Waffen für die Kurden

Das Tabu ist gebrochen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gibt am 01.09.2014 im Bundestag in Berlin während der Sondersitzung eine Regierungserklärung zum Ukraine-Konflikt und die geplanten Waffenlieferungen an die Kurden im Irak ab.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigt in einer Regierungserklärung die Waffenlieferungen in den Irak. © dpa / picture-alliance / Rainer Jensen
Von Frank Capellan, Hauptstadtstudio |
Die Bundesrepublik Deutschland wird erstmals Waffen in ein Kriegsgebiet liefern. Ausgerechnet auf den Tag genau 75 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges werde in Berlin nun ein Kurswechsel vollzogen, den zwei Drittel der Deutschen für falsch halten, kommentiert Frank Capellan. Deutschland könne und solle mehr Verantwortung in der Welt tragen, aber müsse dieser Verantwortung nicht mit Waffenlieferungen gerecht werden.
Das Tabu ist gebrochen. Das Parlament schaut zu. Es ist zum Zuschauen verdammt. Debattieren ja, entscheiden nein. In der Sache haben die Abgeordneten nichts zu melden. Leider lassen sie es mit sich machen. Gemessen daran, dass heute ein elementarer Grundsatz deutscher Außenpolitik auf die Müllhalde der Geschichte geworfen wurde, ist es erstaunlich ruhig geblieben im Hohen Haus zu Berlin.
Deutschland liefert erstmals Waffen in ein Kriegsgebiet
"Keine deutschen Waffen in Kriegsgebiete!" - Von jetzt an hat diese Maxime keine Gültigkeit mehr, von jetzt an wird sich jede Bundesregierung fragen lassen müssen, warum die Kurden Raketen und Gewehre bekommen haben, anderen aber solche Lieferungen verwehrt werden. Schlimm genug, dass ausgerechnet Deutschland zum drittgrößten Waffenexporteur weltweit aufgestiegen ist. Genauso schlimm ist es aber, dass sich die schwarz-rote Regierung aus bündnispolitischen Erwägungen eine Kehrtwende aufdrängen lässt.
Deutschland kann und soll mehr Verantwortung in der Welt tragen, aber Deutschland muss dieser Verantwortung nicht mit Waffenlieferungen gerecht werden. Ausgerechnet auf den Tag genau 75 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wird in Berlin nun ein Kurswechsel vollzogen, den zwei Drittel der Deutschen für falsch halten. Natürlich gibt es gute Argumente dafür, den Vormarsch der IS-Terrorbanden mit Waffen zu stoppen, nur hätte bei einem solch grundlegenden Schritt der Bundestag wirklich gefragt werden müssen - und zwar nicht nach dem Beschluss der Bundesregierung, sondern davor.
Die Panzerabwehrwaffe "Milan"
Die Panzerabwehrwaffe "Milan" könnte Teil der zurzeit heftig diskutierten deutschen Waffenlieferungen an die Kurden im Irak sein© dpa/picture-alliance/K. Schneider/Bundeswehr/dpa
Innerhalb von gerade mal zwei Tagen ist die Kanzlerin Mitte August umgefallen. Innerhalb von zwei Tagen wurde aus dem strikten Nein zur Abkehr von der Regel ein Ja zu Exporten in ein Kriegsgebiet. Ehrlich erklären konnte das bis heute niemand. "Es geht nicht, dass wir Waffen liefern und in ein paar Jahren Soldaten zur Befriedung schicken müssen, die dann deutschen Waffen gegenüberstehen." So hat SPD-Chef Sigmar Gabriel damals argumentiert.
Rückendeckung für eine umstrittene Entscheidung
Was hat sich an der Gültigkeit dieses Satzes geändert? Die Kanzlerin wiederum legt nun die Betonung darauf, dass Unabhängigkeitskämpfer der kurdischen PKK keine Unterstützung bekommen und deutsche Soldaten auf keinen Fall irakischen Boden betreten werden. Wie will sie das garantieren? Wie unwohl sich Angela Merkel mit ihrer Entscheidung fühlt, verrät die Genese der heutigen Sondersitzung.
Die Bundesregierung wollte sie nicht, von einer Beteiligung des gesamten Bundestages war zunächst keine Rede. Der nicht bindende Antrag, über den am Ende abgestimmt werden durfte, wurde zur Farce und hatte nur den Sinn, sich die vermeintliche Rückendeckung des Parlamentes für eine äußerst umstrittene Entscheidung zu holen. So haben sich viele Abgeordnete von Union und SPD für das instrumentalisieren lassen, was Verteidigungsminister Ursula von der Leyen immerhin beim Namen genannt hat: Für einen Tabubruch!
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