VW-Abgasskandal

Der Streit um neue Diesel-Grenzwerte

Der Auspuff eines VW Tiguan TDI
Die Bundesregierung fordert einen größeren Puffer bei den Abgaswerten. © picture alliance / dpa / Karl-Josef Hildenbrand
Von Jörg Münchenberg |
Der VW-Abgasskandal hat gezeigt: Die bisherigen Testverfahren im Labor waren wertlos. Heute beraten Experten der EU-Staaten über realistische Tests für Dieselfahrzeuge. Doch Streit ist vorprogrammiert.
Der Handlungsdruck ist enorm, zumindest darin sind sich alle einig. Jahrelang hat Volkswagen die Abgaswerte von Dieselfahrzeugen manipuliert und damit die gesamte Branche unter Generalverdacht gestellt. Dazu kommt, dass die bisherigen Testverfahren im Labor ziemlich wertlos sind.
Nach Berechnungen der EU-Kommission liegt der Ausstoß von Stickoxiden unter realen Straßenbedingungen vier Mal so hoch wie im Labortest ermittelt, wenn es darum geht, die aktuelle Euro-6-Norm zu erreichen. Das soll sich mit den neuen Testverfahren ändern, die 2017 eingeführt werden. Auch die zuständige EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska sieht mittlerweile akuten Handlungsbedarf:
"Wir müssen das jetzt so schnell wie möglich umsetzen, damit wir dann wirklich belastbare Testverfahren haben. Die Kommission will das schnell umsetzen, aber wir können das nicht alleine machen. Wir sind hier auf die Unterstützung der Mitgliedstaaten angewiesen."
Und gerade die Mitgliedsländer mit einer starken Autoindustrie stehen wieder einmal auf der Bremse, auch die Bundesregierung, trotz der Dieselaffäre um Volkswagen. So ist keinesfalls ausgemacht, auf welche Details sich heute das zuständige EU-Expertengremium bei den neuen Testverfahren, abgekürzt Real Driving Emission (RDE) einigen wird.
Bundesumweltministerin Hendricks will Hersteller nicht überfordern
Weitgehend unumstritten ist, dass neu zugelassene Dieselfahrzeuge mit der neuen Testmethode erstmal die bisherige Euro-6-Norm reißen dürfen. Um die Hersteller durch die Umsetzung des Verfahrens nicht zu überfordern. Die Kommission hatte vorgeschlagen, dass die Abgaswerte zwischen 2017 und 2019 60 Prozent über der Norm liegen dürfen, ab 2019 aber nur noch um 20 Prozent. Das aber überfordere die Hersteller, sagt dazu Bundesumweltministerin Barbara Hendricks:
"Ich kann mir immer ehrgeizige Ziele wünschen, dass ist vollkommen richtig. Aber sie müssen technologisch natürlich auch umsetzbar sein. Und deswegen glaube ich nicht, dass es sinnvoll ist, wenn man sich Ziele setzt, die sich gut anhören. Die aber hinterher ständig gerissen werden. Da ist es dann vernünftiger zu sagen, wir setzen uns ehrgeizige Ziele – ja – aber wir setzen uns auch die Ziele, die in dieser kurzen Zeit erreichbar sind."
Diese Einschätzung spiegelt sich auch in dem Positionspapier für die heutige Sitzung wieder. Die Bundesregierung fordert einen deutlich größeren Puffer bei den Abgaswerten für die Autoindustrie, wenn RDE angelaufen ist. Und zwar sowohl für die Anfangsphase 2017 als auch ab 2019.
Andere Mitgliedsländer wie Italien, die Slowakei oder auch Frankreich fordern Abgaswerte, die sogar doppelt und noch höher über der aktuellen Euro-6-Norm liegen dürfen. Doch bislang zeigt sich die Kommission unbeeindruckt und hält an ihrem Vorschlag fest. Dieser sei anspruchsvoll, aber realistisch, weist Industriekommissarin Bienkowska die Kritik einiger Mitgliedsländer zurück:
Doch ob sich die Kommission heute durchsetzen kann, ist offen. Denkbar auch, dass die Entscheidung noch einmal verschoben wird. Klar ist aber auch: Für die Autoindustrie steht mit den neuen Testverfahren unter Straßenbedingungen viel auf dem Spiel. Doch der Kurswechsel sei überfällig, betont der Vorsitzende des EU-Verkehrsausschusses im Europäischen Parlament, Michael Cramer, von den Grünen und verweist auf die unmittelbaren Folgen der gefährlichen Stickoxide:
"430 Tote sind zu beklagen an diesen Ausstößen von NOX. Das ist hochgefährlich. Das müssen wir ändern. Und entweder der Diesel wird sauber oder er hat keine Chance."
Bleibt abzuwarten, ob das die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten heute genauso sieht.
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