Mit Revolver in die Vorlesung
Im US-Bundesstaat Texas tritt ein umstrittenes Waffengesetz in Kraft: Studenten mit einer Waffenlizenz dürfen ab dem 1. August 2016 bewaffnet zur Vorlesung kommen. Das soll potentielle Amokläufer abschrecken.
Das umstrittene Gesetz wurde bereits im vergangenen Jahr vom texanischen Parlament beschlossen; mit den Stimmen der republikanischen Mehrheit. Nun tritt es trotz heftiger Proteste von Studierenden und Professoren in Kraft. An allen staatlichen Universitäten in 14 texanischen Städten dürfen Studierende, die eine Waffenlizenz besitzen, ab sofort ihre Waffe auch in der Uni tragen, allerdings verdeckt, um niemanden zu erschrecken. Der Präsident der University of Texas in Austin, Gregory Fenves, muss das neue Gesetz gegen seine innere Überzeugung umsetzen:
"Waffen gehören nicht auf den Campus. Auch die meisten Professoren, Studenten und ihre Eltern halten Waffen in Bildungseinrichtungen für unangemessen."
Das sieht die Regierung von Texas anders. Der stellvertretende Gouverneur, der Republikaner Dan Patrick, ist überzeugt, dass die Universitäten künftig vor Amokläufern und Gewalttätern sicherer werden:
"Dort wo Leute eine Waffe haben, gehen böse Typen nicht hin. Lasst den Amerikanern ihre Waffe! Lasst sie sich selbst verteidigen! Dann wird Amerika ein sicherer Ort sein."
Keine Waffen an privaten Unis
Die privaten Universitäten in Texas sind nicht an das neue Gesetz gebunden. Sie haben entschieden, dass ihre Studenten weiterhin keine Waffen in Vorlesungen und Seminare mitbringen dürfen.
Unter den Studierenden in Texas ist das Meinungsbild geteilt. Für das neue Gesetz hatte sich der "Studentenverband für das verdeckte Tragen von Waffen" stark gemacht. Dieser Verband wurde vor neun Jahren gegründet, nachdem an der Universität "Virginia Tech" 32 Menschen bei einer Massenschießerei ums Leben kamen. Der Student Jesus Guzman will ab sofort mit Waffe zur Uni kommen:
"Meist kommt es zu Massenschießereien an Schulen und öffentlichen Orten, wo Waffen nicht erlaubt sind. Das ist ein Schritt nach vorne, der uns als Bürger die Macht gibt, uns selbst zu verteidigen."
Doch die meisten Studierenden denken eher wie Nicholas Cox von der Texas A&M-Universität:
"Ich fühle mich nie sicher, wenn bewaffnete Leute um mich sind, die ich nicht kenne und die keine Polizisten sind. Für mich ist das alarmierend."
Nobelpreisträger Weinberg widersetzt sich dem Gesetz
Einige Professoren wollen die Umsetzung des neuen Gesetzes noch mit einer Zivilklage stoppen. Sie machen sich Sorgen um ihre Sicherheit: Psychisch labile Studenten könnten künftig in Konfliktsituationen - zum Beispiel nach einer schlechten Note - zur Waffe greifen. Der einzige Nobelpreisträger an der University of Texas, der Physik-Professor Steven Weinberg, hat angekündigt, das neue Gesetz zu missachten: Er werde in seinen Vorlesungen keine Waffen dulden. Der Präsident der Universität hat den Gesetzgebern immerhin einige Ausnahmen abringen können: In einigen sensiblen Räumen, zum Beispiel mit gefährlichen Chemikalien oder in der psychischen Beratungsstelle, sind Waffen weiterhin tabu.
Was die Gegner des neuen Gesetzes besonders ärgert: Es tritt ausgerechnet am 50. Jahrestag der ersten Massenschießerei an einer Universität in Kraft. Am 1. August 1966 erschoss ein Student 16 Menschen - und zwar an der University of Texas in Austin.