Waffenlieferungen

Das Gute wollen, das Böse schaffen

Kurdischer Kämpfer im Irak
Kurdischer Kämpfer im Irak © afp / Safin Hamed
Von Stephanie Rohde · 31.08.2014
Der Kampf gegen die IS-Terrormiliz wird schon bald mit deutschen Waffen geführt. Ist das ethisch vertretbar - oder sollte die Bundesregierung besser darauf verzichten? Unsere Autorin plädiert für einen dritten Weg.
Es ist wieder da: das Böse. In einer Welt, in der alles nur noch aus moralischen Grauschattierungen zu bestehen scheint, in der es keine wirklich "gute" Politik oder "gute" Supermacht mehr gibt, konnte in diesen Wochen endlich mal wieder etwas absolut Böses identifiziert werden: IS - die radikalen Islamisten in Syrien und Irak.
Diese Zuschreibung erscheint bequem und etwas opportun. Denn die Weltgemeinschaft kann sich damit als Gegenspieler des Bösen inszenieren und gewinnt dadurch vermeintlich an moralischem Gewicht. Doch das Problem, vor das sich die deutsche Regierung und die Bundestagsabgeordneten gestellt sehen, ist: Wer gegen das Böse kämpfen will, ist nicht per se gut. Egal ob mit oder ohne Waffenlieferungen: Es werden Menschen sterben, IS-Kämpfer, kurdische Rebellen und Zivilisten.
Und: was ethisch gut ist, beantworten unterschiedliche Typen von Ethik auf je andere Weise.
Folgen des eigenen Handelns abwägen
Laut dem Soziologen Max Weber schaut ein Verantwortungsethiker darauf, ob er die Folgen einer Handlung verantworten kann. Einem Gesinnungsethiker hingegen ist es wichtiger, die richtigen Motive für eine Handlung zu haben. Leider weiß man selten, welches die eigentlichen Motive waren und welche Folgen eine Handlung langfristig haben kann. Dennoch müssen Politiker laut Max Weber beide Maximen gegeneinander abwägen, wenn sie eine Entscheidung treffen.
Relativ einwandfrei im Sinne der Gesinnungsethik erscheinen die Ziele und gewünschten Zwecke der Waffenlieferungen: Menschenleben sollen gerettet und der Krieg beendet werden. Aber auch Waffen nicht zu liefern, um den Krieg nicht weiter anzuheizen, ist gesinnungsethisch nachvollziehbar.
Verantwortungsethisch betrachtet, ist es bedauerlicherweise so, dass jede Handlung zwei Arten von Folgen hat – die einen begrüßt man, die anderen nimmt man zähneknirschend hin. Die unerwünschten Folgen werden in diesem Fall weitere Tote sein und möglicherweise der Missbrauch von Waffen, wenn sie in die Hände von Terroristen gelangen – also genau das Gegenteil dessen, was bezweckt wurde.
Deutsche Politiker stehen also vor zwei schlechten Optionen. Entweder Deutschland liefert tödliches Kriegsgerät an die Feinde der Feinde, um mit Gewalt schlimmere Gewalt zu verhindern. Oder wir schauen schuldgeplagt dem Morden weiter zu, heizen den Krieg aber immerhin nicht mit weiteren Waffen an. Das wäre das Unterlassen einer Handlung. Aber auch dieses ist, so schon Thomas von Aquin, genau wie aktives Tun auch eine ethisch zu bewertende Handlung.
Besser Soldaten statt Waffen schicken
Ist also eine Handlung, die kaum verantwortbare Konsequenzen nach sich zieht, ethisch korrekter, als deren Unterlassung?
Aus der Forschung des Psychologen Jonathan Baron wissen wir, wie Menschen sich in solchen Situationen verhalten. Wenn sie wählen müssen, entweder zu handeln mit möglicherweise negativen Folgen, oder nicht zu handeln, mit definitiv negativen Folgen, entscheiden sich die meisten dafür, nicht zu handeln. Denn wer handelt, fühlt sich im Nachhinein eher schuldig dafür, als jemand, der nicht handelt - auch wenn das Ergebnis das gleiche ist. Dieses Phänomen nennt man "omission bias" – die Neigung zur Unterlassung.
Die Versuchung für die deutschen Politiker wäre also groß, nichts zu tun. Doch verantwortungsethisch wäre das fragwürdig, ebenso fragwürdig, wie unkontrollierbare Waffen zu liefern. Wer also seiner guten Intention auch verantwortungsethisch gerecht werden will, sollte über eine dritte Option nachdenken - und statt unkontrollierbaren Waffen kontrollierbare Soldaten schicken.
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