, haben wir selbst angefangen, alle abzutelefonieren, die reserviert hatten. Damit sie am Ende nicht enttäuscht sind. Wir haben gesagt, wir bieten die Tour trotzdem an, um zu schauen, was der Vulkan noch macht, Dampf, Lava.
Und manche Leute haben gesagt: Kein Problem, ich komme auf jeden Fall auf die Insel und mache auch die Tour. Andere haben offen gesagt: Ich fahre nach La Palma, weil ich die Reise nicht stornieren kann. Aber die Tour mache ich nicht, weil ich einen aktiven Vulkan sehen wollte.”
Lasst die Leute das Lavagestein anfassen
Statt 15 Touren pro Woche bekommen Jonas und seine Frau noch drei voll, wenn es gut geht. Die Touren müssten jetzt an andere Punkte, meint er. Zumindest an die kalte Lava ran. Das müssen die Behörden jetzt dringend genehmigen, sagt er, während er zwei Kaffee aus der Maschine lässt.
“Wir registrierte Unternehmen haben eine Versicherung. Und wir brauchen den Tourismus. Wir würden gern nach unten fahren, zur Lava, ans Meer. Das ist spannend und für die Leute gibt es kaum Gefahr. Es geht nur darum, dass sie das Lavagestein anfassen können.”
Jonas ist keiner, der aufgibt. Und auch Sandra und Jakob nicht. Sie würden liebend gerne etwas Neues aufbauen, um dort wieder Urlaubsgäste zu empfangen. Aber ein halbes Jahr nach dem Ausbruch, nach dem Schock und der Flucht, nach hoffnungsvoller Rückkehr in ein kleines, gemietetes Häuschen in Tinizara im Norden, sind sie inzwischen ernüchtert.
Bauland ist knapp und teuer
Obwohl die Inselregierung erst kürzlich Flächen als Bauland freigegeben hat. Wer ein Haus verloren hat, muss dort keine Grunderwerbsteuer zahlen. Das gilt aber nur in den drei Gemeinden, die unmittelbar betroffen waren, sagt Jakob.
“Und was abzusehen war, wenn man das natürlich nur auf drei Gemeinden begrenzt, ist der Andrang entsprechend hoch, Böden kaufen zu wollen, von denen aber wenig da ist. Dann greifen über Nacht die Gesetze der Marktwirtschaft und die Preise explodieren. Zusätzlich hat man den Leuten auch noch eine Frist von 18 Monaten aufs Auge gedrückt.
Die haben in der Regel auch noch keine Soforthilfen oder Entschädigungen für die Böden bekommen. Und was wir jetzt noch gar nicht erwähnt haben, ist: Die haben dann allesamt ein Panoramablick auf die Zerstörung ihrer Existenz, das ist auch noch mal ein Thema."
Zu teuer, zu schmerzhaft - Jakob und Sandra würden deshalb gerne im Norden neu anfangen, aber auch da ist attraktiv gelegenes Bauland knapp, die Preise hoch. Vielleicht versuchen es die beiden jetzt auf Teneriffa. Vielleicht auf dem spanischen Festland. Vielleicht gehen sie sogar nach Südamerika - noch ist es nicht entschieden.
Vulkan als dauerhafte Attraktion
Tourenanbieter Jonas Perez und seine Familie bleiben. Sie können zwar wegen der giftigen Gase noch immer nicht zurück in ihr Haus in Puerto Naos, aber es steht noch, immerhin. Und eines Tages, irgendwann, wird es auch die neue Straße geben die Norden und Süden verbindet, ohne lange Umwege.
Jonas und seine Frau werden sich neue Ausflugstouren einfallen lassen, wenn die Touristen zurückkommen. Und der Vulkan wird auf Dauer eine Attraktion sein, glaubt er:
“Gerade heute Morgen habe ich gelesen, dass sie schon darüber nachdenken, einen Wanderweg zu einem Aussichtspunkt in der Nähe des Vulkans zu öffnen.”
“Gerade heute Morgen habe ich gelesen, dass sie schon darüber nachdenken, einen Wanderweg zu einem Aussichtspunkt in der Nähe des Vulkans zu öffnen.”
Positive Zukunft für La Palma
Die Aschewolke über den Bergen ist jetzt lange weg, und bei strahlend blauem Himmel erwartet Hoteldirektor Karim Gagstetter zwar keine Wunder. Aber immerhin bieten die Fluggesellschaften inzwischen wieder Direktflüge nach La Palma an:
“Das hat im Februar angefangen, mit einem direkten Flug von Deutschland aus, und ab da gab es dann immer mehr Flüge. Und wir merken heute, dass jeden Tag ein paar mehr Reservierungen kommen und die Anfragen auch immer mehr werden.”
Von den Touristen alleine kann die Insel nicht leben, weiß Plantagenbesitzer Victor Manuel Bonilla und er wird nicht müde, auf die Politik zu schimpfen:
“Die bauen doch nur Luftschlösser, was Reales habe ich noch nicht gesehen.”
Es dauert halt, sagt Inselpräsident Mariano Zapata, dem die Inselwahlen im Mai 2023 im Nacken sitzen. Der neue Vulkan ist ganz einfach da, mit allem Drum und Dran, sagt er:
“Diese Chance gilt es zu nutzen. Architekturstudenten werden uns 20 Vorschläge für eine mögliche touristische Infrastruktur rund um den Vulkan machen. Ich glaube an eine positive Zukunft für die Insel La Palma. Wir müssen anfangen, auch an den Tourismus als Wirtschaftsfaktor zu glauben.”